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Ende von USAIDZäsur in den internationalen Beziehungen

Gastkommentar von Radwa Khaled-Ibrahim

Die Auflösung von USAID verändert die politische Weltlage: weg vom Gemeinwohl hin zu reiner Interessenpolitik. Ein Menschenleben hat keinen Wert mehr.

Damit ist jetzt Schluss: Muhammad Shukkur hat ein Nahrungsergänzungspaket für Rohingya-Flüchtlinge durch USAID erhalten Foto: Ro Yassin Abdumonab/Reuters

It’s time for it to die.“ So kommentiert Elon Musk die verfassungswidrige Auflösung der amerikanischen Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID. Weltweit erhielten Dutzende Millionen Menschen durch USAID-Programme lebenswichtige Medikamente und Versorgung. In den wenigen Tagen seit der Entscheidung haben sich Hunderte Babys mit HIV infiziert, weil Medikamente zur Verhinderung der Ansteckung nicht mehr gegeben wurden.

Über Jahrzehnte war die oft politisch instrumentalisierte Hilfe von USAID die stärkste Softpower der USA. Ihre Abschaffung markiert eine Zäsur in den internationalen Beziehungen. Von einer internationalen Ordnung mit dem Ziel eines Gemeinwohls hin zu reiner Interessenpolitik, in der ein Menschenleben keinen großen Wert und Entwicklungszusammenarbeit einen ökonomischen Nutzen haben: weitere US-Hilfe für die Ukraine? Schon, aber gegen die Lieferung seltener Erden.

Auch Svenja Schulze, scheidende SPD-Entwicklungshilfeministerin, bezeichnete die Entwicklungszusammenarbeit als „Türöffner“ für Rohstoffe, die Deutschland brauche. Die FDP fordert schon länger die Abschaffung der Entwicklungszusammenarbeit. Es gibt hier trotz aller Empörung keinen großen Dissens zwischen „dem bösen, erratischen Trump“ und dem „guten, vernünftigen“ Europa. Die gravierenden Haushaltskürzungen für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in Deutschland, die Abschottungspolitik an den europäischen Grenzen und die zunehmende Verschiebung des politischen Spektrums nach rechts schlagen in dieselbe Kerbe.

Die Auflösung von USAID markiert mehr als nur den Angriff auf eine Behörde, sie ist Teil eines politischen Programms. Daher muss es darum gehen, nicht nur das Recht auf Hilfe zu verteidigen, sondern auch die Veränderung der Strukturen, die diese Abhängigkeiten erst geschaffen haben. Dafür braucht es verstärkt jene Bewegungen, die in diesem politischen Programm als Erste in der Schusslinie stehen: die feministischen und die Klima­bewegungen.

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4 Kommentare

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  • Warum die Aufregung? Das sind die vielgepriesenen "westlichen Werte" - Menschenleben, Hungersnöte, Epidemien - alles nebensächlich. Die Hauptsache ist der Profit - aber nur für die Konzerne, nicht für die kleinen Händler, Bauern, Arbeiter. Die sollen beten, ist doch auch was....

  • USAID ist sehr weit gefächert. Genannt werden gern die humanitären Programme, wie eben Hilfe mit Medikamenten. Die andere Seite ist die Finanzierung von allerlei politischen Aktivitäten weltweit. Diese hatten noch nie etwas mit Gemeinwohl, sondern immer sehr viel mit Interessenpolitik zu tun.

    Nach Trumps Abrissbirne wird wohl die Interessenpolitik übrig bleiben und die Humanität wird endgültig begraben.

  • USAID ist "umstritten", wie man so schön sagt. Hier sollte man als Reporter vorsichtig sein und vor seinem Urteil eine gute Internetrecherche machen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Ruf von USAID wegen der Unterstützung diverser Regime-Change-Operationen in der nicht-westlichen Welt mittlerweile so ruiniert ist, dass die Auflösung die beste Option ist. Nichts von dieser Problematik wird im Artikel erwähnt.

  • "Auch Svenja Schulze,... bezeichnete die Entwicklungszusammenarbeit als „Türöffner“ für Rohstoffe, die Deutschland brauche."



    Ich halte Entwicklungshilfe für wichtig, aber ein realistischer Blick wäre notwendig:



    Entwicklungshilfe soll den Menschen helfen. Wenn es um Rohstoffe geht, dann zeigt China sehr erfolgreich, dass man sich nicht an die notleidende Bevölkerung, sondern besser an die Machthaber wendet.



    Da sollte man nichts vermischen, nur um weitere Gründe für Entwicklungshilfe zu suchen. Menschen vor dem Tod zu bewahren braucht keine weiteren Gründe.