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Einschätzung des Berliner LandgerichtsMietpreisbremse ist verfassungswidrig

Es ist zwar kein Urteil, aber vielleicht eine Einschätzung mit Folgen: Vermieter würden durch die Mietpreisbremse ungleich behandelt, sagt das Gericht.

Sie bremst nicht, und jetzt ist die Mietpreisbremse auch noch verfassungswidrig? Das hätte sich Justizminister Maas wohl nicht träumen lassen Foto: dpa

Berlin epd | Das Berliner Landgericht hält die gesetzliche Vorschrift zur Mietpreisbremse für verfassungswidrig. Vermieter würden durch das Gesetz bundesweit unterschiedlich behandelt. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes in Artikel 3, heißt es in einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Urteil. (Az 67 O 149/17)

So begrenze die Mietpreisbremse, geregelt in Paragraf 556d BGB, in Berlin in Verbindung mit einer vom Land erlassenen Rechtsverordnung die zulässige Neuvermietung auf 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete. In anderen Kommunen Deutschlands liege die ortübliche Vergleichsmiete aber viel höher. Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten „wesentlich ungleich treffe“.

Dies werde weder durch den Gesetzeszweck, noch durch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile oder sonstige Sachgründe gerechtfertigt, heißt es weiter in der Urteilsbegründung. So seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens „die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern“ nicht erhoben worden.

Es gebe somit auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, „in höherpreisigen Mietmärkten wie München“ erheblich besser gestellt sind als die gleichen Zielgruppen in Berlin.

Geklagt hatte eine Mieterin, die von ihrer Vermieterin nach Auszug knapp 1.250 Euro überhöhte Miete zurückforderte. Die Parteien hatten im August 2015 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene Ein-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 39 Quadratmetern geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von 351 Euro netto kalt monatlich vereinbart worden. Die Vormieterin hatte zuvor aber nur 215 Euro netto kalt an die Vermieterin gezahlt.

Laut Landgericht liegt auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine zu hohe Miete – also eine zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete – mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen.

Trotz seiner Ansicht, dass die Regelung der Mietpreisbremse verfassungswidrig ist, hat das Landgericht Berlin darauf verzichtet, den Fall auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Als Grund wurde angeführt, dass der vom Amtsgericht Wedding in erster Instanz berechnete Mietwert korrekt war und die Vermieterin berechtigt war, einen zumindest höheren Mietzins als bei der Vormieterin zu verlangen. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

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13 Kommentare

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  • „Das Berliner Landgericht hält die gesetzliche Vorschrift zur Mietpreisbremse für verfassungswidrig. Vermieter würden durch das Gesetz bundesweit unterschiedlich behandelt. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes in Artikel 3, heißt es in einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Urteil. (Az 67 O 149/17)“

     

    Stimmt voll und ganz nicht!

     

    Erstens steht im Art. 3 GG, Abs. 1: „Alle MENSCHEN sind vor dem Gesetz gleich“

     

    Unternehmen wie bspw. Deutsche Wohnen und andere private Unternehmen sowie staatliche Unternehmen fallen nicht darunter!

     

    Und (!)

     

    zweitens der Artikel 3 des Grundgesetzes verbietet Diskriminierung wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glaubens, religiösen oder politischen Anschauungen, Behinderung. Durch die Mitpreisbremse ist keine solche Diskriminierung gegeben!

     

    Das müsste ein Richter wissen! Das kann bestimmt jeder UNI-Professor für Recht auch bestätigen, der politisch unabhängig ist und keine eigenen Immobilien besitzt!

     

    Wirtschaftliche regionale oder überregionale „Ungleichbehandlung“ von Unternehmen oder Unternehmensgruppen ist in Deutschland oft üblich. Manche Unternehmen bekommen staatliche Zuschüsse und steuerliche Vergünstigungen, die anderen nicht ... Diese Ungleichbehandlung findet sehr oft auch bei Menschen statt. Beispielsweise: unterschiedliche Steuerklassen, unterschiedliche regionale und überregionale Löhne in einem Beruf, unterschiedliches Wohngeld je nach Bundesland ...

     

    Nur dann wäre so eine Ungleichbehandlung (wie der Richter so meint) bei Vermietern nicht rechtens, wenn bspw. Deutschland ein Land des Kommunismus in Perfektion wäre. D.h. wenn alle Menschen den gleichen Lohn der Höhe nach bekämen, ohne Ausnahmen. Und das würde letztendlich nicht gut funktionieren und das ganze System kaputt machen usw.

     

    Der Hinweis des Richters kann man nur persönlich oder politisch motiviert sehen!

    • @Stefan Mustermann:

      Das Recht erkennt jedoch das Recht des Eigentums auch bei Unternehmen an. Im Übrigen gilt die Mietpreisbremse auch für Vermierter in Gestalt natürlicher Personen.

       

      Am Ende wir des BVerfG entscheiden müssen. Da das Gesetz noch nicht mal zur Überprüfung vorgelegt worden ist, wird es wohl ne eine Weile dauern.

  • Erst das Zweckentfremdungsgesetz, jetzt die Mietpreisbremse.

  • „Trotz seiner Ansicht, dass die Regelung der Mietpreisbremse verfassungswidrig ist, hat das Landgericht Berlin darauf verzichtet, den Fall auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Als Grund wurde angeführt...“

     

    Seltsam, dass das kurz vor der Bundestagswahl geschieht. Ob das ein politisch motiviertes Urteil war? Und trotzt des Einwandes oder Vorwandes vom Richter in Bezug auf die erste Instanz, seltsam ist es, dass der Fall nicht an das Bundesverfassungsgericht weiter geleitet wurde. Denn es heißt im Art. 1 GG, Abs. 3:

     

    „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und RECHTSPRECHUNG als unmittelbar geltendes Recht“.

    https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01/245122

     

    Und nur das Bundesverfassungsgericht ist dafür zuständig, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden.

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Wichtige-Verfahrensarten/Konkrete-Normenkontrolle/konkrete-normenkontrolle_node.html

    • @Stefan Mustermann:

      Steht doch im Artikel, wenn auch nicht ausführlich: Auf § 556d BGB kam es in der Entscheidung gar nicht an. Es handelt sich also um ein "obiter dictum".

       

      Die Klägerin hatte mit der Mietpreisbremse argumentiert. Das Gericht hat entschieden, dass kein Verstoß gegen § 556d BGB vorlag, zugleich aber ausgeführt, dass selbst bei einem Verstoß gegen § 556d BGB das auch nicht helfe, da nach Ansicht der Gerichts verfassungswidrig. Dann hätte das Gericht auch nach Art. 100 GG ausgesetzt.

      • @Trango:

        Nur weils Sie auch die angebliche Verfassungswidrigkeit ansprechen....

         

        Was meinen Sie, wie viele Studenten im 1 Semester an einer Uni bei einer Klausur geschrieben hätten, dass die Mietpreisbremse verfassungswidrig ist.

         

        Ich meine, wenn alle Studenten sehr gut aufgepasst hätten und ausgeschlafen zur Klausur gekommen wären... Nur die hätten die Mietpreisbremse als verfassungswidrig angekreuzt, die bei der Klausur anschließend durchgefallen wären!

         

        Was würde nun Sherlock Holmes sagen?

         

        Dass der Richter einen groben Fehler gemacht hat oder dass er aus politischen Motivation seine Anmerkung öffentlich machte, oder dass er persönliches Interesse an einer Vermieterfreundlichen Politik hat oder braucht er eine Weiterbildung im Verfassungsrecht?

         

        Bestimmt wird dieser Fall an einigen Unis bearbeitet. Und da geht es so zur Sache, dass ein Professor böse Bemerkungen zur Qualifikation des Richters machen kann .... Schreibt niemals ab und lernt gut, damit nicht über Sie jemand jemals lacht, wie wir jetzt hier im Hörsaal alle lachen!!!

  • Zuletzt wurde die Hauptstadt auch im Armutsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 2017 zusammen mit dem Ruhrgebiet als eine "armutspolitische Problemregion Deutschlands" identifiziert: Hier gibt es zu wenige Sozialwohnungen, zu teure Mieten, geringe Löhne. In der Hauptstadt existieren unter unmenschlichen Bedingungen die meisten Obdachlosen.

     

    Hat der Richter das berücksichtigt?

     

    Warum wird immer wieder der Zusammenhalt in der Gesellschaft in Frage gestellt?

     

    Unter anderem weil es immer wieder Schlaumeier gibt, die entgegen dem Sozialstaatsprinzip urteilen!

  • Dies werde weder durch den Gesetzeszweck, noch durch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile oder sonstige Sachgründe gerechtfertigt, heißt es weiter in der Urteilsbegründung. So seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens „die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern“ nicht erhoben worden.

    Es gebe somit auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, „in höherpreisigen Mietmärkten wie München“ erheblich besser gestellt sind als die gleichen Zielgruppen in Berlin.“

     

    Beides stimmt nicht so, wie es vom Richter ausgesprochen wurde. Aber es gibt doch unterschiedliche Auswertungen nach Bundesländern. Folglich nur ein Beispiel. Hoffentlich hat der Richter berücksichtigt, wie der Mietspiegel funktioniert und wie die Mieten steigen ...

     

    Einkommen und Kaltmieten in den Bundesländern

     

    Nach Abzug der Kaltmiete vom Nettoeinkommen beleibt es zum Leben für Menschen in Berlin im Bundesweiten Vergleich am wenigsten!!!

    https://www.immonet.de/service/fileadmin/presse/presseservice/2014/140917_Immonet_Grafik_Miete_Einkommen.pdf

    https://www.immonet.de/service/studie-mietanteil.html

     

    Statistik aus 2014. Die Mietpreisbremse in Berlin wurde kurz darauf in 2015 eingeführt. Also gibt es Erhebungen. Das hier ist nur 1 Beispiel.

  • Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten „wesentlich ungleich treffe“.

     

    „wesentlich“ ist nur eine Einschätzung. Dafür gibt es keine Erhebungen, um das objektiv fest zu stellen. Dieser Begriff ist einfach aus der Luft gegriffen. „Wesentlich“ könnte eher heißen, dass die Unterschiede in einzigen Bundesländern im Vergleich zu anderen Vermieter zur Geschäftsaufgabe oder in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen würden. Und das ist nicht der Fall.

  • Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten „wesentlich ungleich treffe“.

     

    Dieser Argument ist nichts anderes als nur heiße Luft!

     

    Denn die Mieten und die Lohnen sind je nach Bundesland unterschiedlich! Darauf muss die Mietpreisbremse ansetzen – sowohl absolut (in Euro Beträgen) als auch relativ (in % Sätzen).

  • Das Wohngeld ist ja nach Bundesland auch unterschiedlich hoch! Und da hat kein Gericht geurteilt, dass das verfassungswidrig sein soll. Und der Sachverhalt der Regelung zum Wohngeld ist mit der Regelung zur Mietpreisbremse ähnlich dem Grunde nach!

    http://www.wohngeld.org/mietstufe.html

  • Die Zuständigkeit zu entscheiden, was verfassungswidrig ist, liegt beim Bundesverfassungsgericht und nicht beim Landgericht!

    • @Stefan Mustermann:

      Diese Tatsache wird von niemandem bestritten. Das Landgericht hätte den Fall dem BVervG vorlegen müssen, wenn es entscheidungserheblich gewesen wäre.