Einsatz für Geflüchtete auf Lesbos: Humanitäre Lösung gefordert
Berlin will mehr Geflüchtete aus Moria aufnehmen. Der Senat soll rechtliche Spielräume nutzen, die keiner Zustimmung durch den Innenminister bedürfen.
Der Senat solle Seehofer erneut um Zustimmung für das Berliner Landesprogramm bitten, „zusätzlich begründet mit der sich verschärft habenden humanitären Notlage und der Gefahr für Leib und Leben durch die Corona-Pandemie“, heißt es im Antrag. Er kam kurzfristig auf die Tagesordnung und wurde vom Abgeordnetenhaus am frühen Abend beschlossen.
Seit Monaten verweigert Seehofer die Zustimmung für Landesaufnahmeprogramme, die Berlin ebenso wie Thüringen für Geflüchtete von den griechischen Inseln beschlossen haben. Berlin würde auf diese Weise gerne 300 Menschen aufnehmen, vorzugsweise Kinder und Mütter. Nach dem Brand in Moria haben sich andere Bundesländer und zahlreiche Kommunen ebenfalls bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen. Doch der Bundesinnenminister bleibt hart.
Die 1.500 Menschen, die die Bundesregierung nach zähem Ringen nun trotzdem aufnehmen will, seien „ein begrüßenswerter Schritt“, heißt es im Antrag – doch Rot-Rot-Grün will mehr. Die Koalition greift daher auch Vorschläge auf, die der Republikanische Anwaltsverein vorige Woche unterbreitete, um rechtliche Spielräume zu nutzen. Dazu gehört die Aufnahme besonders dringlicher humanitärer Einzelfälle nach Paragraf 22 Aufenthaltsgesetz, für die Berlin Seehofers Zustimmung nicht benötigen würde.
Dazu gehört auch die Erleichterung von Familienzusammenführungen. Es sei „zu prüfen“, heißt es etwas vage im Antrag, „ob auf eine Feststellung, dass die hier bereits lebenden Angehörigen den Lebensunterhalt nachziehender Geflüchteter aus Moria sichern können, unter den gegebenen Umständen und der atypischen Situation der Coronapandemie verzichtet werden kann“. Das Landeseinwanderungsamt „wird gebeten“, Vorab-Einverständniserklärungen für die Visa-Erteilung der Betreffenden zu erteilen.
Katina Schubert, Linkspartei
Grüne und Linke nutzen die Gelegenheit für deutliche Worte in Richtung Seehofer. Bettina Jarasch, grüne Sprecherin für Integration und Flucht, sagte: „Wenn Innenminister Seehofer guter Christ und guter Europäer sein will, muss er sofort mehr Menschen nach Deutschland holen – wenigstens so viele, wie die Länder sich längst bereit erklärt haben aufzunehmen.“ Auch Katina Schubert, Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Linksfraktion, forderte, „Seehofer muss seine Blockade der aufnahmebereiten Städte, Länder und Gemeinden beenden.“
Innensenator Andreas Geisel (SPD) schrieb es am Donnerstag im Abgeordnetenhaus auch ein bisschen seiner Reise nach Athen zu, dass nun deutlich mehr Flüchtlinge von Moria nach Deutschland evakuiert werden sollen. Als er am Montag losgeflogen sei, sei die geplante Zahl 150 gewesen; als er wieder gekommen sei, hatte sie sich verzehnfacht, so Geisel auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Kurt Wansner.
Wansner hatte wissen wollen, welche Verträge Geisel in Athen abgeschlossen habe. „Keine“, erwiderte Geisel. Die Reise nach Athen war nach seinen Angaben schon länger geplant und vorbereitet. Geisel warnte auch davor, über die Köpfe der Griechen hinweg zu diskutieren – „die haben nämlich eine Regierung“.
Am Freitag wird Geisel im Bundesrat zum Thema sprechen. Rot-Rot-Grün will erneut einen Antrag einbringen, Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes so zu ändern, dass eine Zustimmung des Innenministers für die aktuell diskutierten Landesprogramme nicht mehr nötig ist. Dass die Länderkammer dafür stimmt, ist jedoch unwahrscheinlich. Und im Bundestag sind CDU/CSU und SPD dagegen. September 2019 war der Antrag schon einmal gescheitert.
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