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Energiewende in Deutschland30 Milliarden mehr für Atomausstieg

Die ewige Endlagersuche könnte die Kosten explodieren lassen. Auch die wirtschaftlichen Probleme der AKW-Betreiber stellen ein Risiko dar.

Erst Atommüll produzieren und dann nicht wissen, wohin damit: Das wird teuer. Bild: dpa

BERLIN rtr | Der Vorsitzende der Endlager-Suchkommission des Bundestages, Michael Müller (SPD), hat vor den ungedeckten Kosten des Atomausstiegs gewarnt. Die Ausgaben könnten in den nächsten Jahrzehnten auf 50 bis 70 Milliarden Euro ansteigen, sagte er der Frankfurter Rundschau.

Die Rückstellungen der vier Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, die diese für Abriss der Atomkraftwerke, Zwischen- und Endlagerung gebildet haben, liegen derzeit bei etwas unter 40 Milliarden Euro. Müller sagte: „Auf den Staat kommen erhebliche finanzielle Risiken zu, wie das auch die Untersuchungen des Bundeswirtschaftsministeriums zeigen.“ Ein Grund für die Kostensteigerung könnten jahrzehntelange Verzögerungen bei Standortsuche und beim Bau des Endlagers sein.

Die Bundesregierung ist angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der vier AKW-Betreiber in Sorge, dass die Verpflichtungen zum Kraftwerksabriss sowie zur Endlagerung des Mülls nicht mehr erfüllt werden könnten. Befeuert wurden die Bedenken durch die Aufspaltung des Eon-Konzerns, der sich auf zukunftsträchtigere Geschäftsfelder wie erneuerbare Energien konzentrieren will. So kam die Frage auf, was bei einer Pleite einer Betreibergesellschaft der Kraftwerke mit den Rückstellungen geschieht und wie man Risiken abwenden kann.

Auch ein deswegen von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten sieht erhebliche Gefahren für den Steuerzahler und empfiehlt einen öffentlichen Fonds für den AKW-Abriss, in dem ein Teil oder die gesamten Rückstellungen fließen sollten. Zudem will das Wirtschaftsministerium die Jahresabschlüsse der AKW-Betreibern einem sogenannten Stresstest unterziehen, um zu sehen, ob die in den Bilanzen verankerten Rückstellungen auch verlässlich verfügbar sind.

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13 Kommentare

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  • Fehlt eigentlich nur, dass hier mal wieder die massenweise Herstellung von Gold aus Atommüll in Aussicht gestellt wird.

    Fakt ist: Bis heute konnte weltweit noch keine Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle verwirklicht werden. Sämtliche Brutreaktoren sind über das Versuchsstadium nicht hinaus gelangt. Bisher wurde lediglich jede Menge Geld aufgefressen. Eine dieser Investitionsruinen kann man in Kalkar am Niederrhein bewundern.

    Beim Myrrha-Projekt hofft man, in etwa 30 Jahren "Industriereife" zu erreichen, ohne jedoch bisher als Basis überhaupt irgendeinen Nachweis der technischen Realisierbarkeit oder Wirtschaftlichkeit erbracht zu haben. Realistischere Projekte in den USA gehen derzeit von 90 Jahren Entwicklungszeit bei ca. 300 Mrd. US$ Kosten und einer möglichen Verminderung des radioaktiven Abfalls von etwas mehr als 200 kg/Jahr (!) aus - immer vorausgesetzt, es funktioniert dann auch. Alternativen zur Endlagersuche sind das alles sicher nicht, sondern allenfalls Forschungsprojekte, deren ziviler Nutzen nach wie vor zweifelhaft bleibt.

  • Die Frage ist doch, brauchen wir überhaupt ein Endlager?

    Es gibt momentan wenigstens 3 Wege, um hochradioaktive Stoffe zu entsorgen.

     

    1) Transmutation: Das europäische MYRRHA-Projekt

     

    2) Moderne schnelle Brüter, wie der russische BN 800, der letztes Jahr ans Netz ging. Der Rosatom CEO sprach von 25 Jahren, in denen Russland Atommüll frei sein wird.

     

    3) Moderne Reaktoren wie die Flüssigsalzreaktoren (zB. der deutsche Entwurf "Dual Fluid Reactor"), die nahezu alles "fressen"

     

    Sollte man sich die irrsinnigen Kosten und den Aufwand für Endlagersuche nicht sparen und lieber erstmal abwarten, welche der Möglichkeiten des Recyclings die beste ist?

    Und vor allem: Aktiv daran beteiligen. Je schneller Ergebnisse vorliegen, desto bessser für alle!

  • Es ist wirklich zum Mäusemelken! Auch dieser Artikel erweckt wieder den Eindruck, als ob die Kosten und Risiken der Atomkraftwerke allein ein deutsches Problem seien!

    Jedenfalls finde ich keinen Verweis auf Proteste gegen AKW in anderen Staaten, die bestimmt nicht billiger oder sicherer sind, als die deutschen.

     

    Vielleicht ist ja das öffentliche Bewusstsein in D. schon weiter als anderswo; die Anti-AKW-Bewegung hat ihren Anteil daran. Aber in den USA gilt die Kernenergie immer noch als „grüne Energie“ und in Japan sollen, trotz Fukushima-Katastrophe, weitere AKW gebaut werden.

     

    Besonders schlimm finde ich, dass dem Iran jetzt der verstärkte Einstieg in die zivile Kernkraft-Nutzung gestattet werden soll, in der Hoffnung, dass die Mullahs dann ihre Finger von den noch gefährlicheren A-Waffen lassen. Und das mit deutscher Billigung! Wo bleibt der Aufschrei der AKW-Gegner?

     

    Im „Schwerpunkt Anti-Akw“ der taz fand ich einzelne Verweise auf Japan, GB, Finnland, Niederlande. Aber in keinem der Beiträge kam auch nur das Wort „Iran“ vor!

    • @Pfanni:

      Wie kommen Sie darauf, dass man sich beim Thema Energiewende/Atomausstieg in Deutschland vor allem erst einmal mit den Mullahs und dem Iran beschäftigen muss? Welche AKW-Gegner sollen dem Iran "jetzt den verstärkten Einstieg in die zivile Kernkraft-Nutzung gestattet" haben und wie sollten sie dem Iran dies denn eigentlich verbieten? Meinten Sie Iran, Uran, Urin, oder einfach nur Unsinn?

      • @Rainer B.:

        Ich habe Pfanni nicht so verstanden, dass man sich beim Thema Energiewende/Atomausstieg erst einmal mit Mullahs und Iran beschäftigen muss.

         

        Ich habe ihn so verstanden, dass wir auch über den Tellerrand hinausblicken sollten. Einerseits wollen wir aus Atomenergie aussteigen, andererseits ermöglichen wir anderen Staaten gleichzeitig einzusteigen. War da nicht auch mal was mit einer deutschen Hermes-Bürgschaft für ein AKW in Brasilien oder verwechsle ich da was?

        • @Jens Brehl:

          Ist leider ein typisches Ablenkerthema aus der Mottenkiste und kommt auch heute nur so rüber. Die Entscheidung zum Atomaustieg in Deutschland war und ist eine energiepolitische Mehrheitsentscheidung. Eine solche Entscheidung kann bestenfalls Vorbildfunktion haben, aber hier nicht für andere Länder getroffen werden. Einige Länder sind diesem Beispiel ja bereits gefolgt und ich habe keinen Zweifel, dass weitere folgen werden.

          Sie haben natürlich völlig recht, dass es wenig überzeugend ist, wenn der Staat gleichzeitig deutsche Unternehmen, die weiterhin Atomtechnik exportieren, auf vielfältige Weise dabei unterstützt und fördert. Aus meiner Sicht wäre eine Verknüpfung dieser Thematik mit den drängenden Problemen, die der Strahlenmüll akut bereithält, eher hinderlich und ich sehe auch nicht, inwiefern eine Zusammenlegung dieser beiden Baustellen da zielführend sein könnte.

      • @Rainer B.:

        Vermutlich haben Sie von unten nach oben, statt von oben nach unten gelesen. Deshalb die kleine Verwirrung. Kann passieren.

         

        „Vor allem erst einmal“ sprach ich von D., wo man schon weiter als anderswo ist, so dass hier „nur“ noch die 70 Mrd. für den Atomausstieg zu stemmen sind (vergaß ich leider explizit zu erwähnen, sorry!). Hier müssen die AKW-Gegner „nur“ noch aufpassen, dass der richtige Weg nicht verlassen wird.

         

        Anderswo (z. B. USA, Japan) ist noch viel Arbeit nötig, um überhaupt erst mal Problembewusstsein zu schaffen und die Regierungen auf den „rechten Weg“ zu bringen.

         

        Und was nun den Iran betrifft: Natürlich erlauben nicht die AKW-Gegner den Iran die zivile Kernkraftnutzung, sondern die "G5+1" (Russland, USA, Großbritannien, Frankreich, China, sowie Deutschland) wollen dies tun, wenn der Iran auf Kernwaffen verzichtet. Auch der deutsche Vertreter, Herr Steinmeier, will zustimmen! Von den deutschen AKW-Gegnern hätte eine angemessene Reaktion erwartet, die blieb leider aus!

         

        Wenn dieser (oberfaule) Kompromiss erst geschlossen ist, werden es die iranischen AKW-Gegner noch schwerer haben. Auf Unterstützung aus dem Ausland werden sie nicht rechnen können!

        • @Pfanni:

          Zum Thema Iran:

          Wenn ein Herr Steinmeier tatsächlich der Meinung sein sollte, man könne einem souveränen Staat wie dem Iran die friedliche Nutzung der Kernenergie verbieten, dann muss man sich allmählich wirklich große Sorgen um ihn machen.

          Hintergrund der G5+1 Aktivitäten ist doch allein die Befürchtung Israels, der Iran könnte aus Brennelementen Kernwaffen machen und die Existenz Israels damit bedrohen. Dazu muss man wissen, dass Israel längst im Besitz von Kernwaffen ist, aber bis heute den Atomwaffensperrvertrag - im Gegensatz zum Iran - nicht unterzeichnet hat.

          • @Rainer B.:

            Betr.: Wenn ein Herr Steinmeier tatsächlich der Meinung sein sollte, man könne einem souveränen Staat wie dem Iran die friedliche Nutzung der Kernenergie verbieten…“

             

            Leider ist ein AKW keine Würstchenbude, die, wenn sie abbrennt, ihre Rauchwolke nur bis zur nächsten Straßenecke schickt. Also ist es nicht nur Sache des betreffenden Staates, denn die radioaktive Wolke nach einer Havarie macht nicht vor Grenzen halt, seien es souveräne Staaten oder nicht.

            Die AKW-Gegner wissen das und demonstrieren zu Recht auch gegen die AKW in den Nachbarstaaten.

             

            Zurück zu den 70 Mrd. . In der Tat, dafür müssen wir aufkommen. Das ist der Preis für das Abenteuer „zivile Kernkraft“. Weil wir in D. früher aussteigen, bekommen wir es auch früher zu spüren.

             

            Irgendwann werden sich auch die anderen Atomkraft-Nutzerstaaten – freiwillig oder nach Havarien – zum Ausstieg entschließen (müssen). Ich möchte bezweifeln, dass für diese der Ausstieg dann billiger wird.

            Zumal es auf der Erde kein für die nächsten Millionen Jahre wirklich „sicheres“ atomares Endlager gibt!

            • @Pfanni:

              AKW kann man nicht mit Würstchenbuden vergleichen und Aussenminister nicht mit demonstrierenden AKW-Gegnern. Wenn der Steinmeier was gegen Atomkraftwerke ansich hätte, müsste er ja zunächst mal bei unseren Nachbarn in Frankreich, Polen, Tschechien etc. vorstellig werden. Also, was soll der Unsinn?

        • @Pfanni:

          Nö,- die Kosten und Risiken deutscher Atomkraftwerke sind ein ausschließlich deutsches Problem, das hier konkret in Deutschland gelöst werden muss und nicht im Iran oder in Japan oder sonstwo. Es waren deutsche Behörden, die die Betriebsgenehmigungen erteilt haben, obwohl die Frage der Endlagerung des Strahlenmülls bis heute ja völlig ungeklärt ist. Die Schlüsselrolle in diesem Trauerspiel kam dabei einer Frau Angela Merkel zu, die das Amt des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1994 von Klaus Töpfer übernahm, als der eine eher kritische Haltung zur Atomwirtschaft entwickelte. Weil bis heute kein genehmigungsfähiges Konzept zur Endlagerung vorlegt wurde, sind auch die Kosten des Atomausstiegs überhaupt nicht seriös bezifferbar, man weiß lediglich, dass die Lagerung auf viele tausend Jahre hinaus hohe Kosten verursachen wird. Desweiteren weiß man, dass gemäß § 21 des deutschen Atomgesetzes der Verursacher von radioaktiven Abfällen verpflichtet ist, die Kosten für die Erkundung, Errichtung, sowie den Unterhalt von Anlagen zur geordneten Beseitigung des Abfalls zu tragen. Zu diesem Zweck haben die Energieversorgungsunternehmen Rücklagen (nicht zu verwechseln mit steuermindernden Rückstellungen!!) zu bilden.

  • Warum lagert man den Atommüll nicht bei den Atomstromkunden, die ihn indirekt ja mitverursacht haben ;)

  • Rückstellungen reichen nicht!

    .

    Das war doch nicht anders zu erwarten. Gewinne in "Kröpfchen" der Anteilseigner, Verluste in "Töpfchen" der Steuerzahler.

    .

    Wer etwas anders annahm, glaubte auch, dass die Renten sicher sind!

    .

    Gruss

    Sikasuu

    .

    Ps. Bei den Kohle-Ewigkeitsschäden ist doch das gleiche Spiel gelaufen! Oder bildet sich denn jemand ein, das die kapitalgedeckte "Stiftung" auf "ewig" die Altlasten schulktern kann!