piwik no script img

Endlich in FrankreichRauschende Toiletten

WM-Kolumne

Doris Akrap

über Kunst,

Rasen und Kanada

Endlich Montreal. Endlich französische Verhältnisse. Endlich wieder Alkohol im Supermarkt kaufen. Endlich „Bien sur, Madame!“ und nicht mehr „Awsome!“ hören, wenn man eine Diät-Cola bestellt. Endlich Croissants, Poissons und französische Betten. Endlich Viertelfinale gegen Frankreich. Und dasauch noch am selben Tag, andem das legendäre Jazzfestival beginnt.

Blöderweise ist die taz sehr klamm und kann sich nur billige Unterkünfte leisten. Die sind aber auch im französischen Teil Kanadas alle ausgebucht. Bis auf mein bizarres Stadthotel. Den schmalen und steilen Treppenaufgang zwischen einem Erotikshop und einem 24-Stunden-Bierkiosk mitten in der Fußgängerzone fand ich noch schwer urban. Als ich dann in meinem Zimmer erfolglos versuchte, eine Wand beiseitezuschieben, die ich für so was wie die französisch vornehme Tür zur Toilette hielt, rannte ich zum Rezeptionisten: „Mein Klo fehlt.“ Rasch rannte er die trotz dickstem Teppich laut quietschenden Holztreppen in den dritten Stock, an meiner Zimmertür vorbei und drehte zwei Türen weiter an einem Knauf. „Mais voilà.“ „Mais j’ai … reservieren … un chambre avec …“ Nein, stimmt nicht. Nachgefragt, ob das Zimmer auch eine „eigene Toilette“ hat, habe ich bei der Buchung nicht.

Die Kollegen vom deutschen Fernsehen und den größeren Zeitungen wohnen gleich um die Ecke. Sie sprechen von Lofts, in denen man Tennis spielen könne. Die Kollegin einer sehr großen Zeitung bot mir an, ihren Boss, der auch taz-Genosse sei, zu fragen, ob er vielleicht was springen lassen könne, damit ich umziehen und nachts, wenn ich meine Texte schreibe, nicht das Wasser rauschen hören müsste. Ich habe natürlich abgelehnt. Das Wasserrauschen höre ich sowieso nicht mehr. Drei Tage vor dem Jazzfestival ist hierzwei Nächte lang „La Fête natio­nale du Québec“. Chanson-Gesang mit Countrygitarre kommt von der20 Meter entfernten Rie­senbühne. Der Refrain: „Je suis françaispour commencé.“ Bon. Dannfang ich mal an, französisch zu werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen