: Ende einer Dienstzeit
Der Politikprofessor Hans-Helmuth Knütter nutzt seinen Lehrstuhl zur Vernetzung der Rechten ■ Von Bernd Neubacher
„Wir sollten uns zusammenschließen“, sagt der Redner, „ohne Berührungsängste. Die sind ja das schlimmste.“ Im Saal brandet Beifall auf. Auf dem Treffen der rechten Sammlungsbewegung „Bund Konstruktiver Kräfte Deutschlands“ redet der Bonner Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter Klartext. „Der eine“, gestikuliert er mit den Fingern seiner linken Hand, „will nicht mit dem anderen, weil der eine zu extrem ist, und der andere einer Sekte angehört. Der dritte ist umstritten, und der vierte ist, von irgendwelchen fragwürdigen Gerichtsurteilen her, vorbestraft. Und daraus folgt“, sagt er. Dabei schaut er durch seine Finger bedeutsam in die Runde und meint: „Fünf Finger sind eben keine Faust. Die Finger können gebrochen werden, die Faust nicht.“ Als er die linke Hand ballt und dabei anhebt, applaudiert die Versammlung erneut.
Der Mann, der Anfang Oktober vor den Kameras des Fernsehmagazins „Report“ für den Schulterschluß mit vorbestraften Rechtsextremisten warb, ist nicht irgendwer: Knütter fungierte bis August als Stellvertretender Geschäftsführer des Politischen Seminars der Universität in Bonn. Für die „Texte zur Inneren Sicherheit“ des Bundesinnenministeriums schrieb er ebenso regelmäßig wie für die Schriftenreihe der „Bundeszentrale für politische Bildung“, in deren Beirat ihn außerdem einst das Innenministerium in den Achtzigern berief.
Politische Bildung à la Knütter konnte die Versammlung auf dem Kyffhäuser in Thüringen nun im O-Ton erleben: „Wir wollen zusammenhalten wegen dieser linken Deutschfeinde, die den Rechtsstaat benutzen, um ihn gegen Gerechtigkeit auszuspielen.“ Inzwischen prüft das Düsseldorfer Wissenschaftsministerium disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den Gelehrten und will prüfen, wie der es mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält. In einem privaten Brief hatte Knütter einem Bekannten im Landesamt für Verfassungsschutz nämlich auch anvertraut: „Ich bin froh, daß ich eine Verfassung in dem gegenwärtig geistig-moralischen Zustand nicht zu schützen habe.“
Seitdem darf sich auch Knütter als Opfer von Berührungsängsten betrachten. In der „Bundeszentrale für politische Bildung“ heißt es knapp, mit dem Politikwissenschaftler sei momentan keine Kooperation geplant. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wiederum blies wenige Tage nach Ausstrahlung des TV-Beitrags, offiziell aus Termingründen, eine Veranstaltung ab, auf der Knütter zum Thema Linksextremismus referieren sollte. Beistand hingegen widerfährt dem Forscher ausgerechnet von der Jungen Freiheit und dem rechtsgerichteten „Freien Deutschen Autorenverband“.
Um die Mobilisierung dieses politischen Lagers kümmert sich der Gelehrte mit dem Forschungsschwerpunkt Extremismus höchstselbst – ohne Berührungsängste: Auf Briefpapier seines Universitätslehrstuhls etwa lud er im März vergangenen Jahres die Mitglieder seines „Arbeitskreis Linksextremismus“ in die Räume der Burschenschaft Germania. Punkt 2 c der Tagesordnung: „Vernetzung“. Im Juli rief Knütter den Zirkel erneut zusammen, diesmal zur Vorbereitung „publizistischer Aktivitäten gegen links“.
Schon zuvor war der Arbeitskreis zweimal zusammengekommen, unter anderem, um „Aktionen vorzubereiten“. Dies motivierte einen Knütter-Mitarbeiter im August vorigen Jahres dazu, an die „Redaktion Zeit-Fragen“ des „Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“ einen Beitrag Knütters für die Junge Freiheit über „die Enttarnung“ des Journalisten Anton Maegerle zu schicken: „Wir bitten Sie, den Artikel in Ihrem Sinne zu verwenden.“ Die Folge: Vom Ostpreußenblatt bis hin zum neonazistischen Thule-Computer-Netz outeten rechte Medien den bürgerlichen Namen Maegerles.
Der recherchiert seit Jahren im völkischen Milieu unter Pseudonym – seiner Sicherheit zuliebe. Wie nützlich der Deckname gewesen war, zeigte sich bald darauf, als Maegerle seinen Vortrag über „Aktuelle Aspekte des Rechtsextremismus“ unter Polizeischutz absolvieren mußte. Unter Gleichgesinnten akquirierte Knütter derweil, mit Stempel der Uni, „korrespondierende Mitwirkende“ für den Arbeitskreis: „Sie müßten allerdings bestimmte Aufgaben übernehmen, über die mündlich informiert werden sollte.“
Selber übernommen hat er einstweilen die Beschwerde beim Intendanten des Südwestfunks. Schon bevor er nämlich auf dem Kyffhäuser Gerichtsurteile anprangerte, war der umtriebige Emeritus mehrfach gegen mißliebige Medien mit Unterlassungsklagen vor Gericht gezogen. Das Ergebnis der Anstrengungen: Die Behauptung, „wo der Professor wirkt, sind Rechtsradikale nicht weit“, ist ebenso erlaubt wie die Aussage, er, ein „geistiger Brandstifter“, gebe „in seiner Habilitationsschrift den Juden eine Mitschuld an ihrer Vernichtung“.
Sollte es dagegen mit den Seminaren zum Thema Linksextremismus noch einmal klappen, dürfen sich Interessierte auf jede Menge Arbeit gefaßt machen. Denn als linksextremistisch unterwandert bezeichnet Knütter keine Geringeren als „die etablierten politischen Kräfte (die sogenannten staatstragenden Parteien, die Behörden), die sich die linksextremistischen und antifaschistischen Tendenzen zu eigen machen“. Wer diesen Zustand ändern wolle, findet er, soll „nicht allzu weit entfernt suchen, sondern auf der Suche nach den Verantwortlichen in den Spiegel schauen (gemeinsam mit anderen aus dem Bereiche der Bundesregierung bis hin zu Herrn Herzog)“.
Adressen derjenigen, die den Verantwortlichen den Spiegel vorhalten könnten, hat er in seinem Computer an seinem Lehrstuhl gespeichert: Prominente wie Heinrich Lummer und der Ex-Republikaner-Vize Günter Poser finden sich darin ebenso wie örtliche Größen der Neonaziszene. Ansonsten, so zeigt seine Korrespondenz, ist der Professor skeptisch: Die CDU sei, „von Ausnahmen abgesehen“, ein Verein „von Schnarchsäcken“. Auch „Behörden und die Bundeswehr haben mehr Angst als Vaterlandsliebe“. Mit denen sei „in des Wortes engster Bedeutung kein Staat zu machen“ – von einer Faust ganz zu schweigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen