Entlastungspaket für Berlin: Taktische Unschärfe
Das Entlastungspaket der Koalition bleibt in den Details unkonkret. Frustrierend – aber richtig, wenn man den Bund unter Druck setzen will.
D ie Regierende Bürgermeisterin sah sich am Donnerstag dann doch noch mal genötigt, ein paar grundsätzliche Worte loszuwerden. „Das ist ein Gesamtkonzept, das es so noch in keinem anderen Bundesland gibt“, sagte Franziska Giffey (SPD) zum diese Woche im Senat beschlossenen Berliner Entlastungspaket in der Energiekrise. „Berlin ist hier Vorreiter.“
So. Das wäre gesagt. Tatsächlich sind die Maßnahmen, die am Montag zunächst im rot-grün-roten Koalitionsausschuss geeint und dann am Dienstag im Senat verabschiedet wurden, recht detailliert: Ein Energiekostenzuschuss und ein Stromrabatt für Menschen mit wenig Geld soll kommen. Der Wirtschaft wird mit Darlehen und einer „Energiekostensoforthilfe“ über den Winter geholfen. Kitas können 300 Euro pro Platz mehr abrechnen. Und so weiter.
Dass sich Giffey am Donnerstag im Parlament trotzdem in der Defensive wiederfand mit ihrem mindestens 800 Millionen Euro teuren Geschenk – billiger soll das Berliner Entlastungspaket nicht werden – liegt natürlich daran: Es ist nicht so ganz klar, was am Ende von den vielen Versprechen bleibt.
Die meisten Entlastungsmaßnahmen stehen im Detail noch gar nicht fest. Etwa, wer überhaupt qualifiziert sein wird, einen Energiekostenzuschuss zu beantragen. Der Härtefallfonds für diejenigen, die – trotz Zuschuss und Stromrabatt – nicht mehr wissen, wie sie ihre Abschläge bezahlen sollen, soll nur kommen, wenn der Bund sich partout nicht zu einem Energiepreisdeckel durchringen mag.
Diese andauernde Unschärfe der Landespolitik im Angesicht der Krise mag ein bisschen frustrierend sein. Sie ist aber gerade die richtige Taktik, um der Ampel-Koalition im Bund endlich ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen, sich ihrerseits nicht nur zu Einmalzahlungen á la 300 Euro für Rentner*innen hinreißen zu lassen. Vielmehr muss sie grundsätzlich zur „Wurzel des Übels“ vorstoßen, sprich den hohen Energiepreisen. Die lähmen die Kauflust der Leute. 300 Euro Einmalzahlung helfen da gar nichts, und die Rezession gewinnt als Schreckgespenst am Horizont der Berliner Wirtschaft rasch an Kontur.
Der Energiepreisdeckel muss her
Ein breit angelegter Energiepreisdeckel muss also her. In Berlin fordert den, in einem seltenen Anfall von Krisen-Pragmatismus mit der Linken und der SPD vereint, sogar die CDU. Doch um ihn finanzieren zu können, müsste der Bund die Schuldenbremse aussetzen. Das will FDP-Finanziminister Christian Lindner nicht.
Lieber hält Lindner an der Gasumlage fest, die allerdings – zumal wenn Gasunternehmen wie Uniper verstaatlicht werden – zunehmend den Charakter einer Steuer bekommt. Die Last läge also wieder bei den Bürger*innen und nicht bei den Energiekonzernen, die immer noch teils hohe Gewinne machen in der Krise.
„Rechtlich zweifelhaft und politisch falsch“, nannte der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh die Gasumlage. Während also die SPD gerade fleißig Opposition gegen die mitregierenden Genoss*innen im Bund betreibt, bleiben die Berliner Grünen leise. Dabei scheint Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Gasumlage auch lieber wieder weghaben zu wollen – er habe erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel, ließ er sich zitieren. Finanzminister Linder mag die freilich nicht erkennen.
Am kommenden Mittwoch entscheidet sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz, ob die Länder – auch NRW und Bayern wollen sich der Schuldenbremse entledigen – so viel Druck machen können, dass die FDP ihre Blockadehaltung aufgeben muss. Damit läge der Ball wieder beim Berliner Senat. Und dann müsste man endlich konkret werden bei den Entlastungs-Versprechen.
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