piwik no script img

Entscheidung von Spaniens RegierungProtest gegen neues Abtreibungsrecht

In Spanien sollen Schwangerschaftsabbrüche nur noch bis zur 14. Woche legal sein. Ein Weg direkt zurück ins „Mittelalter“, sagen Gegner und gehen auf die Straße.

„Mein Bauch gehört mir“ – Demonstrantinnen in Madrid Bild: ap

MADRID dpa | Die spanische Regierung hat eine umstrittene Verschärfung des Abtreibungsgesetzes beschlossen und damit große Empörung auch unter Konservativen ausgelöst. Nach dem Reformentwurf, der am Freitag auf einer Kabinettssitzung in Madrid gebilligt wurde, sollen Abtreibungen künftig nur noch in Fällen von Vergewaltigung oder bei schweren gesundheitlichen Risiken für die Mutter zulässig sein.

Wie die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy weiter mitteilte, sollen Abtreibungen nur noch bis zur 14. Schwangerschaftswoche legal durchgeführt werden dürfen. Tausende gingen gegen das neue Gesetz noch am Freitagabend auf die Straßen.

Das seit 2010 in Spanien geltende Recht gestattet Frauen bisher eine Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche ohne jedwede Angabe von Gründen. Nur Mädchen unter 16 Jahren müssen eine Einverständniserklärung ihrer Eltern vorlegen. Falls eine Missbildung des Fötus vorliegt und auch bei physischen oder psychologischen Risiken für die Mutter darf ein Abbruch bis zur 22. Woche erfolgen.

Schon wenige Stunden nach der Kabinettsentscheidung gingen Menschen im ganzen Land spontan auf die Straßen, um zu protestieren. In Madrid versammelten sich laut Medien zunächst insgesamt rund Tausend Menschen vor dem Justizministerium und auch vor dem Hauptsitz von Rajoys Volkspartei (PP). Unter dem Motto „Mein Bauch gehört mir!“ machten vor allem Frauen ihrer Empörung Luft. Sie forderten den Rücktritt von Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón. Er zwinge die Frauen zu illegalen Abtreibungen, hieß es. Proteste gab es auch in Barcelona und anderen Städten.

Die Reformpläne, die vom Parlament noch abgesegnet werden müssen, werden seit Monaten von linken Parteien, von Frauenverbänden und Menschenrechtsgruppen scharf angeprangert. Kritik gab es aber auch von konservativ-christlich ausgerichteten Bewegungen wie der Baskischen Nationalistischen Partei PNV. Die Reform erfolge „auf Druck sehr reaktionärer Sektoren“, klagte etwa am Freitag die PNV-Präsidentin der Provinz Bizkaia, Itxaso Atutxa. Das Gesetz von 2010 sei seinerzeit „mit großem Konsens in Parlament und Gesellschaft“ beschlossen worden, betonte sie.

Aus Brüssel, wo er am EU-Gipfel teilnahm, betonte Rajoy am Freitag vor Journalisten, die Reform des Abtreibungsgesetzes habe seine Volkspartei (PP) im Wahlprogramm versprochen. „Wir haben eine Regulierung in Anlehnung an das Gesetz von 1985 vorgenommen, das in Spanien 20 Jahre lang galt und damals von der (sozialistischen) Regierung von Felipe González erarbeitet wurde“, sagte er.

Kritiker entgegnen jedoch, im Gesetz von 1985 sei unter anderem bereits die Abtreibung wegen Missbildung des Fötus erlaubt worden – eine Möglichkeit, die nun im Entwurf von Gallardón abgeschafft wird. Die Zeitung El País schrieb, es handele sich um das „restriktivste Abtreibungsrecht“ seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie (1975).

Bürgerinitiativen, die für mehr Demokratie und gegen die Korruption kämpfen, wie die Bewegung „DRYMadrid“ („Wirkliche Demokratie sofort!“), klagten am Freitag in ersten Reaktionen auf Twitter, Rajoy wolle das Land „ins Mittelalter zurückwerfen“. Mit etwa 120.000 Abtreibungen pro Jahr liegt Spanien nach amtlichen Angaben über dem europäischen Durchschnitt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • M
    Malaparte

    Erst ein faktische Demonstrationsverbot, dann die Abschaffung des Ethik- und Staatsbürgerkundeunterricht zu Gunsten des Religionsunterricht und nun das (quasi) Verbot der Abtreibung. Es brodelt in Iberien und der Staat fürchtet sich -zu Recht- vor seinem Volk. Diese Situation erfordert hal staatliche Repression und die katholische Kirche als Stütze. Es war nie anders..

  • B
    Banane

    Es ist unglaublich, was sich Politiker einbilden. Sie glauben, sie könnten einfach alles machen. In Europa ist es ja geradezu eine sportliche Disziplin geworden, gegen das Volk zu regieren. Erstaunlich festzustellen, dass die mieseste Gesellschaftspolitik von Sozialdemokraten gemacht wird.

  • B
    Banane

    Nebenschauplätze, Ablenkungsmanöver, Sandstreuen.

  • Restriktive Gesetzgebungen zum Schwangerschaftsabbruch sind hinreichend untersucht. Sie führen zu Illegalität, Abbrüchen unter unsicheren Bedingungen und Durchführung im Ausland. Grenzüberschreitende medizinische Eingriffe sind im globalisierten Europa längst die Regel.Selbst konservativen Politiker/innen sollte das bekannt sein. In Spanien gibt es deutlich höhere Abbruch-Raten bei Migrantinnen im Vergleich zu spanischen Frauen. Das wäre ein sinnvoller und hilfreicher Ansatzpunkt zur Verbesserung der Situation für Frauen.

  • Die Überschrift ist extrem irreführend. Sie suggeriert, die Leute wären wegen der Verkürzung auf 14 Wochen so sauer.

  • die spannierinnen sollten einfach alle auswandern. soll der Rajoy doch zusehen, wie er selber kinder kriegt.

  • Spanien hat nicht einmal die Hälfte der Einwohner Deutschlands. Trotzdem liegt die Zahl der Abtreibungen rund 25% darüber.

    Mit anderen Worten: In Spanien wird höchst leichtsinnig abgetrieben.

    Warum sollte die dortige Regierung das unterstützen?

    • @Horsti:

      Ein logischer Fehlschluss:

      Vllt. liegen hier nur in mehr Fällen Situationen vor, in denen die Aufzucht eines Kindes als unzumutbar empfunden wird..

    • S
      Sören
      @Horsti:

      Mathe war nie mein Lieblingsfach, aber in Spanien leben knapp 47 Millionen Menschen, in Deutschland 80,5. "Nicht einmal die Hälfte" ist das wohl kaum. Ich weiß auch nicht, was "höchst leichtsinnig" sein soll. Der Staat hat hier weder etwas zu unterstützen, noch zu verbieten. Er setzt einen Rahmen, innerhalb der Frauen, idealerweise zusammen mit dem Partner, mündige Entscheidungen treffen sollen. Es ist in keiner Weise die Angelegenheit der Gesellschaft, solche Entscheidungen zu treffen. Und bei einem Vergleich zwischen Spanien und Deutschland müsste man mindestens die schlechte wirtschaftliche Lage Spaniens berücksichtigen. Wenn man aber nichtmal weiß, wie groß die Bevölkerung dort ist, wird man davon wohl auch nichts wissen...