Wohnungspolitik: „Die Finanzlage reicht dafür nicht“
Finanzsenator Kollatz (SPD) befürwortet ausgewählte Wohnungskäufe, ist aber gegen Volksbegehren zur Enteignung der Deutsche Wohnen.
Eine Enteignung von Berlins größtem Wohnungseigentümer, der Deutsche Wohnen, verbunden mit milliardenschwerer Entschädigung, ist aus Sicht von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) nicht bezahlbar. Es sei unplausibel, „dass die Finanzmittel des Landes Berlin dafür reichen würden“, sagte er am Dienstag vor Journalisten. „Die haushalterische und politische Priorität ist der Neubau, damit das mal ganz klar ist.“ Die Linkspartei hingegen hatte beschlossen, das auf eine Enteignung aller Großvermieter zielende Volksbegehren zu unterstützen, das ab April Unterschriften sammeln will. Auch bei den Grünen gibt es dafür Sympathien.
Kollatz äußerte sich nach der Sitzung des rot-rot-grünen Senats, in der es um einen 2,4-Milliarden-Euro-Überschuss im vergangenen Haushaltsjahr ging. Koalition und Parlament hatten bereits entschieden, das Geld in Tilgung – Berlin hat weiterhin rund 58 Milliarden Schulden –, Investitionen und Rücklagen etwa für einen S-Bahn-Fuhrpark zu stecken. Grund für den Überschuss sind vor allem unerwartet hohe Steuereinnahmen, niedrigere Zinszahlungen und Geld, das für Investitionen geplant war, aber nicht ausgegeben wurde.
Es ist der siebte Jahresüberschuss in Folge, doch Kollatz warnte: „Wer die Landespolitik länger beobachtet, der weiß: Das ist überhaupt nicht selbstverständlich.“ Der Finanzsenator erinnerte damit an Zeiten, als das Land rote Zahlen schrieb und jährlich neue Kredite aufnehmen musste – oder Landesunternehmen verkaufte, um an Geld zu kommen. In diesem Zusammenhang hatte die damals rot-rote Koalition 2004 auch das landeseigene Wohnungsunternehmen GSW verkauft. Dessen rund 50.000 Wohnungen gehören seit 2014 der Deutsche Wohnen. Regierungschef Michael Müller (SPD) hatte vergangenen Freitag den Wunsch geäußert, diese Wohnungen zurück in Landeshand zu holen.
Sein Finanzsenator äußerte sich jetzt weit zurückhaltender: „Ich rate zu einer selektiven Zukaufspolitik“ – also ausgewählte Immobilien statt kompletter Bestände zu erwerben. Als Beispiel für die Größenordnung nannte Kollatz mehrere Jahre zurückliegende Verhandlungen über 3.500 bis 4.000 bundeseigene Wohnungen. Zudem verwies er darauf, dass die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen vergangenes Jahr zusammen 3.018 Wohnungen gekauft hätten. „Wer glaubt, dass man alles kaufen kann, überschätzt die Finanzmittel des Landes Berlin“, sagte Kollatz. Eine Obergrenze für das, was er für bezahlbar hält, mochte er aber nicht nennen.
Senatssprecherin Claudia Sünder (SPD) sah darin gegenüber der taz keinen Widerspruch zu den Äußerungen von Regierungschef Müller: Auch die haben demnach als Basis, dass ein Kauf, wie vom Finanzsenator angestrebt, wirtschaftlich und nicht haushaltsruinös ist. Kollatz äußerte sich zwar ablehnend zum Volksbegehren, aber durchaus kritisch zur Deutsche Wohnen: „Ich halte es für ein Problem, wenn der größte Vermieter zugleich der unbeliebteste ist.“
Leser*innenkommentare
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Gast
Durch den Kauf von Wohnungen entsteht genau wie viel neuer Wohnraum? Genau, kein einziger Quadratmeter. Und das Geld, das Berlin aus dem Landerfinangausgleich bekommt, ist futsch, zum Nutzen einiger weniger Mieter, die dann ggfs günstigere Mieten zahlen.
Andi S
Das Steueraufkommen wird tendenziell in den nächsten Jahren zurückgehen, aufgrund der Konjunkturentwicklung. Der Finanzsenator hat dementsprechend Recht, dass beim Rückkauf der Wohnungen viel Mittel (=Verschuldung) notwendig wäre und für Neubauten kein Geld da wäre.
Der Verkauf der eigenen Wohnungsbestände durch Bund, Länder und Kommunen bleibt trotzdem die dümmste Tat der 90er und 2000er. Wird vielleicht noch von dem Sell and lease back von Stadtwerken getoppt 😬