Einseitiger Kampf um Bergbauprojekte: Bewegungen unter EU-Beobachtung
Brüssel finanziert ein Forschungsprojekt zur Akzeptanz von Bergbauvorhaben. Tatsächlich dient es wohl dazu, Daten über ProtestlerInnen zu sammeln.
Allen geht es um das Forschungsprojekt „Mining and Metallurgy Regions of EU“ (Mireu). Dessen offizielle Aufgabe ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz von Bergbau und Metallverarbeitung in Europa zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen die Grundlage für künftige EU-Richtlinien bilden. Das Projekt erhält 3 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Der Vorwurf nun: Mireu sammle Daten über Proteste und ihre InitiatorInnen und werde so als Kontrollinstrument missbraucht.
Bedingung für die Förderung sei gewesen, Sozialwissenschaft- lerInnen einzubeziehen und betroffene Gemeinden und Bürgerinitiativen zu berücksichtigen, sagt Nik Völker von der Initiative MiningWatch Portugal, der Mitautor der 13-seitigen Beschwerde ist. „Doch das wurde nie so umgesetzt.“
Vielmehr diene das Projekt dazu, die Proteste zu überwachen, so der deutsche Informatiker, der in Portugal lebt. Die Berichte würden „willkürlich von einem Team aus technischen Bergbaufakultäten, Lobbyverbänden, Industrieberatern und nationalen Bergämtern“ zusammengestellt. „Die Unterzeichner dieser Erklärung fordern die Europäische Kommission und ihre zuständigen Stellen auf, (…) Mireu zu überprüfen, da sie ernsthafte Zweifel haben, dass das Projekt seine Versprechen erfüllt, ein neues, funktionierendes Modell für soziale Akzeptanz – SLO – für europäische Regionen bereitzustellen“, heißt es deshalb in der Beschwerde.
Selektive Information
Völker wurde auf Mireu aufmerksam, als er an einem Seminar teilnahm, bei dem es um die sogenannte Social License to operate (SLO) von Mireu ging. Seitdem ist er auf der Mailingliste der Organisation. Er erinnert sich: „Irgendwann wurde Portugal diskutiert, und es ging um Fallstudien.“ Dabei sei schnell klar geworden, „dass Mireu die Stimmung vor Ort analysiert, Listen erstellt, welche Gruppen Demonstrationen veranstalten und an ihnen teilnehmen“.
Im Namen von MiningWatch ging Völker auf andere Bürgerinitiativen zu. Diese forderten schließlich bei Mireu alle Dokumente zu Portugal an und bekamen auch die meisten. Nur zu den am weitesten fortgeschrittenen Lithium-Bergbauprojekten in Covas do Barroso und Montalegre im Norden des Landes gab es absolut nichts. „Sie wären noch nicht dazu gekommen, dies zu untersuchen, erklärten sie uns“, sagt Völker. Glauben tut er das nicht.
Portugal ist eines der Länder, auf das die EU schaut, wenn es darum geht, die Elektronikindustrie und vor allem die Industrie für Elektrofahrzeuge mit Lithium für Batterien zu versorgen, ohne aus Drittländern zukaufen zu müssen. Derzeit wird weiträumig untersucht, ob der Abbau im Tagebau lukrativ ist – und allerorts regen sich Proteste.
Grenzübergreifende Vernetzung
Zwar versprechen die Bergbauunternehmen Arbeitsplätze, doch die Erfahrung ist, dass sie nach zehn Jahren Ausbeutung eines Vorkommens eine Landschaft hinterlassen, in der wichtige Wirtschaftszweige wie der langsam entstehende nachhaltige Tourismus und Landwirtschaft nicht mehr möglich sind.
Die Anti-Bergbau-Initiativen in Portugal haben sich mit denen im benachbarten Spanien vernetzt. Dort verlangte Ecologistas en Acción – ein Zusammenschluss aus über 300 Umweltgruppen – von Mireu die entsprechenden Dokumente. Sie bekamen sie nicht. „Uns ist aber bekannt, dass Ecologistas en Acción und andere Gruppen in mehreren Fallstudien und auch in öffentlichen Dokumenten erwähnt werden, die von Mireu erstellt wurden“, sagt Elena Solis. Dabei habe niemand jemals Kontakt zu der Gruppe gesucht.
Solis ist Anwältin für Umweltrecht und Bergbauverantwortliche bei Ecologistas en Acción. Unter ihrer Regie entstand eine Studie über spekulative Bergbauprojekte in Spanien. Was sie am meisten empört: „In Spanien nehmen also die öffentlichen Verwaltungen, die über bestimmte Bergbauprojekte entscheiden müssen, an Mireu teil, das die Gegner dieser Projekte untersucht.“
Direkt an Mireu beteiligt ist etwa die Bergbauforschungs- und Ausbeutungsgesellschaft der Region Castilla y León, kurz Siemalcasa. Siemalcasa untersteht der Regionalregierung. Diese wiederum vergibt die Genehmigungen an die Bergbaugesellschaft Berkeley, die jahrhundertealte Steineichenwälder unweit der westspanischen Stadt Salamance rodet, um Probebohrungen durchzuführen. Dort wird Uran vermutet. Unweit davon sucht man unter Leitung von Siemacalsa auch nach Lithium.
Allen Initiativen, die die Beschwerde bei der EU-Kommission unterzeichnet haben, haben eines gemeinsam: Sie kommen aus wirtschaftlich vernachlässigten europäischen Randregionen. Und in den meisten Ländern, wie etwa Portugal, Spanien, Irland sind die Staatskassen leer. „Es entsteht der Eindruck, dass die Entscheider in Brüssel, Paris, Berlin in ihrem warmen Nest sitzen, wo etwa Tesla eine Fabrik mit 2.000 Mitarbeitern baut. Aber die Rohstoffe müssen ganz neokolonial aus der europäischen Peripherie kommen“, resümiert Völker.
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