Einschüchterung von Asylbewerbern: Gefährliche Dolmetscher
Bei den Befragungen zum Asylantrag zählt jedes Wort. Eine Initiative prüft den Verdacht, Eritreer würden von Übersetzern eingeschüchtert.
![Menschen sitzen auf einer Straße Menschen sitzen auf einer Straße](https://taz.de/picture/487799/14/eritrea_paris_13710111.jpg)
Die Frankfurter Initiativen Teachers on the Road und United4 Eritrea weisen darauf hin, dass in Deutschland lebende eritreische Dolmetscher genau damit schon öfter aufgefallen sind. Eine Studie der Konferenzdolmetscherin Eden Mengis scheint diesen Verdacht nun zu erhärten.
Die Lage von Eritreern in ihrem Heimatland ist prekär. Männer können nach ihrem 18. Lebensjahr unbefristet zum Militärdienst eingezogen werden, Frauen müssen bis zum 28. Geburtstag gegen niedrige Bezahlung für den Staat arbeiten. Präsident Isayas Afewerkis Regierung kontrolliere alle Ebenen der Macht, politisch, wirtschaftlich, sozial, journalistisch und religiös, kritisiert Human Rights Watch. Wahlen gab es in dem Land noch nie. Daher flüchten Monat für Monat Tausende aus dem Land. Laut Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen waren es im vergangenen Jahr über 300.000 Menschen.
Gelingt die Ausreise, ist die Odyssee noch lange nicht vorbei. Auch außerhalb Eritreas gibt es Anhänger des Regimes. Sie arbeiten teilweise im Auftrag der Regierung, erklärt Irina Dannert, die sich bei Teachers on the Road, einer Frankfurter Flüchtlingsinitiative, engagiert. Erst vor wenigen Monaten hatte die italienische La Repubblica einen solchen Fall publik gemacht.
Hochsensibler Moment
Regierungstreue Eritreer arbeiten laut Teachers on the Road und United4Eritrea als Übersetzer im Asylanhörungsprozess. Genau an der hochsensiblen Stelle, an der sich entscheidet, ob die Fluchtgründe ausreichen, um Asyl zu erhalten. Im Zuge des Verfahrens haben die Dolmetscher außerdem Zugang zu den Daten der Flüchtlinge. Adresse und Familienzugehörigkeit sind heikle Daten, die in den falschen Händen viel Unheil anrichten können.
„Immer wieder wird uns zugetragen, dass Aussagen von Flüchtlingen im Asylanhörungsverfahren nicht korrekt übersetzt wurden“, sagt Irina Dannert der Taz. Für den Verfahrensausgang kann ein falsch übersetze Aussage Folgen haben. Zwar werden zurzeit fast keine Flüchtlinge nach Eritrea abgeschoben, doch geht es darum, ob die Härtefallregelung für sie gilt. Das heißt, ob sie nur geduldet werden, ob sie in Deutschland ihren Antrag stellen dürfen, oder dauerhaftes Asyl erhalten.
Bei einem solchen Verfahren war eine Aktivistin von United4Eritrea als Zuschauerin anwesend. „Da hat die Dolmetscherin einfach Teile nicht übersetzt. Beispielsweise, dass der Mann in Italien gefoltert wurde und im Gefängnis saß“, erklärt Seghen Gebreyosus von United4 Eritrea. Als die Aktivistin die Richterin darauf hingewiesen habe, habe die kein Interesse daran gezeigt. Die Dolmetscherin blieb im Amt, der Geflüchtete wurde abgeschoben.
Bestätigte Verdachtsfälle
Dass diese Fehlübersetzung publik wurde, war eher Zufall. Üblicherweise sind die Verfahren nicht öffentlich. „Außer dem Dolmetscher gibt es keinen anderen, der sowohl des Deutschen als auch der eritreischen Amstssprache, Tigrinya, mächtig ist und eingreifen könnte“, sagt Eden Mengis, die zu dem Thema ihre Masterarbeit schreibt. Sie hat Leitfadeninterviews mit Flüchtlingen und Dolmetschern geführt, und gefragt, inwiefern die Neutralität der Dolmetscher ein Auswahlkriterium für die Tätigkeit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darstellt. Und ob bereits Fälle bekannt sind, in denen es wegen der politischen Haltung der Dolmetscher zu Problemen kam.
In Mengis‘ Arbeit bestätigen sich die Verdachtsfälle der Flüchtlingsinitiativen, auch wenn ihre Stichprobe nichts über genaue Zahlen aussagt. „Sie haben null Chancen gegen diese Dolmetscher“, erklärt einer der anonym befragten Dolmetscher. „Ich habe schon mitgekriegt, dass es einen Mann gibt, der sagt: ‚Nein, sag das nicht.‘ Dann erschrecken sich die Flüchtlinge, weil sie wissen, dass er von der Regierung ist.“ Auch von Aussagen der Dolmetscher gegenüber Geflüchteten, sich nicht allzu kritisch über das Heimatland zu äußern, ist die Rede. Solche Anmerkungen kommen starken Drohungen gleich. Denn wer aus Eritrea flieht, macht sich strafbar, gefährdet oft noch zurück gebliebene Freunde, Familienmitglieder, Kollegen.
Zwar sei es kein Automatismus, dass regimetreue Eritreer falsch übersetzen, so Mengis. Aber bei der Gefahr, für die Geflüchteten, die in so einem Fall bestünde, sei es durchaus überlegenswert, die Dolmetscher für die Asylverfahren genau zu überprüfen und denjenigen mit Kontakt zur Botschaft – sprich den regimetreuen – die Arbeit zu untersagen.
Beim BAMF streitet man das Ganze ab. Es sei nur ein Einzelfall bekannt, in dem ein konkreter Dolmetscher beschuldigt wurde, nicht ordnungsgemäß zu übersetzen und mit der eritreischen Botschaft in Kontakt zu stehen. Als dieser Fall überprüft wurde, habe sich jedoch nichts ergeben. Auch würden mögliche Kontakte der Dolmetscher zu den Botschaften geprüft.
Eine Frankfurter Initiative für Geflüchtete hat das Thema nun selbst in die Hand genommen. Der Verein Mekri überprüft zurzeit die öffentlich zugängliche Liste der eritreischen Dolmetscher. „Viel Arbeit, aber man bekommt doch recht schnell heraus, wo jemand steht“, sagt Seghen Gebreyosus der taz.
Dieser Artikel wurde am 6. Juli um 19.13 Uhr geändert.
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