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Entsiegelungs-Wettbewerb „Abpflastern“Bremen reißt Asphalt weg

Auf dem Weg zu Schwammstädten setzen Kommunen auch auf Bürgerengagement. Jetzt will nach Hamburg und Flensburg auch Bremen Asphalt entfernen.

Erfolgreich entsiegelt: neue Grünfläche auf dem Paul-Arnsberg-Platz im Frankfurter Stadtteil Ostend Foto: dpa/Arne Dedert

Wenn am 21. März 2026 der bundesweite Wettbewerb „Abpflastern“ zur Flächenentsiegelung in Städten und Dörfern beginnt, dann soll Bremen dabei sein. Das ist die Hoffnung eines Bündnisses von verschiedenen Bremer Klimainitiativen sowie der evangelischen Kirche und der Klima-Arbeitsgemeinschaften der Koalitionsparteien SPD, Grüne und Linke.

Für den 10. Dezember 2025 hat das Bündnis deshalb zu einer Impulsveranstaltung im Forum Kirche eingeladen. Es geht beim Abpflastern darum, Bür­ge­r:in­nen zu motivieren, auf eigenen Flächen Steine und Beton zu entfernen und Grünflächen anzulegen. Oder den Anstoß zu geben, dass beispielsweise Schulen ihre Schulhöfe umwandeln, was einen unmittelbaren Nutzen für Kinder und Jugendliche an heißen Tagen hätte.

„Die Entsiegelung hilft, Regenwasser besser versickern zu lassen, Hitzeinseln im Stadtgebiet zu reduzieren und neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu schaffen“, heißt es in der Ankündigung der Bremer Klimagespräche, die die Veranstaltung gemeinsam mit der Bremischen Evangelischen Kirche organisieren. „Zentral ist auch die soziale Dimension: Stadtteile mit viel Versiegelung, wenigen Grünflächen und Bäumen werden durch Hitzeereignisse noch mehr benachteiligt, und die Be­woh­ne­r:in­nen leiden stärker unter Klimafolgen.“

Bremen ist dabei im Norden kein Vorreiter. Die Idee entstand 2020 in den Niederlanden. In Hamburg hatte sich im April eine Initiative gegründet, die zum innerstädtischen Wettbewerb aufgerufen hatte und eine Liste über entsiegelte Flächen und über Vorschläge zum Abpflastern führt.

Mit diesem Ergebnis hatte Hamburg beim ersten bundesweiten Wettbewerb „Abpflastern“ in diesem Jahr teilgenommen und in der Liga der Großstädte über 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen den dritten Platz belegt. Hier wurden im Wettbewerbszeitraum bis Ende Oktober 2025 insgesamt 37 „Steine“, bezogen auf jeweils 1.000 Einwohner:innen, entfernt. Die sogenannten Steine haben dabei eine Fläche von 10 mal 20 Zentimetern. Entsiegelt wurden insgesamt 1.432 Quadratmeter. Innerstädtisch gewann der Bezirk Altona.

Unter anderem entstand in Flensburg aus zehn versiegelten Parkplätzen ein 200 Quadratmeter großer Garten. Auch Schulhöfe wurden entsiegelt und umgestaltet

In Darmstadt waren es 59 Steine pro 1.000 Ein­woh­ne­r:in­nen und in Frankfurt 63. Teilgenommen hatten 32 Kommunen, die Hälfte haben mehr als 100.000 Einwohner:innen. Das ist nichts im Vergleich mit dem, was kleinere Kommunen bewegt haben. In Mettingen bei Osnabrück mit rund 11.500 Ein­woh­ne­r:in­nen wurden 4.983 Steine pro 1.000 Ein­woh­ne­r:in­nen abgepflastert.

Den zweiten Platz gemessen an Steinen pro Einwohnerzahl belegt Flensburg mit 1.050 Steinen pro 1.000 Einwohner:innen. Oder in Quadratmetern gemessen: 2.077. Das ist in absoluten Zahlen der Spitzenplatz. Unter anderem entstand in Flensburg aus zehn versiegelten Parkplätzen ein 200 Quadratmeter großer Garten. Auch Schulhöfe wurden entsiegelt und umgestaltet.

Wer sich in Bremen am Abpflastern beteiligen will, kann in einem neuen, von der Stadt erstellten und veröffentlichten Entsiegelungskataster nachsehen, an welchen Orten dies besonders dringlich ist. Es wurde im September dieses Jahrs in parlamentarischen Gremien vorgestellt und zeigt die Auswertung von Luftbildern, die den Versiegelungsgrad und den Typ einer Fläche darstellen.

Grüne fordern systematische Entsiegelung

So lassen sich sogar verschiedene Befestigungsarten unterscheiden nach Vollversiegelung, Pflaster- und Rasengittersteinen. Auf der anderen Seite ist zu erkennen, wo es Gründächer gibt sowie Büsche, Bäume, Wasser oder Rasen/Grasland.

Es gehe darum, Potenziale im öffentlichen Raum aufzuzeigen und systematisch zu entsiegeln, sagt Bithja Menzel, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen in der Bremer Bürgerschaft, die das Kataster initiiert hatten und jetzt seine Weiterentwicklung fordern. Dazu gehört auch, eine entsprechende Stelle in der Verwaltung zu schaffen.

Bisher arbeiteten Verwaltungsabteilungen noch zu oft aneinander vorbei. Wenn eine Straße für Bauarbeiten aufgerissen werde, müsste zum Beispiel sofort geschaut werden, ob an dieser Stelle etwas für die „grün-blaue Infrastruktur“ getan werden sollte, weil der Versiegelungsgrad sehr hoch sei. „Im Straßenbau kann man heutzutage vieles machen“, sagte Bithja Menzel. Baumscheiben könnten anders angelegt werden, Straßen „gekippt“ werden, damit das Wasser ablaufen könne. Unterirdische Wasserspeicher könnten gebaut werden, um Regenwasser in den Boden sickern zu lassen.

Menzel weist daraufhin, dass der Staat nicht allein auf privates Engagement setzen dürfe. Es brauche dringend auch in Zukunft die Kofinanzierung für Bundesprogramme wie das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“, die eine großflächige Entsiegelung und Begrünung möglich machen. Im kommenden Jahr wird mit dem Programm in Bremen ein 600 Quadratmeter großer Platz entsiegelt, 2025 war es eine 100 Quadratmeter große Fläche. Beide Orte befinden sich in extrem versiegelten Gegenden.

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