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Ende von „Jezebel“Der Kampf geht weiter

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

Diesen Monat wurde die US-Webseite „Jezebel“ eingestellt. Damit endet eine Ära feministischer Selbstermächtigung. Die Inhalte bleiben aktuell.

Jezebel tat, was sie für richtig hielt und wurde deswegen ermordet, wie das Bild von G. Doré zeigt Foto: getty images

S oweit ich mich erinnern kann, hat das Wort „Feministin“ in meinem Aufwachsen keine Rolle gespielt. In den 1990er und 2000er Jahren taugte es nicht einmal mehr zum Schimpfwort. Feministinnen das waren für mich irgendwelche Frauen der Vergangenheit, die für unser Wahlrecht und freie Berufswahl gekämpft hatten. Danke dafür – aber jetzt waren wir emanzipiert und brauchten keinen Feminismus mehr. Die Welt stand mir und meinen Freundinnen offen, wir waren eh klüger, schlagfertiger und witziger als die Jungs in unserer Klasse. Unvorstellbar, dass wir in irgendeiner Weise benachteiligt sein sollten.

Die Ernüchterung und Erkenntnis, dass Geschlechtergerechtigkeit noch lange nicht erreicht ist, kam schneller als mir lieb war. Aber Feminismus blieb mir trotz allem fremd. Vielleicht auch, weil meine erste Assoziation lange Alice Schwarzer blieb. Und mit der wollte ich nun wirklich nichts zu tun haben.

Doch in den späten 2000ern passierte etwas, das ich nicht erwartet hatte: Feminismus wurde (wieder) cool. Zu verdanken war das dem sogenannten Netzfeminismus. Wir alle waren in diesem Web 2.0 unterwegs, und nach und nach ploppten immer mehr feministische Blogs und Onlinemagazine auf, die meinen bisherigen Vorstellungen eines verstaubten Kampfs um Geschlechtergerechtigkeit konträr entgegenstanden.

Einer der ersten Seiten war 2007 Jezebel. Dort ging es um Popkultur, Politik und Gossip – immer aus einer feministischen Perspektive, die nie mahnend und streng, sondern immer lustig und empowernd war. Wenn jetzt, 16 Jahre später, die Seite abgeschaltet wurde, steht das nicht nur für ein weiteres Voranschreiten des Mediensterbens, sondern auch für das Ende einer feministischen Ära.

Ein Gegengewicht zu klassischen Frauenmagazinen

2007 sah die feministische (Medien-)Welt noch ziemlich anders aus als heute. Es gab kaum Popstars, die sich selbst als Feministinnen bezeichneten. Im Gegenteil: Von Lady Gaga über Taylor Swift bis Madonna, sie alle wollten nichts damit zu haben. Weibliche oder queere Perspektiven auf politische Themen gab es in den klassischen Medien nur in Ausnahmefällen. Das Einzige, das Frauen und Queers in der Medienwelt blieb, waren Frauenmagazine.

Dem wollte Anna Holmes mit der Gründung von Jezebel etwas entgegensetzen. Und so ging es dann auf der Seite zwar um Mode, aber eben auch um die Arbeitsbedingungen von Models oder Verkäufer_innen bei American Apparel, um die Stellung von Schwarzen Frauen in der Branche. Aber niemals wurde das Gewicht von Frauen kommentiert.

Es fanden sich Texte über Körperflüssigkeiten oder einmal ein Text darüber, wie eine Frau versehentlich zehn Tage einen Tampon in ihrer Vagina ließ. Auch Promi-News kamen vor, doch genauso wurde Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen mächtige Männer thematisiert. Und das lange bevor es so etwas wie #MeToo gab.

Jezebel war Pionierin der feministischen Online-Mediengeschichte, die international eine Vielzahl von Nachahmerinnen fand. Auch in Deutschland gründeten sich danach queerfeministische Blogs wie Kleinerdrei oder Mädchenmannschaft und das Missy Magazine ging als klassisches Printmagazin inhaltlich einen ähnlichen Weg.

All die feministischen Medien dieser Zeit schafften es, gleichzeitig aufzuklären und zu unterhalten, Überlebenswichtiges und vollkommen Irrelevantes zu thematisieren. Sie entmystifizierten die feministische Bewegung und brachten sie in den Mainstream – mit allen positiven und negativen Folgen. Für mich waren sie ein erster Zugang zum Thema Geschlechtergerechtigkeit und damit ein wichtiger Schritt in meiner feministischen Radikalisierung.

Die Orte der Gen Z

Doch seit ein paar Jahren schließen die damals gegründeten Redaktionen ihre Pforten: Lena Dunhams Lenny Letter, Tavi Gevinsons Teenie-Blog „The Style Rookie“, Broadley oder Bitch Media. Sie alle gibt es nicht mehr. Auch in Deutschland kämpfen feministische Medien, wie aktuell das Missy Magazine, ums Überleben. Und nun verkündete diesen Monat G/O Media, dass sie keinen Käufer für Jezebel gefunden haben. Also entließen sie das Team. Seit ein paar Tagen erscheinen keine neuen Texte mehr auf der Seite.

Halb so wild, könnte man nun sagen: Meine Generation hat mittlerweile ihren Weg in den Feminismus gefunden, oder auch nicht; und für die jüngeren Generationen hat Feminismus längst einen anderen Stellenwert. Immer mehr Frauen bezeichnen sich selbst so, für Popstars gehört es fast schon zum guten Ton, das Label für sich zu beanspruchen. Und feministische Inhalte sowie weibliche und queere Sichtweisen sind in vielen etablierten Medien Normalität geworden. Die Gen Z hat längst ihre eigenen feministischen Orte im Netz gefunden. Ob als Newsletter, Podcast, Instagram- oder Tiktok-Account: Feminismus findet jetzt eben woanders statt.

Feministische Themen müssen vielerorts noch auf die Tagesordnung gepusht werden

Doch so schön und einfach ist es leider nicht. In großen Medien herrscht noch immer ein Ungleichgewicht im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis der Auto­r_in­nen, und feministische Themen müssen vielerorts noch auf die Tagesordnung gepusht werden. In sozialen Medien sieht es auch nicht besser aus: Der Algorithmus bei X, Insta oder Tiktok benachteiligt feministische Inhalte. Und in den letzten Monaten haben sich viele Feminist_innen von den Plattformen abgemeldet – denn ihr Alltag dort bestand nur noch darin, Angriffe abzuwehren. Eigene Themen zu setzen wurde immer schwieriger.

Damit feministische Inhalte nicht aus der Öffentlichkeit verschwinden und Debattenräume offen bleiben, in denen gestritten werden kann, ohne dass Menschenrechte infrage gestellt werden, ist es wichtig, dass feministische Medien weiter existieren. Auch um zu zeigen: Die Kämpfe sind ernst – aber Spaß dürfen sie machen.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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