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Eiserner Vorhang erfolgreich begrüntEin Korridor für die Waldbirkenmaus

Friedenssymbol und ausgezeichnetes Biotop: Das „Grüne Band“ entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs soll weiter wachsen.

Natur und Geschichte: Eiserner-Zaun-Gast im Biotop auf dem einstigen Todesstreifen Foto: Thomas Stephan/BUND

In der Mitte Europas: An der Grenze zu Tschechien, wo einst das Salz von Bayern nach Böhmen transportiert wurde, präsentiert der BUND sein Projekt „Quervernetzung Grünes Band“. Im Freilichtmuseum von Finsterau wird dieses BUND-Projekt vom Bundesumweltministerium (BMUV) und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) als eines der drei besten Best-Practice-Projekte der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen in Deutschland ausgezeichnet.

Hier bei Finsterau im Bayerischen Wald verlief der „Goldene Steig“, ein Handelsweg, der Böhmen mit der Donau verband. Dabei mussten auf dem Weg nach Passau der Mittelgebirgszug des Bayerischen Waldes und auf dem Weg nach Linz der Mittelgebirgszug des Böhmerwaldes, tschechisch Šumava, überquert werden. Der „Goldsteig“ ist heute ein vom Deutschen Wanderverband ausgezeichneter Qualitätswanderweg. Er gehört zu den Top Trails of Germany und zieht sich von Marktredwitz bis Passau.

Lange Jahre war der Grenzgang nach Tschechien bei Todesstrafe verboten. Der Eiserne Vorhang hatte jahrhundertealte Verbindungen dieser einst belebten Region gekappt. Genau hier an diesem Grenzstreifen beginnt das Grüne Band Europa. Seit 2003 arbeiten 24 Länder daran.

Das Grüne Band wurde auf Ini­tiative des BUND Naturschutz in Bayern e. V. kurz nach dem Mauerfall 1989 zunächst für Deutschland ins Leben gerufen. Es bezeichnet den Geländestreifen zwischen ehemaliger innerdeutscher Grenze und den Grenzanlagen auf östlicher Seite. Der 1.393 Kilometer lange Geländestreifen ist nur 50 bis 200 Meter breit. Er soll als Grüngürtel erhalten bleiben. Von oben betrachtet schlängelt sich dieser schmale Streifen an manchen Stellen wie ein grüner Wurm durch die angrenzenden Felder intensiver Landwirtschaft.

Doch es ist der größte Biotopverbund Deutschlands. Auf seinen Flächen mit den dazugehörigen über 150 Naturschutzgebieten kommen mehr als 1.200 in Deutschland bedrohte Tier- und Pflanzenarten vor. Balzende Moorfrösche, Warzenbeißer, Kiebitze.

500.000 Quadratmeter gesichert

Seit dem Projektstart Quervernetzung Grünes Band 2020 wurden deutschlandweit rund 500.000 Quadratmeter Fläche durch Ankauf oder langjährige Pacht gesichert. „Die Idee ist, das Grüne Band mit der umgebenden Landschaft zu verbinden. Das Grüne Band als Rückgrat und davon ausgehend naturbelassene Rippen“, sagt Tobias Windmaißer, Projektmanager vor Ort.

Hier im Grenzgebirge mit seinen Wäldern, Mooren, Bergbächen und einstigen Hochweiden ist die Querverbindung zum Nationalpark vielversprechend. Dieser ist ohnehin ein Biodiversitäts-Hotspot.

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Der Biologe Windmaißer führt angereiste Naturschützer und Gäste der Preisverleihung zu einem vom BUND gepachteten Landschaftsstreifen hinter Finsterau. Dort wurden Arnika und Teufelskralle angepflanzt, Reptilienriegel für Kreuz­otter und Bergeidechse angelegt. Fichten wurden gefällt. Die alte Kulturlandschaft, beweidete Flächen, soll wiederhergestellt werden und ein Biotopverbund für die genetische Vielfalt der Waldbirkenmaus.

Die Flächen sind kleinteilig: manchmal steil, manchmal nass. „Man braucht oft Spezialmaschinen, um diese zu bewirtschaften. Und dafür muss man erst einmal jemand finden, der die Bewirtschaftung übernimmt und nicht allzu weit weg wohnt“, sagt Windmaißer: „Sonst wird es teuer.“

Viele kleine Betriebe mit geeigneten Maschinen hätten aufgehört. „Wir versuchen, möglichst viele Landwirte einzubinden und ihnen Aufträge zu geben, damit sie mit der Bewirtschaftung weitermachen. Wir wollen Landwirte und Landschaftspflege vernetzen. So passiert etwas in der Region.“

In der Nachkriegszeit dämmerte die Grenzregion abgeschieden zwischen Ost und West dahin. Bis 1970 eine Pionierleistung den Bayerischen Wald zu einem neuen Thema machte: Es entstand der erste deutsche Nationalpark. Ausgetüftelt und propagiert hatten diese Idee der bekannte Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek und Hubert Weinzierl, damals Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BUND) in Bayern. Erster Leiter des Nationalparks wurde Hans Bibelriether, der sich engagiert der Verwirklichung internationaler Schutzziele verschrieb.

Der erste deutsche Nationalpark

Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, erklärte Tschechien 1991 den angrenzenden östlichen Teil des Waldes zum noch viel größeren Nationalpark Šumava: ein Ansporn für Bayern, ab 1997 auch seinen Nationalpark flächenmäßig zu verdoppeln. Gemeinsam ist dieses Gebiet heute das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas. Hinzu kam, dass mit dem Niedergang der Holzwirtschaft und der Glaswarenindustrie, die hier mit Marken wie Schott Zwiesel oder Nachtmann heimisch ist, als neuer Wirtschaftsfaktor einspringen konnte.

Im Sommer sind es nun die Wanderwege, im Winter die Loipen, die dieses steinalte Gebirge im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Österreich verbinden. Langlauf ist eine Domäne des Bayerischen Waldes. In den Statistiken hängen die hiesigen Dörfer die Alpengemeinden regelmäßig ab, sowohl bei den kältesten Temperaturen wie bei der Dauer der Schneebedeckung.

Früher lag er an der Grenze zwischen Ost- und Westeuropa: der Kleine Schwarzbach am Lusen Foto: Sebastian Beck/SZ Photo

Der Nationalpark wirkt als Modernisierungsschub. Wie auch das Thema Wellness: Wo der Luchs wieder jagt, mag man sich auch mit natürlicher Kräuterkosmetik und entspannter Massage im guten Hotel verwöhnen lassen. Hotels, die auf Wellness setzen, können sich über immer mehr Besucher freuen.

Liana Geidezis ist seit 1998 Leiterin des BUND-Fachbereichs Grünes Band. Die amtliche Auszeichnung ihrer Bemühung um Artenvielfalt hier im Freilichtmuseum von Finsterau weiß sie zu schätzen. Sie freut sich über die Anerkennung Best Practice für das Quervernetzungsprojekt, die auch „eine offizielle Unterstürzung unseres Dauereinsatzes für eine Vision“ bedeutet.

„Was mich bei meinen jahrelangen Bemühungen für das Grüne Band am meisten überrascht hat, war die positive Entwicklung auf europäischer Ebene. Und dass wir erreicht haben, dass ab 2003 keine Bundesflächen mehr am Grenzstreifen verkauft werden durften. Das waren immerhin 50 Prozent des Grünen Bandes. Es war der Grundstein, dass das Grüne Band erhalten blieb.“

Ihr Ziel heute: das Grüne Band soll „Unesco-Weltnaturkulturebe“ werden. „Der ehemalige Todesstreifen ist nicht nur als Biotop interessant. Er hat einen wichtigen kulturhistorischen Hintergrund. Es gibt zwar die Gedenkstätte Point Alpha in der Rhön oder das Grenzlandmuseum im Eichsfeld zwischen Thüringen und Niedersachsen, aber die Kulturseite hätte sich stärker engagieren können. Nicht nur Grenztürme sind verschwunden. Es sollen nicht nur die Biotope erhalten bleiben, sondern auch die Erinnerung“, sagt sie.

Wo einst der Schrecken herrschte, grünt neue Hoffnung. Hubert Weiger war von Dezember 2007 bis November 2019 Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz. Das Grüne Band ist auch sein Projekt. Als Gorbatschow 2002 die Schirmherrschaft des Europäischen Grünen Bandes übernahm, war er wesentlich beteiligt. Vom Nordkap über Finnland, Baltikum, Deutschland, Österreich, Slowenien bis zum Schwarzen Meer – am Grünen Band wird überall in Europa gebastelt. Auf 12.500 Kilometern entsteht ein Lebensraumverbund.

„Die Idee hat Fuß gefasst,“, sagt Weiger im Museum in Finsterau. “Es gibt einen Verein zum Schutz des Grünen Bandes Europa. Und Initiativen in allen Ländern. Und wir haben inzwischen eine ganze Reihe von grenzüberschreitenden Nationalparks. Die EU unterstützt seit letztem Jahr die Vernetzungs­arbeit der Gruppen vor Ort finanziell.“

Weiger betont die Bedeutung des Grünen Bandes in Zeiten des Klimawandels „als Wanderkorridor für Tiere, die auf kühlere und feuchtere Lebensräume angewiesen sind“. Das Grüne Band hat zentrale Bedeutung nicht nur, um vorhandene Lebensräume zu schützen, sondern als Wanderkorridor. Deshalb sei die Quervernetzung wichtig.

Grünes Symbol des Friedens

Seine Erfahrung sei, dass man mit dem Grünen Band nicht nur einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffe, sondern auch für Menschen. „Das Grüne Band hat die Menschen beiderseits der Grenzen zusammengeführt. Austausch, gemeinsame Aktivitäten. Man wächst zusammen“, sagt Weiger.

Doch es ist ein empfindliches Friedenssymbol. „Russland und Finnland haben im Naturschutz am Grünen Band hervorragend zusammengearbeitet“, weiß Weiger. „Nach Kriegsbeginn in der Ukraine ist alles gestoppt, auf Eis gelegt.“ Sehr aufmerksam verfolge hingegen Südkorea die Idee des Grünen Bandes. Die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea hat viel Ähnlichkeiten mit dem Grenzstreifen. Sie könnte auch dort zum Friedenssymbol ­werden.

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  • Eine wunderbare Initiative der Erinnerung gepaart mit Naturschutz. Eine Einstufung als Weltkulturerbe ließe weitere Gelder fließen und zöge Touristen an. Das würde dem ehemaligen „Zonenrandgebiet“, wie es in den alten Bundesländern hieß, etwas Auftrieb geben.