Endlich wieder Klubnacht im Berghain: Neustart nach 19 Monaten Pause
Die Zwangspause ist nun vorbei. Im Berghain geht es wieder los, es gelten die 2G-Regelungen. Ist damit alles wie immer in Berlins Clubkulturbranche?
E ndlich öffnet der Tempel des Berliner Nachtlebens, das Berghain, wieder. Nach 19 Monaten Pause wird am Samstag zur Clubnacht geladen. Ist damit endlich alles wie immer in Berlins Clubkulturbranche?
Nicht ganz. Im Berghain gelten fortan die 2G-Regelungen. Feiern darf nur, wer entweder geimpft oder genesen ist. Anders ist das gemäß eines Gerichtsbeschlusses in Berlin auch gar nicht möglich.
Der Clubcommission gefällt das nicht. Diese meint, Nichtgeimpfte würden so stigmatisiert – gelebte Clubkultur stehe jedoch für Integration. Beim About Blank dagegen überlegt man noch, ob man die Innenräume gerade überhaupt aufmachen soll, der Club wolle noch etwas abwarten, heißt es. Die endgültige Rückkehr zur Normalität lässt also noch ein wenig weiter auf sich warten.
Die Frage ist, ob dies überhaupt erwünscht ist. Und das gilt beileibe nicht nur für Aspekte rund um die Pandemie. In den 19 Monaten Pause hatte das Techno- und Partybusiness genug Zeit, mal in sich zu gehen und zu reflektieren, ob vor der Krise alles optimal lief. Ganz offensichtlich kam sie zu dem Schluss: Nein, das tat es nicht.
Rassismus und Sexismus
Alexis Waltz, Chefredakteur von Groove, einem Onlinemagazin für elektronische Musik, hat mir berichtet, dass während der Pandemie besonders Artikel über Rassismus und Sexismus gut gelaufen seien. Etwa über rassistische Vorfälle, die sie es in der Wilden Renate gegeben haben soll. Oder über die Vorwürfe gegenüber dem Detroit-Techno-Urgestein Derrick May, mehrfach sexuell übergriffig gewesen zu sein. Was in der Renate passiert sein soll, liegt zeitlich vor der Pandemie und vom zweifelhaften Verhalten Derrick Mays spricht man auch schon länger … Doch erst im Pausenmodus scheint die Szene die nötige Ruhe gefunden zu haben, derartige Probleme auch einmal ausdiskutieren zu wollen.
Die Clubs kannten während der Pandemie vor allem ein Credo: Wir sind wichtig, man muss uns unterstützen, weil wir „Safe Spaces“ auch für Minderheiten sind. An manchen Stellen wurde endlich aber auch gefragt: Sind wir das überhaupt noch so uneingeschränkt?
Das Mensch Meier hat mit „Emergent Bass“ eine Veranstaltungsreihe gestartet, in der struktureller Rassismus auch in der Berliner Clubkultur untersucht werden soll. Und nächste Woche wird der Musikproduzent und Autor DeForrest Brown im HKW über die gängige Rezeption von Techno reden, die seiner Meinung nach gehörig in Schieflage geraten ist. Techno sei ein von Schwarzen erfundenes Genre, werde inzwischen aber mehrheitlich als weiße Kultur wahrgenommen, findet er. Weswegen seine Forderung lautet: „Make Techno Black again!“
Nicht nur diese Themen gehören weiterdiskutiert, die gesamte Partywirtschaft sollte sich fragen: Wie wollen wir weitermachen? Will man weiter goutieren, dass DJs an den Wochenenden um die halbe Welt fliegen, um heute in Mailand aufzulegen, morgen in Stockholm? Sollte man nicht aus ökologischen Gründen mehr auf Residents setzen? Das Berghain wird das bei seiner Wiedereröffnung ausdrücklich tun. Mal schauen, ob das der erste Schritt hin zu dauerhaften Veränderungen ist.
Update: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, das About Blank wolle mit dem Reopening warten, solange 2G verpflichtend ist. Das ist nicht richtig: Der Club überlegt nach eigenen Angaben, ob man Innenräume überhaupt gerade aufmachen soll. Voraussichtlich werde das Blank aber bald öffnen – frühestens Anfang November und wahrscheinlich dann mit einer 2G-Regelung. Wir haben den Fehler korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört