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Engagement für FriedenDie Vielfalt der Aktiven

Der Bremer Friedenspreis geht dieses Jahr an eine argentinische Indígena, an Gegner der Sklavenarbeit in Pakistan und an widerständige Wildschweinjäger.

Mediale Aufmerksamkeit für einen harten Kampf: Anjum Raza Mattu engagiert sich gegen Sklavenarbeit in Pakistan. Bild: Henning Bleyl

Seit sie 14 Jahre wurde, kämpft Natalia Sarapura für das Recht auf kollektiven Landbesitz. Der entspricht der Tradition ihres Volkes, der Kolla, die im Nordwesten Argentiniens leben. Da in den dortigen Salzstöcken jedoch Lithium lagert, ist dieser Kampf hart. Heute wird Sarapura für ihr beharrliches und risikoreiches Engagement mit dem Internationalen Bremer Friedenspreis geehrt, den die Stiftung „Die Schwelle“ vergibt.

Die mittlerweile 38-jährige Sarapura ist Präsidentin des Rates der Indigenen Organisationen von Juijuy und kann auf 50 Gemeinden verweisen, deren kollektive Landtitel staatlich anerkannt wurden. 180 weitere Kommunen im Hochland der Anden kämpfen noch um ihn. Sarapura und ihre MitstreiterInnen wehrten sich „gegen den staatlich forcierten Verkauf angestammter Landflächen an Bergbaukonzerne und Großgrundbesitzer“, heißt es seitens des Stiftungskuratoriums, das als Jury fungiert.

Großgrundbesitzer sind die zusammen mit Sarapura ausgezeichnete Grafen von Bernstorff auch. Ihr Verdienst besteht unter anderem darin, dass sie ihren Besitz nicht verkaufen wollten: 30 Millionen Mark wurden ihnen Ende der 70er-Jahre von der Bundesregierung angeboten, da ihnen immerhin ein Drittel des Gorlebener Salzstocks gehört, das als atomares Endlager vorgesehen war.

Dass man den Besitz zusammenhält, wurde Andreas Graf von Bernstorff schon von seinen Vorfahren per Familienstatut auferlegt – wobei der Begründer der wendländischen Bernstorff-Linie, ein hannoverscher Minister, den Widerstand seiner Nachfahren gegen die Staatsgewalt wohl kaum voraus gesehen oder gebilligt hätte. Die heutige Grafen-Familie jedoch veranstaltet Wildschweinjagden, um Atom-Transporte zu behindern, und lässt Bäume fällen, wenn der Castor kommt.

Neben der Kirche waren die Bernstorffs fast die einzigen Grundbesitzer, die sich den Kaufangeboten, die die damaligen Bodenwerte um ein Zehnfaches überstiegen, verweigerten. Wurde das auch als Haltung kritisiert, die dem Motto folge: Aber nicht vor meiner Haus- beziehungsweise Schlosstür? „In der Tat“, sagt Andreas Bernstorff. „Aber wenn Gorleben in einem transparenten Verfahren, das alle geologischen Kriterien ausreichend berücksichtigt, als bundesweit geeignetstes Atommülllager heraus käme, würde ich das akzeptieren.“

Sein gleichnamiger Vorfahr sorgte Ende des 18. Jahrhunderts als dänischer Premierminister für das Verbot des Sklavenhandels und die Aufhebung der Leibeigenschaft – ein Problem, mit dem sich Anjum Raza Mattu, der dritte Preisträger, ganz aktuell auseinandersetzen muss. Offiziell wurde Sklaverei in Pakistan 1992 verboten – exakt 200 Jahre nach Dänemark –, doch das sei in weiten Teilen des Landes gar nicht bekannt, berichtet Mattu.

Seine Organisation, die Insan Dost Association, betreibt Aufklärungsarbeit und hat eigenen Angaben zu Folge bereits 15.000 Menschen per Gerichtsbeschluss zur Freiheit verholfen. Doch noch immer, sagt Mattu, befänden sich mehrere Millionen in Schuldknechtschaft und müssten unter menschenunwürdigen Bedingungen in Ziegeleien, der Müllsortierung, der Teppichindustrie und in Steinbrüchen schuften, ohne Schutzausrüstung, geregelte Arbeitszeiten oder irgendeine medizinische Versorgung – darunter mehr als eine Million Kinder.

„Wir sagen den Menschen: Es muss nicht euer Schicksal sein, ausgenutzt und unterdrückt zu werden“, berichtet Mattu. Seine Organisation unterstützt die Gründung von Gewerkschafen, ermöglicht den Schulbesuch von Kindern und leistet immer wieder Rechtshilfe für Menschen, die sich und ihre Familien aus der illegalen Schuldknechtschaft zu befreien versuchen.

Naturgemäß sind die Sanktionen sehr unterschiedlich, die die Preisträger für ihr Engagement riskieren. Mattu saß dreimal im Gefängnis, Andreas Bernstorff wurde für sein Anti-Castor-Engagement von der CDU mit einem Parteiausschluss-Verfahren bestraft. „Irgendwann bin ich aber gerne ausgetreten“, sagt er.

Die Verleihung der Preise findet heute um 18 Uhr in der Oberen Rathaushalle statt. Die Stiftung, die von einem Bremer Unternehmer-Paar gegründet wurde, verleiht ihn seit 2003.

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1 Kommentar

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  • D
    D.J.

    Das Problem ist in Pakistan und andernorts, dass es nie eine islamische Abolitionistenbewegung gegeben hat. Der Westen nutzte zwar bekanntermaßen intensiv Sklavenarbeit v.a. in Amerika, doch ist der Westen auch der einzige Kulturkreis, der eine abolitionistische Bewegung hervorbrachte (erste Ansätze päpstliche Bulle Sublimis Deus im Jahre 1537 mit Verbot der Versklavung auch von Nichtchristen - allerdings noch längst nicht der Sklaverei; schließlich konsequentere Ansätze in der europäischen Aufklärung usw.usf.). Im Osmanischen Reich in der 2. Hälfte des 19.Jh. wurde auf Druck von außen zwar die Sklaverei abgeschafft, doch war dies eher die Ausnahme. Ansonsten gingen seit dem 19. Jh. koloniale Eroberungen und Abschaffung der Sklaverei in islamischen Ländern meist einher. Keine guten Voraussetzung für eine Verinnerlichung des Sklavereiverbots (zumal für alle traditionellen islamischen Rechtsschulen Sklaverei - einschl. einer sexuellen Komponente bei weiblichen Sklaven - selbstverständlich ist).