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Energieagentur.NRWAgentur für gutes Klima

Die Energieagentur.NRW erweckt den Anschein, dem Land zu gehören. Doch es handelt sich um Privatfirmen, die mit der Bürokratie verflochten sind.

Energieagentur.NRW – das klingt nach sauberer Luft, dabei steckt viel Billigflug und Autoindustrie, aber null Transparenz. Foto: dpa

Berlin taz | Sie sorgen für gutes Klima in Nordrhein-Westfalen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Energieagentur.NRW. Sie beraten Kommunen, organisieren Informationsveranstaltungen, unterrichten kleine und mittelständische Unternehmen, wie sie Energie sparen und effizient einsetzen können. Die Energiewende beginnt mit Sinneswandel und der bedarf kluger Öffentlichkeitsarbeit. Netzwerkpflege und Erfahrungsaustausch zählen zur Kernkompetenz der Berater aus NRW.

Ein Aspekt dieser Art Landschaftspflege könnte jedoch zu einem Problem werden. Ein Netzwerk in eigener Sache, gesponnen in der nordrhein-westfälische Ministerialbürokratie. Denn die Energieagentur.NRW erscheint nach außen als Institution des Umweltministeriums in NRW. Dabei steckt seit über 25 Jahren eine Firma hinter der Energieagentur. Sie heißt Agiplan GmbH. Auf einen dreistelligen Millionenbetrag summieren sich die öffentlichen Gelder. Recherchen von taz und dem ARD-Magazin Monitor in Handelsregistern, interne Dokumente der Firma und Gespräche mit Insidern und Experten verdichten den Eindruck, dass im Zusammenhang mit der Energieagentur.NRW GmbH etwas entstand, das nach Vetternwirtschaft riecht.

Über all die Jahre lief es immer besser für die Klima-Agenten. Im vergangenen September feierten sie das 25. Jubiläum, zu dem auch der grüne Umweltminister Johannes Remmel gekommen war. „Die Energieagentur Nordrhein-Westfalen ist das wichtigste Instrument für den Klimaschutz und die Energiewende”, sagte er. Ein Tag zum Feiern, für Remmel und für die Mitarbeiter.

Erst mit der rot-grünen Regierung 2010 wechselte die Zuständigkeit für vom Wirtschafts- ins Umweltministerium. Vor Remmel sonnte sich Christa Thoben (CDU) im Schein, den die Klimaexperten zaubern. Denn die Energieagentur.NRW GmbH genießt ein blendendes Image. Allein ihr Name erzeugt Wohlklang. Er steht für Umweltschutz, Nachhaltigkeit – und Unabhängigkeit.

„Das gute Gefühl, das Richtige zu tun!“

Die privaten Klimaexperten schaffen Gelegenheiten, die der politischen Selbstvermarktung der öffentlichen Auftraggeber dienen. Rund 60 Termine notiert die Agentur unter der Rubrik „Zukunftsenergientour von Minister Johannes Remmel“. Bei der 33. Station, im August 2015, treten Remmel und Lothar Schneider - Geschäftsführer der Energieagentur.NRW GmbH – gemeinsam auf. Die beiden Männer recken den Daumen in die Kameras. „Das gute Gefühl, das Richtige zu tun!“ leuchtet von einer Tafel. „Vertreter der Medien sind zu den Terminen herzlich eingeladen“, heißt es zu den Reisen. Permanente Presse – eine öffentlich-private Partnerschaft, nützlich für beide Seiten.

Dass sich ein grüner Umweltminister bei seinem wichtigsten Instrument der Energiewende ausgerechnet auf Agiplan verlässt, ist heikel. Denn der Geschäftsführer der Energieagentur.NRW GmbH, Lothar Schneider, amtierte bis März 2015 auch als Projektleiter des „Autocluster.NRW“, einem Dienstleister, der die mittelständischen Automobilwirtschaft ankurbeln soll. Angesiedelt war der Autocluster beim Wirtschaftsministerium. Beide - Autocluster.NRW wie auch Energieagentur.NRW GmbH - betreibt die Agiplan GmbH. Lothar Schneider ist bei Agiplan zugleich Mitglied der Geschäftsführung.

25 Prozent an Agiplan GmbH hält die „TRM Beteiligungsgesellschaft mbH“. Die Firma gehört Mitgliedern der Familie Knauf. Sie zählen nicht nur zu den reichsten Familien in Deutschland, sie gründeten auch Eurowings. Die Energieagentur.NRW GmbH und der Klima killende Billigflieger stellen für den grünen Umweltministers offenbar kein Problem dar.

Die Familie Knauf ist mit dabei

Zum Firmengeflecht der Familie Knauf zählt auch die Knauf Insulation – einer der größten Hersteller von Dämmstoffen. Pikant, denn Beratungen zur energetischen Gebäudesanierung gehören zum Kerngeschäft der Energieagentur.NRW GmbH.

Nach außen bemühen sich Umweltministerium und Agiplan, den Eindruck zu vermitteln, die Energieagentur.NRW GmbH sei eine staatliche Behörde. Das Ministerium schreibt: „Die EnergieAgentur.NRW ist bundesweit die größte von einem Land getragene Einrichtung ihrer Art“. In der Eigenwerbung der Firma heißt es: „Die EnergieAgentur.NRW ist das unabhängige Kompetenzzentrum des Landes NRW für Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimaschutz“.

Und der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschland (eaD) verbreitet bis zum Zeitpunkt dieser Recherche jahrelang auf seiner Homepage: „Die EnergieAgentur.NRW ist zu 100 Prozent im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen und wird über den Landeshaushalt finanziert“. Ein nützlicher Irrtum, der Neutralität suggeriert.

Eine verwirrende Konstruktion

Die Mitarbeiterin eines Öko-Instituts sagt: „Die Konstruktion ist verwirrend. Außenstehende denken: Das ist eine Institution des Landes.“ Die Frau kooperiert seit Jahren mit der Energieagentur.NRW GmbH und will deswegen nicht, dass ihr Name veröffentlicht wird. Insider der Energieagentur.NRW GmbH sagen: „Wir werden angehalten, die tatsächliche Struktur nicht zu kommunizieren. Es weckt Vertrauen, wenn man sich als Landeseinrichtung vorstellen kann.“ Im Geschäftsfeld der Beratung ist staatliche Unabhängigkeit ein Wert an sich.

Wir werden angehalten, die tatsächliche Struktur nicht zu kommunizieren.

Insider der Energieagentur.NRW

Auch das Umweltministerium vernebelt die Firmenkonstruktion. Auf die erste Anfrage, seit wann die Energieagentur.NRW GmbH als private GmbH betrieben wird, antwortet die Referentin: „Die EnergieAgentur.NRW wird seit 01.01.2008 als GmbH betrieben“. Tatsächlich war sie niemals staatlich. 2008 war nur das Datum einer Neufirmierung. Seither betreiben Agiplan und ee engineers GmbH die Agentur.

Agiplan ist von Beginn an dabei. Allerdings bedient sich die Firma dafür einer weiteren: der Prisma Consult GmbH. Diese wird durch einen „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ von Agiplan ferngesteuert. Seither „handelt die Prisma Consult GmbH - ungeachtet ihrer eigenen juristischen Selbständigkeit - nach dem Willen der Agiplan GmbH“, wie es im Vertrag heißt. Ein „Vehikel der Diskretion“, nennt das ein Wirtschaftsanwalt.

Eine Rüge vom Rechnungshof

Die meisten Energieagenturen werden von Firmen betrieben. Doch in anderen Bundesländern ist der Staat als Gesellschafter beteiligt. Auch an der bundesweit agierenden Deutschen Energie-Agentur dena. Bereits hier rügte der Bundesrechnungshof das Geschäftsmodell. Denn die Verquickung zwischen Staat und Konzernen lädt zu Verschwendung ein.

Dena-Chef Stephan Kohler musste im November 2014 seinen Posten vorzeitig aufgeben. Er hatte über 180.000 Euro Salär kassiert. Ein interner Rechnungsbericht von Ende 2014 rügte die unzulässig hohen Gehälter vieler dena-Mitarbeiter. Laut Rechnungshofbericht erhielt die dena 2012 und 2013 je rund 9 Millionen Euro vom Bund. Das jedoch sind Peanuts im Vergleich zu den Summen, die der Energieagentur.NRW GmbH zugute kommen.

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Wieso lebt eine private Firma wie die Energieagentur.NRW GmbH nahezu vollständig von öffentlichen Geldern? Uwe Leprich, Professor für Energiewirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, wundert sich. „Wenn nur öffentliches Geld verwendet wird, dann macht es keinen Sinn, dies an Private weiterzureichen.“

Die Firmenkonstruktion der Energieagentur.NRW „klinge dubios“, sagt er. Öffentlich finanzierte Energieagenturen gehören seiner Ansicht nach in öffentliche Hände, „dann gebe es keine Interessenkonflikte“. Zumal der Nutzen von Energieagenturen nicht überbewertet werden sollte. Zumeist betrieben sie nur Beratung, und deren Wirkung sei schwer messbar. Leprichs Fazit: „Energieagenturen dienen allzu häufig als Feigenblatt, um politische Untätigkeit zu kaschieren.“

Der Landesrechnungshof NRW kritisierte 2011 die „Organisationsstrukturen der Energieagentur.NRW“ als „nicht transparent“. Die Prüfer rügten zudem „Aufgabenüberschneidung insbesondere mit der Effizienz-Agentur NRW“. Dabei wird auch die Effizienz-Agentur von einer Firma geführt. Betreiberin ist seit 1998 die Prisma Consult GmbH, die Firma, hinter der Agiplan steckt.

Die Beziehungen von Agiplan zum Staat sind alt und innig. Die ehemalige „Aktiengesellschaft Industrie Planung“ - Agiplan - wurde bereits 1990 mit der Trägerschaft der „Energieagentur Nordrhein-Westfalen“ beauftragt. 1996 rief die Landesregierung die mit ähnlichen Aufgaben betraute „Landesinitiative Zukunftsenergien Nordrhein-Westfalen“ ins Leben. Hier erhielt die ee engineers GmbH den Zuschlag. Ende 2007 verschmolz das Land beide Initiativen. Auftragnehmer der Energieagentur.NRW GmbH sind sei 2008: Prisma Consult GmbH und ee engineers GmbH gemeinsam.

Heinz Baues und Sohn

Für die Jahre 2008 bis 2013 war das Auftragsvolumen für den Betrieb der Energieagentur.NRW GmbH auf bis zu 30 Millionen Euro ausgeschrieben. Für den lukrativen Auftrag bewarben sich nur die Firmen, die später auch den Zuschlag erhielten. Die Prüfer bemängelten, dass bei der Ausschreibung gegen „vergaberechtliche Grundprinzipien verstoßen wurde“.

Doch diese Kritik ließ die Verantwortlichen offenbar auch später kalt. Nach Recherchen von taz und Monitor arbeitet der Sohn von Heinz Baues bei Agiplan. Heinz Baues war Jahrzehnte im Wirtschaftsministerium tätig und dort auch für die Energieagentur.NRW GmbH zuständig. Nach dem Wechsel der Agentur ins Umweltministerium wechselte auch Baues die Behörde. Er wurde dort Leiter der Abteilung „Klima, Zukunftsenergien, Umweltwirtschaft“. Er war auch für die Energieagentur.NRW GmbH zuständig.

Im Oktober 2013 nahm Baues auch als Vertreter des Umweltministeriums an einem Treffen in der NRW.BANK in Düsseldorf teil. Dort wurde die neue Ausschreibung des Auftrags für die Energieagentur.NRW GmbH vorgestellt. „Vorbereitung des europaweiten Vergabeverfahrens“, heißt es in der Präsentation. Den Zuschlag erhielt 2014 erneut die Firma Agiplan - wie in den Jahren zuvor.

Gut geölte Drehtüren

Zwischen dem Umweltministerium und Agiplan existieren gut geölte Drehtüren. So arbeitet Alexandra Landsberg seit 2011 als Referatsleiterin für Umweltwirtschaftsstrategie und Strukturpolitik im Ministerium. Zwischen 2000 und 2011 war sie Mitarbeiterin bei Agiplan, unter anderem Bereichsleiterin für Wirtschaftsförderung. Für die Firma ist der Staat ein Quell stattlicher Einnahmen. Allein die Effizienzagentur kassierte bisher rund 53 Millionen Euro öffentlicher Gelder. Die Firma schreibt auf Anfrage, sie arbeite „nicht profitorientiert“. Man verstehe sich „als Projekt, das keine Gewinnabsicht hat“. Doch warum ist die Firma dann nicht als „gemeinnützig“ eingetragen?

Allein zwischen 2008 bis 2014 kassierte die Energieagentur.NRW GmbH laut Ministerium öffentlichen Gelder rund 84 Millionen Euro vom Staat. Rund die Hälfte der Summe fließt aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre). Wer die veröffentlichten Berichte der Begünstigten von Efre-Gelder durchsieht, stößt immer wieder auf Agiplan. Spätestens seit 2001 fällt ein ungewöhnlicher Posten auf, für den Agiplan Gelder in zweistelliger Millionenhöhe erhielt: Das „Ziel-2-Sekretariat“ - ein Büro im NRW-Wirtschaftsministerium heißt ebenso.

Mit „Ziel 2“ werden im EU-Jargon bestimmte Regionen in Europa bezeichnet, die in den Genuss jener Efre-Fördergelder kommen können, von denen auch die Energieagentur.NRW GmbH so üppig profitiert. Einrichtungen und Firmen bewerben sich bei diesem Programm mit Anträgen, die von den Behörden bewertet werden. Dafür richtete das Wirtschaftsministerium in NRW 2001 das „Ziel 2-Sekretariat“ ein, hinter dem Agiplan steckt. Herbert Jakoby, damals im Wirtschaftsministerium zuständig, nannte das Ziel-2-Sekretariat einem „Quantensprung in der Programmsteuerung“. Es sei zuständig für die „Prüfung der Förderfähigkeit der Projekte und Beratung der Förderreferate“.

Ein Büro im Ministerium

Agiplan betreibt im Wirtschaftsministerium nicht nur ein Büro, das für die „Sicherstellung der ordnungsgemäßen Programmumsetzung“ der europäischen Fördergelder befasst ist. Das Ziel-2-Sekretariat ist nach eigener Auskunft für die „finanzielle und inhaltliche Programmsteuerung“ zuständig. Ein Programm von dem auch die Firma selbst profitiert.

Nach außen traten die Agiplan-Mitarbeiter noch im Dezember 2015 als Ministeriale in Erscheinung. Sie benutzten die offizielle E-Mail-Signatur des Wirtschaftsministeriums. Perfekte Tarnung. Das Wirtschaftsministerium habe „einen solchen Eindruck nicht erweckt“, schreibt es auf taz-Anfrage. Sicherheitsgründe seien maßgeblich. Wegen der Komplexität der Aufgabe habe man 14 Jahre lang auf einen „externen Dienstleiter“ zurückgegriffen, das sei „am besten und wirtschaftlichsten“. Für einen „optimierten Mitteleinsatz“ der Fördergelder war Sekretariatsleiterin Claudia Schulte zuständig. Sie ist gleichzeitig Mitglied der Geschäftsleitung von Agiplan und Gesellschafterin der findigen Firma.

Ein Perpetuum mobile: Agiplans „Ziel-2-Sekretariat“ finanziert sich selbst aus öffentlichen Geldern. Rund 20 Millionen Euro kassierte die Firma. Zur Hälfte aus dem Landeshaushalt, der Rest von der EU. Büromieten für Räume im Ministerium lässt sich Agiplan gesondert erstatten, ebenso Vertragserweiterungen.

Und immer wieder Agiplan

Und immer wieder taucht Agiplan selbst als Empfänger jener Efre-Gelder auf. Für das „Clustermanagement NRW.Automotive“ gibt es in einem Jahr 3.650.371 Euro. In einer Förderperiode fließen Milliarden Euro an Efre-Geldern nach NRW. Für die Kontrolle existiert ein „Begleitausschuss“. Im Gremium saß zwischen 2012 bis 2014 auch Nico Kern von der Piratenpartei. Er sagt, ihm sei nicht bekannt, dass hinter dem „Ziel-2-Sekretariat“ eine private Firma stecke. Das sei auch nie thematisiert worden. „Auch findet sich kein Hinweis auf den privatrechtlichen Status dieser Abteilung. Vielmehr ist es so, dass die Kommunikation mit dem Sekretariat über eine E-Mail-Adresse des Wirtschaftsministeriums erfolgt.“

Bereits im November 2004 frohlockte der ehemalige Agiplan-Geschäftsführer Helmut Schulte: „Wir führen das Ziel-II-Büro für das Land, sorgen für die Verteilung von Fördermitteln“. Auf Anfrage behauptet Agiplan nun: „Das Ziel-2-Sekretariat hat nie bei Förderentscheidungen beraten.“

Agiplan kassierte für den Betrieb der Energieagentur.NRW GmbH bisher rund 234 Millionen Euro öffentlicher Gelder, seit 2008 in Kooperation mit ee engineers GmbH.

Exklusive Workshops

Claudia Schulte, die das Sekretariat leitete, verkauft ihr Wissen bei exklusiven Workshops. Da klärt sie über „Antragstellung und Bewilligungsvoraussetzungen“ der EU-Fördergelder auf. Auch ihr Partner Lothar Schneider arbeitet unermüdlich. Als Mitglied der Agiplan-Geschäftsführung, als Geschäftsführer der Energieagentur.NRW GmbH, als Geschäftsführer der Prisma Consult GmbH. Über die Höhe der Gehälter schweigen sowohl das Umweltministerium wie auch Agiplan.

Der taz liegt eine interne Mitarbeiterübersicht aus dem Jahr 2015 vor. In vielen Projekten taucht Lothar Schneider als Teilzeitkraft auf. Wer diese Tätigkeiten addiert, kommt rund auf eine volle Projektstelle. Für das Ministerium lohnt die Kooperation mit Agiplan nicht nur wegen des Marketings und der PR.

Mit der Energieagentur.NRW GmbH erweitert das Umweltministerium seinen Mitarbeiterstamm. Der wird für Aufgaben eingespannt, für die eigentlich die Ministerialbürokratie da ist. So fordern die Ministerialen mitunter Unterstützung an, um kurzfristig für Reden des Ministers zuzuarbeiten oder Reisen vorzubereiten. Nach taz-Informationen nahm das auch Umweltminister Johannes Remmel in Anspruch. Selbst Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) machte davon Gebrauch, etwa zur Vorbereitung von Treffen mit hochrangigen Gesprächspartner aus der Wirtschaft. Recherchehilfe für die Ministerpräsidentin - mitfinanziert aus EU-Fördertöpfen.

Der Staat als Konzern

Wer sich die Energieagentur.NRW GmbH näher anschaut, kann beobachten, was passiert, wenn der Staat Aufgaben an Private abtritt. Wie sich partikulare Interessen ergänzen. Es wird sichtbar, wie aus öffentlichen Geldern ein ökonomischer Kreislauf als Geschäftsmodell entsteht. Dabei tritt der Staat zunehmend wie ein Konzern auf, der seinen Zulieferen die Bedingungen diktiert.

So veranlasste das Umweltministerium in seinem neuen Ausschreibungsverfahren 2015 fragwürdige Konstruktionen. Die Energieagentur.NRW als Auftragnehmer wird verpflichtet, eine neue GmbH zu gründen. Den Namen „Energieagentur“ darf sie als Marke übernehmen.

In die neue GmbH werden jedoch nur wenige Mitarbeiter eines Kernteams übernommen, vor allem der Leitungsebene. Der Rest erfolgt über ausgegliederte Zulieferung. Das Ministerium vergibt nun jeweils Einzelaufträge, die von der neuen GmbH koordiniert werden. Zur Auftragserfüllung entsenden dann Prisma Consult GmbH und ee engineers GmbH die erforderlichen Mitarbeiter in eine so genannte „Mitarbeitermatrix“.

Feuern wie Leiharbeiter

Warum diese Konstruktion? Das Umweltministerium habe sich „im Vergleich zur bisherigen Vertragssituation deutlich verbesserte Rechtspositionen“ geschaffen, heißt es. Tatsächlich können bei der Energieagentur.NRW GmbH nun Mitarbeiter der beiden nachrangigen GmbHs bei Finanzierungsschwierigkeiten leichter abgewickelt werden. Wie in der Automobilindustrie kann man sich seiner Zuliefern entledigen.

Nach außen würde dies kaum jemand bemerken, denn die Energieagentur.NRW GmbH könnte unangetastet bleiben. Im Rahmenvertrag sichert sich das Land daher die „Option zum Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile“ der übergeordneten GmbH. Das Know-how der Energieagentur.NRW GmbH kann bei Schwierigkeiten gekauft werden. Die Mitarbeiter hätten das Nachsehen. Eine Expertin für Arbeitnehmerrechte sagt, nach ähnlichen Konstruktionen verfahren Manager der Automobilindustrie, um Leiharbeit bei Zuliefern durchzusetzten. Hier jedoch geht es um einen grünen Minister in einer rot-grünen Landesregierung.

Im „Arbeitsgemeinschaftsvertrag“ (ARGE), der die Organisation der Energieagentur.NRW GmbH regelt und das Verhältnis von ee engineers und Prisma Consult fixiert, heißt es: „Die ARGE entfaltet keine Außenwirkung und wird nicht im Rechtsverkehr gegenüber Dritten auftreten“. Bloß keinen Wind machen.

Mitarbeit: Jochen Taßler und Lutz Polanz (WDR, Redaktion Monitor)

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Dieses Beispiel weist eindrücklich und für mich nachvollziehbar (ich arbeite selbst in diesem Forschungsfeld) auf das Riesenproblem der "Fördermittelwirtschaft" hin. Hier hat sich im Laufe der letzten 10,15 Jahre eine Schattenwirtschaft herausgebildet, die Entwicklung eher bremst, undurchsichtig verteilt und einen nicht unerheblichen Teil selbst verbraucht.

    Und Politik denkt vielleicht sogar wirklich, sie würde Politik machen, indem sie neue Förderprogramme ausstattet...

    Der den damit einhergehende Bürokratiewahn - der einen bisweilen quasi zum Betrügen zwingt - kommt bei dieser Geschichte noch obendrauf.

  • Ja, und investigativer Journalismus geht auch von links und ohne den Verschwörungssound von Jürgen Roth.

  • Können Energieagenturen tatsächlich "allzu häufig als Feigenblatt [dienen], um politische Untätigkeit zu kaschieren"? Ja, das können sie. Und wieso? Ganz einfach: Weil der Durchschnittsbürger etwas gelernt hat in den vergangene Jahrzehnten. Er hat gelernt, staatlichen Institutionen mehr Seriosität zu unterstellen als privaten Unternehmen – und privaten Unternehmen mehr Effizienz als staatlichen Institutionen.

     

    Ihren zum Teil erheblichen Gewinn ziehen sogenannte ÖPPs (öffentlich-private Partnerschaften) aus genau diesem Glauben ans Prinzip. Je nach Gegenüber kann man einmal dieses und ein andermal jenes Vorurteil für sich arbeiten lassen und selbst die Hände in den Schoß legen.

     

    Im vorliegenden Fall ist das Spiel ganz offensichtlich schon so lange gut gegangen, dass weder die Taschenspieler der einen noch die der anderen Seite einen Anlass sehen, sich sonderlich anzustrengen. Es ist eben manchmal wirklich entscheidend, ob man eigenes Geld verbrennt oder fremdes. Und zwar völlig unabhängig davon, ob man Privatmann ist oder Behörde.