Eklat in Bolivien: Opposition spricht von „Staatsstreich“
Boliviens Verfassung sieht vor, dass der Präsident nur einmal wiedergewählt werden darf. Für Evo Morales soll das plötzlich nicht mehr gelten.
„Es hat einen Staatsstreich gegen die Demokratie gegeben“, sagte Oppositionschef Samuel Doria Medina von der konservativen Partei „Nationale Einheit“ (UN) zu dem Urteil des von den Sozialisten dominierten Gerichts. Damit werde der Wille des Volkes missachtet.
Der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes COB, Guido Mitma, kritisierte: „Das ist ein besorgniserregendes Urteil, weil das Verfassungsgericht die Verfassung des Staats nicht respektiert.“
Eine Gruppe von Abgeordneten von Morales Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) hatten den Antrag gestellt, vier Artikel der Verfassung zu modifizieren, die bisher nur eine einmalige Wiederwahl vorsieht. Mit dem Urteil wurden auch Wiederwahlmöglichkeiten für Gouverneure, Bürgermeister, Abgeordnete und Senatoren ausgeweitet.
Als Lehre aus der Zeit der Diktaturen in Südamerika sehen die Verfassungen in der Regel nur sehr begrenzte Wiederwahlmöglichkeiten vor, auch um Ämterpatronage und eine zu starke Beeinflussung der Justiz zu verhindern. Der Sozialist ist bereits heute der am längsten amtierende Präsident in der Geschichte des 1825 vom spanischen Kolonialreich unabhängig gewordenen Landes – dank einiger Winkelzüge.
200 Jahre Unabhängigkeit
Der frühere Kokabauer wurde erstmals im Jahr 2006 gewählt. Er ließ eine neue Verfassung erarbeiten – mit dieser wurde er 2010 im Amt bestätigt. Erlaubt war demnach nur eine Wiederwahl, 2015 konnte Morales erneut die Wahl gewinnen. Nun könnte er aber 2019 wieder antreten und von 2020 bis 2025 Präsident bleiben. Morales großer Traum ist es, zur Feier von 200 Jahren Unabhängigkeit 2025 noch im Amt zu sein. Die Opposition wirft ihm einen zunehmend autoritären Kurs vor, zudem leiste er einem Personenkult Vorschub.
Er ist oft von morgens bis abends unterwegs, um Straßen, Kraftwerke und Schulen zu eröffnen, er übt den engen Schulterschluss mit den sozialen Bewegungen. Die Armut konnte verringert werden.
Bolivien weist seit Jahren mit die höchsten Wachstumsraten der Welt auf, auch dank der Einnahmen aus dem verstaatlichen Gasgeschäft. In La Paz mit seiner gebirgigen Topographie entstand das größte urbane Seilbahnnetz der Welt als eine neue Form des klimafreundlichen Verkehrsmittels im 21. Jahrhundert.
„2005 hatten wir öffentliche Investitionen von 600 Millionen Dollar, heute sind es 8 Milliarden“, sagt Morales. Im Salar de Uyuni bauen Chinesen für die Bolivianer eine große Anlage zur Kaliumproduktion. In dem riesigen Salzsee soll, auch mit deutscher Hilfe, auf rund 40 Quadratkilometern außerdem ein Förderkomplex zur Gewinnung von Lithium entstehen – es gibt hier die größten Reserven der Welt.
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