Eklat im Berliner Abgeordnetenhaus: Zwischenrufe statt Aufarbeitung

Bei einer Rede im Berliner Abgeordnetenhaus zum Mannheim-Attentat kam es zum Eklat. Eine Aufarbeitung des Verbrechens aus linker Perspektive fehlt.

Blick in das Abgeordnetenhaus von Berlin.

Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus von Berlin am 6. Juni Foto: Britta Pedersen/dpa

Auf X ist die Empörung groß. Der Auslöser: Ein Zwischenruf der Antidiskriminierungs-Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Während einer Rede der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zu dem Attentat in Mannheim rief die Grünen-Abgeordnete Tuba Bozkurt „Mannheim ist tot?“ an unpassendster Stelle. Gelächter der Grünen-Fraktion folgte. Der Vorfall ist nicht nur geschmacklos, sondern zeugt von der Unfähigkeit, das Mannheimer Attentat aus linker Perspektive aufzuarbeiten.

Denn außer rassistischer Instrumentalisierung durch AfD, CDU, Bundeskanzler und viele weitere, folgte auf das Attentat vor allem Ratlosigkeit. Wie konnte es so weit kommen? War der Einsatz der Po­li­zis­t:in­nen vor Ort dilettantisch? Und warum konnte die Planung des Angriffs nicht von vornherein unterbunden werden? Auf all diese Fragen scheinen bisher – zumindest aus linker Perspektive – kaum Antworten gefunden worden zu sein.

Der Zwischenruf Bozkurts, der in den sozialen Medien als „niederträchtig“ und „fäkal“ bezeichnet wird, macht es den Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus schwerer, inhaltlich Kritik an den Reaktionen auf Mannheim zu üben. So bleibt der Diskurs nach dem peinlichen Vorfall, denen überlassen, die nun Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien fordern.

Berechtigte Argumente

Auf der Hand liegt, dass die von Kanzler Scholz geforderten Abschiebungen nicht nur aus moralischer Perspektive verwerflich sind, sondern auch nichts an den Strukturen ändern würden, die das Attentat in Mannheim ermöglichten. So wäre es wichtig, Stimmen in den Diskurs miteinzubeziehen, die nicht taktlos mit dem Tod des Polizisten Rouven L. umgehen.

Bei einem Auftritt bei Markus Lanz am Dienstag versuchte taz-Redakteurin Anna Lehmann zumindest eine solche Perspektive zu bieten und kritisierte den Einsatz der Po­li­zis­t:in­nen vor Ort als „dilettantisch“. Ein Shitstorm folgte – das Echo: Lehmann betreibe Täter-Opfer-Umkehr. Tatsächlich ist streitbar, ob die Aussagen Lehmanns an dieser Stelle, nur wenige Tage nach dem Tod des Polizisten Rouven L. besonders passend sind. Trotzdem sind ihre Argumente berechtigt und der Auftritt bei Lanz wichtig.

Denn die Aufarbeitung des Attentats darf nicht populistischen Stimmen überlassen werden. Vielmehr sollte auf die Versäumnisse der Politik hinsichtlich der Vorbeugung islamistischer Attentate geblickt werden. Ausreichend ausgebildete Polizist:innen, weitreichende Integrationsangebote und Früherkennungssysteme für islamistische Strukturen könnten, im Gegensatz zu pietätlosen Zwischenrufen, dazu gehören.

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