Einschränkung der Meinungsfreiheit: Hanoi greift nach den Nutzerdaten

Vietnams Regierung verpflichtet Internetkonzerne zur Herausgabe der Nutzerdaten. Damit will sie sich kritische Stimmen vom Hals halten.

Vier junge Frauen sitzen auf einer Treppe und schauen gemeinsam in ein Smartphone

Die vietnamesische Regierung will die Herausgabe aller Nutzerdaten in den sozialen Netzwerken Foto: Thomas Koehler/picture alliance

BERLIN taz | Die vietnamesische Regierung hat jetzt alle im Land tätigen IT-Unternehmen per Dekret aufgefordert, alle persönlichen Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer ab 1. Oktober im Land zu speichern. Diese müssen den Behörden auf Anfrage ausgehändigt werden.

Die geforderte Datenspeicherung betrifft beispielsweise die von IT-Unternehmen erfassten Daten wie Namen des Nutzers, biometrische Daten, Netzwerkadresse, Kontoverbindung, Zeitpunkt der An- und Abmeldung in sozialen Netzwerken, Telefonnummer sowie soziale Beziehungen in sozialen Netzwerken. Darunter fallen beispielsweise Face­bookfreunde und Mitgliedschaften in Facebook- und Telegram-Gruppen. Diese Daten müssen 24 Monate lang gespeichert werden.

Das Dekret gilt für Telekommunikationsanbieter, für soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube sowie für Internetkonzerne wie Google. Ausländischen Firmen wird eine Übergangszeit von zwölf Monaten eingeräumt, um ihre Server für die lokale Datenspeicherung sowie entsprechende Büros in Vietnam einzurichten.

Die Internetanbieter werden auch verpflichtet, unerwünschte Inhalte auf Wunsch der Regierung zu entfernen. Das ist bereits durch das seit 2019 geltende Gesetz über Cybersicherheit der Fall. Seitdem löschen Facebook und Youtube Inhalte vietnamesischer Nutzer auf Verlangen der Regierung.

Human Rights Watch (HRW) hat kürzlich die Regierung des traditionell von konfuzianischen Werten geprägten Vietnams für ihre LGBT-Politik gelobt. „Die neue Direktive des Gesundheitsministeriums ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“, lobte Kyle Knight, HRW-Expertin für die Rechte von Schwulen, Lesben und sexuellen Minderheiten. Sie bezog sich dabei auf Hanois offizielle Erklärung vom Monatsbeginn, dass gleichgeschlechtliche Liebe und Transsexualität für die Regierung keine mentalen Krankheiten seien. HRW erwähnte dabei auch andere positive Schritte der letzten Jahre wie die Aufhebung des Verbots gleichgeschlechtlicher Beziehungen (2013) oder das Recht auf Namensänderung für trans Personen (2016). Schon der US-Regierung unter Obama hatte Hanois relativ fortschrittliche LGBT-Politik ermöglicht, dem Land bei der für ein Handelsabkommen vorgesehenen Prüfung der Menschenrechtslage trotz wachsender Repression grünes Licht zu geben. (han)

Bei Nichtbefolgung droht Konzernen Verbot in Vietnam

Manchmal wird Nutzern bisher noch das Recht eingeräumt, vorab Widerspruch gegen die beabsichtigte Löschung einzulegen. Inhalte von Nutzern von außerhalb Vietnams werden auf Wunsch der Regierung in Hanoi für das Internet in Vietnam gesperrt. Das betraf im November 2020 sogar schon einen taz-Artikel.

Den sozialen Netzwerken wird im Falle der Nichtbefolgung damit gedroht, aus dem vietnamesischen Internet verbannt zu werden. Das Land mit knapp 100 Millionen überwiegend jungen und internetaffinen Bewohnern ist ein wichtiger Markt.

Auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters haben sich Google und der Facebook-Mutterkonzern Meta nicht geäußert, wie sie mit dem neuen Dekret umgehen wollen.

Lisa Kretschmer von Reporter ohne Grenzen in Berlin sagte der taz: „Die Entscheidung von Vietnam ordnet sich ein in eine gefährliche Tendenz, in der autoritäre Staaten die Freiheitspotenziale des Internets bekämpfen wollen.“ Sie appelliert an globale Internetkonzerne wie Facebook und Google, dem Druck der vietnamesischen Regierung nicht nachzugeben.

Internetkonzerne werden eigenem Image nicht gerecht

„Sie nehmen für sich in Anspruch, die Meinungsfreiheit ihrer Nutzerinnen und Nutzer hochhalten zu wollen – nun müssen sie Taten folgen lassen. Das internationale Völkerrecht wie auch die Nutzungsregeln der Unternehmen räumen ihnen Spielräume ein, sich solchen Gesetzen von Diktaturen nicht zu beugen“, so Kretschmer. Es sei „alternativlos“, davon Gebrauch zu machen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Vietnam nur Platz 174 von 180 Staaten.

Das neue Dekret reiht sich ein in die systematische Beobachtung und Unterdrückung der vietnamesischen Zivilgesellschaft. Deren Repression schreitet seit dem Kongress der alleinregierenden Kommunistischen Partei 2016 in hohem Tempo voran.

Laut der Webseite von Radio Free Asia haben mindestens 15 Provinzen bereits bis letzten Herbst spezielle Polizeieinheiten aufgestellt, um Demonstrationen, Arbeiterstreiks und Proteste von Christen aus ethnischen Minderheiten niederzuschlagen.

Human Rights Watch schrieb im Februar: „Grundlegende bürgerliche und politische Rechte werden in Vietnam systematisch unterdrückt, ebenso Meinungsäußerungen, Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlungen, Bewegungsfreiheit und Religionsfreiheit.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.