Entschädigung von Sowjetsoldaten: Das Geld kommt zu spät

Mehr als fünf Millionen Sowjetsoldaten litten in deutscher Gefangenschaft. Nur noch 1.175 von ihnen bekamen die 2.500 Euro Entschädigung ausgezahlt.

Ein alter Mann sitzt schräg hinter Rosen. Jemand schüttelt ihm die Hand

Nur wenige der Veteranen erhielten noch eine Entschädigung Foto: dpa

BERLIN taz | Die meisten Überlebenden hat die Entschädigung nicht mehr erreicht: Je 2.500 Euro wollte die Bundesrepublik in den vergangenen zwei Jahren an ehemalige sowjetische Soldaten zahlen, die während des Zweiten Weltkriegs in deutscher Kriegsgefangenschaft saßen. Zu Beginn des Entschädigungsprogramms gingen Experten von 4.000 noch lebenden Betroffenen aus. Nach dem Ende der Antragsfrist legt die Bundesregierung jetzt aber eine enttäuschende Bilanz vor: Nur 1.767 formgerechte Anträge gingen bei den Behörden ein, bislang wurden nur 1.175 davon positiv beschieden.

Insgesamt saßen während des Kriegs über fünf Millionen Rotarmisten in Lagern der Nazis. Die Deutschen behandelten sie weit schlechter als Gefangene aus anderen Armeen. Viele der sowjetischen Soldaten wurden erschossen, verhungerten oder mussten sich zu Tode schuften. Nur rund 1,8 Millionen überlebten die Gefangenschaft.

In der Bundesrepublik spielte diese Opfergruppe lange Zeit keine Rolle. Erst im Mai 2015 rang sich der Bundestag auf Initiative der Linkspartei dazu durch, den noch lebenden Betroffenen einmalig eine sogenannte Anerkennungsleistung zu zahlen. Dass die Entschädigung nur noch wenige der ehemaligen Gefangenen erreichen würde, war den Abgeordneten schon damals klar. Die Zahl der Anträge unterschreitet jetzt aber sogar die ohnehin schon niedrigen Erwartungen.

„Angesichts von Millionen Opfern sind gerade einmal knapp über 2.000 Anträge, von denen bislang auch nur 1.175 positiv beschieden wurden, eine bittere und beschämende Bilanz“, sagt der Linken-Abgeordnete Jan Korte, der die Abschlussbilanz bei dem Finanzministerium erfragt hat. „Dennoch war die Initiative und der Bundestagsbeschluss natürlich richtig und wichtig, sie kam nur ganz offensichtlich leider viel zu spät.“

Die Initiative und der Bundestagsbeschluss war natürlich richtig und wichtig, sie kam nur ganz offensichtlich leider viel zu spät“

Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) setzte das Entschädigungsprogramm im Auftrag der Bundesregierung um. Von den 1.767 formgerecht eingegangen Anträgen lehnte die Behörde bislang 429 abschließend ab. In vielen Fällen waren die Antragsteller entweder nicht in der Roten Armee oder nicht in deutscher Kriegsgefangenschaft gewesen. In einigen Fällen stellten Familienangehörige bereits verstorbener Opfer die Anträge, sie haben aber kein Recht auf Entschädigung. 118 weitere Anträge hat die Behörde noch nicht abschließend bearbeitet, die endgültige Zahl der bewilligten Entschädigungen könnte also noch leicht steigen.

Eines ist dennoch schon absehbar: Von den 10 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundestags insgesamt reserviert hatte, wird ein großer Teil übrigbleiben. Bislang hat das BADV nur knapp 3 Mil­lionen überwiesen. Geht es nach dem Linken-Abgeordneten Korte, wird der Bundestag den übrigen Betrag umwidmen. „Die Linke wird in den kommenden Haushaltsberatungen darauf drängen, dass die nicht abgerufenen Mittel entweder den positiv beschiedenen Antragstellern oder der Gedenk- und Bildungsarbeit zum Thema zu Gute kommen“, sagte er. Entscheiden müsste darüber der bislang nicht eingesetzte Haushaltsausschuss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.