Ende der Demokratie in der Türkei: Noch mehr Macht für Erdoğan

Eine neue Verfassung soll dem Präsidenten künftig das Recht geben, per Dekret zu regieren. Der Posten des Regierungschefs soll abgeschafft werden.

Viele Hände strecken sich Erdogan entgegen

Erdoğan sieht sich als Mann des Volkes – und hat große Teile wohl auch noch hinter sich Foto: ap

BERLIN taz | In dieser Woche will die regierende AK-Partei einen Entwurf für eine neue Verfassung im Parlament einbringen, mit der das Präsidialsystem in der Türkei eingeführt werden soll. Obwohl Präsident Recep Tayyip Erdoğan schon in allen wichtigen Fragen das letzte Wort hat, entspricht das nicht dem jetzigen System. Gemäß der Verfassung bestimmt der Ministerpräsident die Richtlinien der Politik, der Präsident hat eher repräsentative Aufgaben.

Seit seiner Wahl zum Präsidenten im Sommer 2014 versucht Erdoğan per Verfassungsänderung durchzusetzen, dass künftig alle Macht beim Präsidenten liegt und das Amt des Regierungschefs abgeschafft wird.

Bislang haben sich die Oppositionsparteien im Parlament geweigert, eine solche Verfassungsänderung zu unterstützen, sodass der AKP die Mehrheit dafür fehlte. Das hat sich jetzt geändert. Die rechtsnationalistische MHP unter ihrem Parteichef Devlet Bahçeli hat nun zugestimmt, eine Verfassungsänderung mitzutragen und im Parlament dafür zu sorgen, dass es eine ausreichende Mehrheit für eine Volksabstimmung geben wird.

Die neue Verfassung soll die Macht weitgehend auf den Präsidenten und wahrscheinlich zwei Vizepräsidenten konzentrieren. Erdoğan wird dann das Kabinett ernennen und die bisherigen Funktionen von Präsident und Ministerpräsident in einer Person vereinen. Er könnte auch Gesetze per Dekret erlassen, sodass der jetzige Ausnahmezustand quasi zum Normalzustand würde.

Ausnahme wird zum Normalzustand

Umstritten war bislang, ob der künftige Präsident Mitglied einer Partei und somit auch der Parteichef sein darf oder nicht. Bislang schreibt die Verfassung dem Staatschef parteipolitische Neutralität vor. Erdoğan will das ändern, um weiterhin als Parteichef auch die absolute Kontrolle über die Regierungspartei zu haben. Das war zwischen AKP und MHP umstritten, scheint aber im Sinne Erdoğans gelöst zu sein. Strittig ist, ob die Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten beinhalten soll. Die MHP ist dafür, wenn der Präsident das Recht hat, das Parlament aufzulösen.

Ministerpräsident Binali Yıldırım, der die Abschaffung seines Amts vorantreibt, hat angekündigt, dass die Verfassungsreform im Januar im Parlament beschlossen werden soll, gefolgt von einer Volksabstimmung im Frühsommer. Wird die Verfassungsreform angenommen, soll Erdoğan die neuen Rechte zunächst übergangsweise zugestanden bekommen, bis er sich 2019 der Wiederwahl als Präsident stellt. Er könnte sich dann ein drittes Mal wählen lassen und bis maximal 2029 Präsident der Türkei bleiben.

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