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Einwerben von ForschungsmittelnPrämierung guter Pläne

Um Geld für Projekte einzuwerben, müssen Forscher Anträge mit blumigen Versprechungen formulieren. Was für ein Unsinn!

Um Drittmittel für Forschungsprojekte zu bekommen, ist oftmals die Formulierung des Antrages entscheidend. Bild: imago/blickwinkel

In der Wissenschaft setzt sich still und leise eine sehr eigenartige Betrachtung von guter wissenschaftlicher Forschung durch. Schaut man sich an, wie Landesministerien und Hochschulleitungen ihre Leistungszulagen verteilen, dann werden Forscher nicht etwa für hervorragende wissenschaftliche Forschungsleistungen belohnt, sondern für die Ankündigung hervorragender wissenschaftlicher Leistungen.

Ursache dafür ist die Umstellung der Hochschulfinanzierung auf eine sogenannte leistungsorientierte Mittelvergabe. Die durch ein einfaches Reiz-Reaktions-Schema geprägte Steuerungsvorstellung ist, dass Wissenschaftler nur dann gute Arbeit abliefern, wenn sie dafür letztlich auch monetär entlohnt werden.

Als Indizien für gute wissenschaftliche Forschung werden dabei jetzt aber von den Ministerien nicht – wie man in naiver Weise annehmen könnte – etwa die Reputation eines Wissenschaftlers, die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, die über Zitationen nachgewiesene Wirkung dieser Publikationen oder die Anzahl wissenschaftlicher Erfindungen genutzt.

Vielmehr ist das zentrale Kriterium, mit dem Forschungsleistungen gemessen werden, der in Euro gemessene Umfang der eingeworbenen Drittmittel. Bei diesen Drittmitteln handelt es sich um Geldzahlungen, die von überwiegend staatlich finanzierten Einrichtungen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von Stiftungen wie der Volkswagen-Stiftung oder direkt von privaten Unternehmen in einem Wettbewerb an Wissenschaftler vergeben werden.

Wenn man sich das Drittmittelgeschäft näher ansieht, dann stellt man fest, dass der Erfolg wenig über die Befähigung zum Forschen aussagt, jedoch viel über die Befähigung die entsprechende Antragsprosa für Drittmittelprojekte zu formulieren.

Harte Währung

Die Bedeutung der Drittmittel für die Hochschulen wächst. Ihr Anteil an der gesamten Finanzierung ist seit 2000 von 15 Prozent auf über 22 Prozent gestiegen. Drittmittel sind mit Reputation verbunden und gelten als Aushängeschild der Leistungsfähigkeit einer Hochschule. 34 Prozent aller Drittmittel kamen 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 27 Prozent von Bund und Ländern, 21 Prozent von der Wirtschaft. (Quelle: Stifterverband)

Stefan Kühl

Der Autor Stefan Kühl, 1966 geboren, ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. 2012 erschien von ihm „Der Sudoku-Effekt. Hochschulen im Teufelskreis der Bürokratie“.

Das Einwerben eines größeren Projekts bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist an sich noch kein Indiz für gute Forschung, sondern belohnt erst einmal die Antizipation von zukünftigen wissenschaftlichen Modethemen bei gleichzeitiger Fähigkeit, Projektanträge so zu formulieren, dass sie nicht allzu sehr vom herrschenden wissenschaftlichen Paradigma abweichen.

Trotzdem hat sich in den Hochschulen die Drittmittellogik in einer eigenartigen Kaskadenform durchgesetzt. Bildungs- und Wissenschaftsministerien koppeln die Vergabe von zusätzlichen Mitteln an die Einwerbung von Drittmitteln durch Hochschulen.

Verantwortung wird weitergereicht

Die Hochschulleitungen übersetzen dieses vermeintliche Leistungskriterium dann für die Fachbereiche oder Fakultäten weiter und binden die Zuweisung weiterer Mittel an die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln – nicht selten mit dem Zusatz, dass man Drittmittel auch für ein ungeeignetes Messkriterium für wissenschaftliche Leistung halte, dass einem die Form der Mittelzuweisungen des Landes aber keine andere Wahl lasse.

Diese Logik wird dann in den Fachbereichen oder Fakultäten weitergetragen, indem bei der Besetzung neuer Professuren den Bewerbern sogleich mitgeteilt wird, dass man selbstverständlich wüsste, dass die Anzahl eingeworbener Drittmittel nicht mit wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit korreliere – aber aufgrund der Vorgaben der Rektorate und Präsidien zur Mittelvergabe leider die Besetzung neuer Professuren auch an den nachgewiesenen Erfolg bei der Einwerbung von Drittmitteln gebunden werden müsse. Kaum einer hält Drittmittel für ein geeignetes Leistungskriterium, aber alle spielen das Spiel mit.

Auch die Große Koalition will diese widersinnige Forschungsförderung fortschreiben. Dabei ließe sich die Forschungspolitik ohne große Probleme von einer Logik der „guten Pläne“ auf eine Logik der „guten Leistungen“ umstellen.

Nicht Anträge prämieren, sondern Artikel

Man müsste lediglich nicht mehr die Forscher belohnen, die gute Intentionen haben, sondern die, die nachweislich interessante Forschungsergebnisse produziert haben. Nicht mehr der überzeugende Forschungsantrag, sondern der überzeugende wissenschaftliche Artikel würde belohnt werden. Nicht mehr der Plan für ein „Opus Magnum“ eines Wissenschaftlers würde honoriert werden, sondern die Publikation eines innovativen Buches, das weitere interessante fachliche Beiträge erwarten lässt, wird honoriert.

Dieses Verfahren ähnelt den in vielen universitären und außeruniversitären Forschungsteams vorherrschenden informellen Praktiken. Die Mittel für ein Projekt werden häufig nicht nur für die im Projektantrag verwendeten Zwecke genutzt, sondern für interessante Themen, die während der Projektlaufzeit am Horizont auftauchen, für die aber kurzfristig keine Mittel zu mobilisieren sind.

Fehlverwendung der Mittel

Mitarbeiter in der Qualifizierungsphase, die für ein drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt eingestellt wurden, aber dort nicht benötigt werden, widmen sich einem anderen interessanten Thema, mit dem sie sich wissenschaftlich profilieren können.

Für die Drittmittelmanager stellt sich aber das Problem, dass diese „Mittelquerverwendung“ rechtlich immer auch eine „Mittelfehlverwendung“ ist. Mit der „flexiblen Mittelverwendung“ verstößt man gegen die Auflagen der Drittmittelgeber, die ja explizit verlangen, dass die Mittel ausschließlich für den beantragten Zweck verwendet werden. Aber auch wenn die „Mittelfehlverwendungen“ gut kaschiert werden und faktisch so gut wie nicht nachgewiesen werden, handelt es sich im engeren Sinne um den Straftatbestand der Unterschlagung.

Aber aufgrund der offensichtlichen Fehlsteuerung durch die an Drittmitteln orientierte Förderung kann man sich fragen, weswegen die Wissenschaftspolitiker diese bereits praktizierte Form der Mittelverwendung nicht durch die Umstellung auf ein Preissystem legalisieren.

Mainstream-Wissenschaft

Man darf die Fähigkeit eines solchen Preissystems, herausragende Forschungsleistungen zu identifizieren, nicht überschätzen. Auch hier wird gerade bei großen Preissummen – ähnlich wie bei den Nobelpreisen für Wirtschaft, Chemie oder Medizin – vorrangig Mainstream-Wissenschaft ausgezeichnet.

Auch hier wird die Vergabe von Preisen maßgeblich davon abhängen, wie gut die Preisträger in der Scientific Community verankert sind und dadurch Loyalitäten von anderen Wissenschaftlern vorweisen können.

Doch zentral ist, dass sich beim Preissystem der Fokus auf den Aspekt der Leistung in der Forschung richtet und nicht auf die Formulierung von gut klingenden Forschungsvorhaben. Nicht zuletzt würden Wissenschaftler dann verstärkt Artikel und Bücher ihrer Kollegen lesen und nicht die Pläne, in denen diese Artikel und Bücher versprochen werden.

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5 Kommentare

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  • P
    Peter

    Da die Grundfinanzierung an den Hochschulen nicht so üppig ist, ist es schon schwierig, ein Labor überhaupt erst einmal einzurichten. Und irgendwann kommen dann die Kosten für Instandhaltung und Modernisierung! Viele Geldgeber geben aber kein Geld für die Grundausstattung. Tja. Weiterhin haben es sich viele Fakultäten zu schlechten Angewohnheit gemacht, von der Fördersumme, die der Wissenschaftler eingeworben hat, gleich einmal 20-25% einzukassieren, als sogenannten "Overhead". Dies bedeutet, daß man gleich mehr Geld beantragen muß, als eigentlich für das Projekt benötigt - ein Spielchen, das aber einige Geldgeber nicht bereit sind, mitzuspielen.

    Und bei dieser Auflistung sprechen wir noch gar nicht über die prekären Beschäftigungsverhältnisse vieler Wissenschaftler, die sich über Jahre hinweg von einer Befristung zur nächsten hangeln (bei mir waren das 20 Jahre), mit z.T. 50%, 65% oder 75% vom eigentlichen Tariflohn.

  • P
    Peter

    Das ganze System der Finanzierung der Forschung ist krank. Hochqualifizierte Wissenschaftler stecken einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit und -kraft nicht in die eigentliche Forschung, sondern in das Schreiben von Anträgen. Dies ist eine zähe Sache und oft nicht sehr kreativ, da nur Vorhaben mit guten Erfolgsaussichten gefördert werden, Vorhaben mit unklarem Ausgang dagegen eher nicht. Wichtiger wäre es hingegen, die Grundfinanzierung zu verbessern, damit der Forscher auch eher spekulative Themen verfolgen kann, aus denen dann interessante und vorwärtsweisende Dinge entstehen können. Oft beißt sich die Katze in den Schwanz - Drittmittel gibt es nur, wenn man tolle Dinge als "Vorarbeiten" vorweisen kann - wie soll man die aber ohne Finanzierung erbringen?

    Etwas verbessert haben sich die Förderinstrumente für junge Forscher. Allerdings schaut dann ein gestandener Forscher, der, warum auch immer, das Forschungsgebiet wechselt, in die Röhre, weil gerade für neuartige Ansätze oft eine Altersgrenze von 35 Jahren gilt.

    Nun, und ein Idealist in der Forschung zu sein, ist zwar schön, aber wenn man kein Geld hat, landet man sehr schnell auf dem Hosenboden.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Der akademische Diskurs, wie leicht angedeutet, ist selbst der groesste Innovationskiller in Deutschland. Wer nur auf die Finanzierung schielt, verhaelt sich wissenschaftlich unverantwortlich. Abenteuer gehen dagegen Indiana Jones Typen ein. Der Anpassungsdruck in Deutschland ist stark und der Habitus staerker als der Wille.

     

    Vgl den Mobbingbegriff. Reduziert auf Mobbing am Arbeitsplatz, weil, wie der Inventor des Begriffs (Leymann) betonte, keinerlei Forschungsgelder fuer ausserhalb des Settings fester und traditioneller Arbeitsmilieus bewilligt wurde. Nicht ein Mitarbeiter mehr war einstellbar. Die Diskursmacht war staerker als Leymann, von dem der Begriff stammt.

     

    Es gibt allein auf dem Gebiet zur Zeit keinerlei vernuenftige Forschung. Man muss das ganze Spiel nicht mitmachen. Es ist feige, nur das zu beforschen, fuer das man Gelder erwarten kann. So eine Haltung kann man verachten.

     

    Sogenannten Idealisten usw ist der ganze Diskurs relativ egal. Alle andern sollten noch eine Langeweilepauschale zahlen.

  • SL
    So läuft das bei uns nicht nur in Sachen Bildung und Forschung

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • C
    Contra

    Es sollte herausgefunden, welche WissenschaftlerInnen in der Lage

    sind RELEVANTES und valides neues Wissen zu schaffen oder den heute vorhandenen Wissenstoff im jeweiligen Fachgebiet eineindeutig, klar und prägnant darzustellen.

    Die Leute, die relevantes Wissen schaffen, deren Lehrbücher oder Veröffentlichungen Teil der Hochschulbibliotheken sind und jene die in der Masse höchst qualifzierte AbsolventInnen hervorbringen, haben sich Ruhm verdient.

    Nicht zu vergessen sind jene die ihre Reife durch viel Praxiserfahrungen, z.B. durch Drittmittelprojekte erworben haben.

    Das gesamte Spektrum wird benötigt.

    Die einsame geniale Denkerpersönlichkeit im stillen Kämmerlein mit

    Sozialphobie kann dennoch auch hochinteressante Gedanken haben oder

    der Autist(m/w) eine geniale mathematische Entdeckung machen.

    Wichtig wäre es auch Medienspezialisten an der Aufbereitung von Wissenstoff mitwirken zu lassen ohne das die Wissenschaftlichkeit

    eingebüßt wird.

     

    Wissenschaftliche Projekte sollten auch Leute ohne

    Einserexamen durchführen dürfen. Auch sie können gute Ideen haben.

    Für eine gesunde wissenschaftliche Community wäre es wichtig viel mehr neues Wissen auch kritisch auf Richtigkeit zu prüfen, gerade wo die Wissenszunahme scheinbar exponentiell ist. In Wirklichkeit wird trotz

    sehr guter Studienleistungen viel Unsinn oder Redundanz produziert,

    wobei Redundanz bei der Verankerung in den Präsenzkanon hilft.

    Dabei ist Stefan Kühls Ansicht auch zu einfach. Denn das spekulative Moment treibt die Wissenschaft voran. Nicht zuletzt hat auch Science Fiction die Wissenschaft enorm ökonomisch und ideengesteuert vorangebracht. Wissenschaft braucht das Spekulative und braucht die

    Fantasie, als auch eine methodisch exakte Ausführung. Es braucht die unterschiedlichen Typen von Menschen und keine ideologisch zu stark

    eingegrenzte Eliteschar.