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Enteignung von Immobilien-KonzernenEs riecht nach Karl Marx

55 Prozent der Berliner befürworten die Verstaatlichung von Immobilienkonzernen. Es scheint, als komme hier eine Idee aus früheren Zeiten zurück.

Plakate gegen den Verkauf von Mietwohnungen an die Deutsche Wohnen SE in Berlin Foto: dpa

Ein Gespenst geht um in Berlin – das Gespenst der Enteignung. Die linke Hälfte des Wahlvolks in der Hauptstadt würde es laut einer Umfrage befürworten, wenn man Großvermietern Wohnungen wegnähme. „Enteignung liegt im Trend“, titelt deswegen der Tagesspiegel. Als ginge es um Wintermode. Man besitzt nicht mehr, man enteignet jetzt. Wie gut, dass die meisten Berliner diesem Trend folgen. Denn viele Mieter können sich das Wohnen wegen der Mietspekulationen nicht mehr leisten.

Es scheint, als komme hier eine Idee aus früheren Zeiten zurück, das Ganze riecht ja geradezu nach Karl Marx. „Enteignung“ wurde im 19. Jahrhundert dem französischen „expropriation“ entlehnt. Es bedeutet den Einzug einer Sache durch den Staat. Marx verwendete Expropriation in „Kapital“, meinte damit aber die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft in Klassengesellschaften. Wegen dieser Ausbeutung hielt er die Enteignung der Enteigner für gerechtfertigt, also den Einzug der Produktionsmittel im Interesse der Arbeiter.

Die Diktaturen des 20. Jahrhunderts nutzten die Idee als Mittel, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Die Nazis nahmen jüdischen Bürgern ihre Wohnungen weg, das hieß dann „Konfiskation“. Die kommunistische Regierung in der DDR nahm Landbesitzern die Äcker und Produktionsmittel weg und nannte das „Bodenreform“.

Heute wird meistens enteignet, wenn ein Haus blöderweise dort steht, wo der Staat gerade eine Autobahn bauen will. Doch im Unterschied zu früheren Regimen wird in der Bundesrepublik nur bei gleichzeitiger Entschädigung enteignet. Und nur, wenn es nicht anders geht, als Ultima Ratio. Wie hoch die Entschädigung, das entscheidet sich oft erst nach langwierigen Gerichtsverfahren. Deswegen ist es umstritten, ob Miethaie wie die Deutsche Wohnen ihre Berliner Wohnungen unfreiwillig abgeben sollen.

Tatsächlich gibt es im Grundgesetz einen Enteignungsparagrafen, auf den sich die Aktivisten berufen. Nur blöd, dass dieser noch nie genutzt wurde. Deswegen sind Verfassungsrechtler skeptisch, ob die Enteignung der Deutsche Wohnen als Ultima Ratio gerechtfertigt wäre. Sollte es zur sozial begründeten Enteignung von Wohnraum kommen, wäre das tatsächlich neu. Berlin wäre dann wirklich Trendsetter.

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5 Kommentare

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  • Ja - womöglich riecht das nach Karl Marx. Aber ist das etwa ein Problem? Wenn man bedenkt, dass der Autor die Enteignung von Großgrundbesitzern in der Deutschen Demokratischen Republik mit der Enteignung der Juden gleichsetzt -



    obwohl es hier ökonomische, dort rassistische Motive gab -, legt das den Schluss nahe: Für ihn offenbar schon ...

  • Kapitalismus ist eben nur dann schön, wenn's in der eigenen Kasse klingelt. Aber wer konnte das früher schon ahnen?

  • Einfach skandalös, diese Berliner. Undankbar angesichts all der Wohltaten, die das marktwirtschaftliche System ihnen in 70 Jahren beschert hat. Oder?

    Wer da "Marxismus" schreit (in der irrigen Annahme, das sei ein Schimpfwort), soll doch mal darlegen, wie "der Markt" angesichts der Nichtvermehrbarkeit von Grund und Boden das Problem zunehmender radikaler Verknappung bezahlbaren Wohnraums zu lösen gedenkt. Alle bisherigen hilflosen Handlungsansätze gehen in die Richtung "der Steuerzahler muss es durch Steuerverzicht oder Subventionierung regeln". Dabei bietet (ausgerechnet!) die Bayerische Landesverfassung in Art. 161(2) den einzig gangbaren Ansatz:

    "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen."

    Klar, gilt nur in Bayern. Aber kennt den wenigstens dort jemand?

    • @Bitbändiger:

      Sehr Interessant. Vielleicht sollte man das dort mal einklagen. Wäre sicher spannend.

  • Geb mal dazu alte Handlungsanweisung

    Herrenchiemsee - Grundgesetz - Entwurf - u.a.

    “Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland



    Art 15



    Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“

    Ol Conny Adenauer zu seinem Buddy Robert Pferdmenges* -



    “Dat müsse mer machen. Dess mache mer aber net!““



    Du machst den Vorsitz!“



    Und ooch klar. So kam es. Newahr.



    Normal.

    unterm——-*



    “Als enger Vertrauter und Berater des Bundeskanzlers prägt Robert Pferdmenges die Ära Adenauer. In den Gründungsjahren der CDU ist sein ein Einfluss auf die Integration des Wirtschaftsbürgertums in die Partei kaum zu überschätzen. Der Bankier wirkt darüber hinaus als wichtiger Ansprechpartner für die Anliegen protestantischer Kreise und steht damit für das überkonfessionelle Profil der Union.



    www.konrad-adenaue...pferdmenges-robert



    &



    de.wikipedia.org/w...Robert_Pferdmenges

    Ming Ol*03 & auslandsgestählter Koofmich - kommentierte das so:



    “Der Pferdmenges & der Abs (Deutsche Bank) - Die beiden haben dem Adenauer - Aktienspekulationsschulden in Höhe von ca 200Tausend DM - doch doch.



    GESTRICHEN!„

    (damals 'ein Arsch voll Geld‘



    (& “…es waren in Wahrheit noch viel mehr - aber die sind beweisbar!“



    Werner Rügemer!;)(



    (Das is mehr als‘n Mittagessen mit Mutti! Wa - Ackermänchen!



    Ja. “Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen.“)

    kurz - “Na Jung. Kann der Mann unabhängig sein*?* Nö!“

    So geht das.