Energieversorgung bei Stromausfall: Mit Solarstrom dem Blackout trotzen
Immer mehr Photovoltaikanlagen werden technisch für den Inselbetrieb ausgelegt. Altanlagen hingegen laufen bei Stromausfall nicht unbedingt.
Im Rückblick betrachtet war die Stromversorgung in Deutschland immer sehr sicher: Nach den letzten Zahlen von 2023 musste der deutsche Durchschnittshaushalt im ganzen Jahr nur für 12,8 Minuten auf Strom verzichten. In den zurückliegenden 15 Jahren lag die Ausfallzeit stets zwischen elf und 16 Minuten. Damit gehörte Deutschlands Stromversorgung regelmäßig zu den besten in Europa, weshalb alle Akteure der Energiewirtschaft immer wieder stolz auf den sogenannten Saidi-Wert (System Average Interruption Duration Index) verweisen.
Trotzdem kann es beruhigend sein, wenn im Fall eines Stromausfalls wenigstens bei Sonnenschein weiterhin Strom im Haus verfügbar ist. Damit wäre im Fall eines großflächigen Netzausfalls ein Horrorszenario, wie es Romanautor Marc Elsberg in seinem 2012 erschienenen und gut recherchierten Wissenschaftsthriller „Blackout“ drastisch und detailgetreu entwickelt, deutlich weniger wahrscheinlich.
Was eine Photovoltaikanlage im Falle eines Netzausfalls leisten kann, hängt von ihrer Konfiguration ab. Altanlagen fallen dann in der Regel aus, weil ihr Wechselrichter zwingend das 50-Hertz-Signal aus dem Netz benötigt, um arbeiten zu können.
Viele Neuanlagen liefern bei Stromausfall
Bei Neuanlagen ändert sich das jedoch zunehmend. Immer öfter wird die Technik so ausgelegt, dass sie auch im Fall eines Netzausfalls Strom liefern kann. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) teilt auf Anfrage mit, dass unter den neuen Photovoltaikanlagen mit Speichersystemen etwa 70 Prozent mit einer Notstromfunktion ausgestattet sind. Da etwa 80 Prozent der neu installierten Photovoltaikanlagen einen Speicher haben, dürfte somit gut die Hälfte der derzeitigen Neuanlagen auch bei einem Netzausfall Strom liefern können.
Die Firma Sonnen, ein Anbieter von Solarspeichersystemen, teilt ebenfalls mit, die Nachfrage nach notstromfähigen Anlagen steige „spürbar“ an. Früher hätten die meisten Kunden diese Funktion eher als nette Ergänzung betrachtet, heute habe sie einen zunehmend höheren Stellenwert. Sonnen verkauft in Deutschland inzwischen „bis zu 50 Prozent der Stromspeicher mit Notstrom- oder Inselfunktion“, sagt Firmensprecher Mathias Bloch.
Dabei ist zwischen zwei Varianten zu unterscheiden. Es gibt einerseits den Notstrom, andererseits den Ersatzstrom. Im Fall von Notstrom wird lediglich auf den Batteriespeicher zurückgegriffen, um bei Stromausfall kurzfristig wichtige Geräte zu versorgen. Das geht aber nur so lange, bis der Speicher leer ist.
Weitergehend ist die Ersatzstromversorgung. Dafür ist eine PV-Anlage erforderlich, die technisch in der Lage ist, einen Inselbetrieb des gesamten Hausnetzes aufrechtzuerhalten. Voraussetzung dafür ist ein Wechselrichter, der auch ohne die taktgebende Netzspannung arbeiten kann. Die Anlage trennt sich automatisch vom öffentlichen Netz, sobald dieses ausfällt. Unmittelbar danach übernehmen Photovoltaikanlage und Batteriespeicher die Versorgung der Stromkreise im Haus.
Im Unterschied zum Notstrombetrieb kann der Ersatzstrom prinzipiell unbegrenzt genutzt werden, da die PV-Anlage bei Sonnenschein immer wieder Energie nachliefert. Unter den Kunden, die sich für Notstrom entscheiden, wählten heute weit mehr als 90 Prozent auch die Ersatzstromfunktion, heißt es bei Sonnen: „Wenn sich die Kunden dafür entscheiden, dann wollen sie in der Regel auch den vollen Umfang haben.“
Lösung für kritische Infrastruktur
Eine inseltaugliche Photovoltaikanlage kann besonders für solche Objekte sinnvoll sein, die zur kritischen Infrastruktur zählen. Eine Klinik zum Beispiel könnte so bei einem Netzzusammenbruch während der Stunden mit Tageslicht ihre klassischen Notstromkapazitäten schonen. In welchem Umfang das bei größeren Anlagen schon praktiziert wird, vermag der Branchenverband BSW Solar allerdings nicht abzuschätzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pläne der neuen Regierung
Mehr Überstunden bis ins hohe Alter
Fehlende Integrationskultur
Soziale Isolation vertreibt Zugewanderte
Besonders klimaschädliche Lebensmittel
Neuer Agrarminister Rainer gegen höhere Steuer auf Fleisch
Abstimmung über Koalitionsvertrag
169.725 SPD-Mitglieder sagen Ja
Neurobiologe über Intelligenz
„KI-Systeme sind Zombies“
Die SPD und Saskia Esken
Sozialdemokratische Unkultur