Ende von US-Sanktionen gegen Belarus: Lukaschenko will die Welt mit Dünger beglücken
Belarus braucht ein Ende der ökonomischen Isolation. Die Rolle als Zwischenstation zur Umgehung von Russland-Sanktionen taugte zuletzt nicht mehr.
Die Aufhebung von US-Sanktionen gegen die Freilassung politischer Gefangener ist für das Regime in Minsk ein wichtiger Befreiungsschlag. Die westlichen Sanktionen, die gegen Belarus 2021 als Reaktion auf die brutale Unterdrückung der Opposition verhängt worden waren, wurden für Belarus immer mehr zu einem ernsthaften Problem. „Deutliche Anzeichen für einen Rückgang des Außenhandels stellen derzeit die größte Gefahr für die Stabilität der belarussischen Wirtschaft dar“, meint Kamil Kłysiński, Senior Fellow am Warschauer Zentrum für Oststudien (OSW).
Einige Zeit konnte das Land von Dauerdiktator Alexander Lukaschenko die westlichen Sanktionen – vor allem gegen den Verkauf von Düngemitteln – durch den russischen Absatzmarkt kompensieren. Seit den Sanktionen des Westens gegen Moskau nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 lebte die weißrussische Wirtschaft auch davon, westliche Produkte einzuführen, umzuetikettieren und zu höherem Preis ostwärts zu liefern. So wuchs das BIP im Jahr 2023 um 4 Prozent, nach einem Rückgang von 4,7 Prozent 2022.
Doch nun schwächelt die russische Wirtschaft erheblich, die eigenen Maschinenbaufirmen, Lkw-Fabriken und andere Industrieunternehmen außerhalb des Rüstungssektors bauen Jobs ab und schließen Fabrikationshallen, nachdem zuvor auf Halde produziert worden war. Und so können die im Osten berühmten Traktoren „Belarus“, die Laster „MAZ“ oder die früher von Kaliningrad bis Wladiwostok bekannten Kühlschränke „Minsk“ kaum noch in Russland abgesetzt werden.
Seit dem Frühjahr führten belarussische Bauern massiv Kartoffeln nach Russland aus, wo sie wegen der verfehlten Agrarpolitik knapp geworden waren. Bis in Belarus selbst eine Kartoffelkrise herrschte, Lukaschenko Exporte verbot und sogar Kartoffelimporte aus der von ihm als „feindlich“ bezeichneten EU erlaubte.
Belarus zuletzt immer unwichtiger für Europa
Für kommendes Jahr rechnet das auf Mittel- und Osteuropa spezialisierte Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) mit gerade noch 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum in Belarus, 2027 mit noch weniger. Für Inflation, Leistungsbilanz und Haushalt, sieht das wiiw nur noch tiefrote Zahlen. Die oppositionelle Analysevereinigung Beroc rechnet sogar nur mit 0,7 Prozent Wachstum für 2026.
Seit die EU zum 1. Juli die Zölle für russische und belarussische Dünger nochmals deutlich erhöhte, laufen Belarus-Geschäfte besonders schlecht in Belarus. Der Anteil der EU im belarussischen Außenhandel sank von über 30 Prozent auf nur noch 5 Prozent – vor allem wegen des weitgehenden Wegfalls der Kalidünger-Exporte nach Westen. In diesem Sektor hatte Belarus einen 20-Prozent-Weltmarktanteil vor den Sanktionen.
OSW-Belarusexperte Kłysiński spricht von einer „Wirksamkeit der westlichen Sanktionen“ und bemerkt „das sehr begrenzte Potenzial der von Minsk erklärten sogenannten ‚Expansion‘ belarussischer Exporteure in die Märkte Afrikas, Asiens und Südamerikas“.
Zudem seien auch die Folgen des Niederschlagens der Proteste gegen Lukaschenkos Wahlfälschung wirtschaftlich desaströs: „Die massive Auswanderung nach der politischen Krise von 2020 (bis zu 600.000 Bürger verließen das Land) hat in Verbindung mit dem Bevölkerungsrückgang zu einem Arbeitskräftemangel auf dem heimischen Markt geführt“, so Kłysiński. Um noch Personal zu bekommen, seien die Löhne massiv gestiegen, was wiederum die Inflation angeheizt habe.
Sein Fazit: „Es gibt kaum Anzeichen für eine Umkehr oder Verlangsamung des Abwärtstrends.“ Nur die Lockerungen der US-Sanktionen könnten das Land nun aus dem Zangengriff etwas befreien. Denn damit können auch die Hauptabnahmeländer China, Brasilien und Indien wieder Dünger von Belaruskali kaufen – ohne Angst vor Ärger mit Washington.
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