Entlohnung von Essenskurieren: Arbeit auf Abruf
Das Risiko werde vom Unternehmen auf die Fahrer verlagert, sagen Kritiker. Nun fordern Essenskuriere in Deutschland faire Löhne.
Die Bestellungen über Foodora funktionieren per App: Palmer loggt sich zu Beginn ihrer Schicht ein. Die gesamte Arbeitszeit kann die App nachverfolgen, wo sie sich befindet. Bestellt ein Kunde, erhält Palmer eine Nachricht. Nimmt sie den Auftrag an, fährt sie zum Restaurant, holt das Essen ab und liefert es dem Kunden nach Hause. Dafür erhält sie neun Euro pro Stunde. Nach der Bestellung soll der Kunde die Mahlzeit in maximal einer halbe Stunde erhalten.
Foodora-Sprecher Vincent Pfeifer ist zufrieden: „Die Kuriere haben feste Verträge, wir bezahlen die Versicherungen und der Stundenlohn ist für jemanden, der keine Ausbildung hat, gut.“ Clemens Melzer von der unabhängigen Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) will die gesamte Branche dagegen durch die Kampagne „Deliverunion“ verändern.
Melzer kritisiert die Bezahlung und die Arbeit auf Abruf: „Die Fahrer konkurrieren untereinander, sie wissen nie, wie viel Geld sie am Ende des Monats verdienen oder wie viele Stunden sie in der nächsten Woche arbeiten.“ Ein weiteres Problem seien die Arbeitsmittel, die die Fahrer selbst bezahlen müssen. Jeder braucht ein Smartphone und ein Fahrrad. Für den Handyvertrag oder Reparaturen am Rad müssen die Kuriere selbst aufkommen.
Clemens Melzer, FAU Berlin
Laut Palmer gibt es für Minijobber und Aushilfen keine Mindestanzahl von Stunden, die sie monatlich leisten. Melzer sieht Foodora als Teil einer „Gig-Economy“, bei der sich die Angestellten wie eine Band von Auftrag zu Auftrag hangeln.
Die Kuriere seien nicht flexibel und müssten oft abends oder an Wochenenden Schichten fahren, wofür sie keinen Bonus erhielten. Das Risiko werde vom Unternehmen auf die Arbeiter verlagert. Pfeifer bestreitet das und appelliert an die „Riderschaft“, angenommene Schichten auch zu fahren, damit kein Chaos entstehe.
Empfohlener externer Inhalt
Livestream der Veranstaltung
Melzer kritisiert, dass sich die Kuriere steigern und möglichst viele Lieferungen pro Stunde machen müssten, da sie sonst weniger Schichten bekämen. Pfeifer entgegnet: „Die Fahrer werden nicht mit der Peitsche durch die Stadt gejagt.“ Den Fahrern ist jedoch unbekannt, nach welchen Kriterien der Algorithmus funktioniert. Im Frühjahr schaffte Foodora zudem den Wochenendzuschlag von einem Euro pro Stunde ab. Stattdessen soll es den Fahrern zugute kommen, wenn sie viele Schichten annehmen, schnell liefern und zuverlässig sind.
„Wir wollen eine Garantie, genug Schichten zu bekommen, die Kostenübernahme von Arbeitsmaterialien und höhere Löhne“, forderte Georgia Palmer am Montag. Protestaktionen sind nicht ausgeschlossen: Schon Ende Juni hatten Fahrer während einer Raddemo alte Fahrradteile vor die Deliveroo-Geschäftsstelle geworfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen