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Einreiseverbot wegen Zensur-VorwurfWer und was steckt hinter HateAid?

Die Geschäftsführerinnen der Anti-Hate-Speech-Organisation HateAid dürfen nicht mehr in die USA einreisen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall.

HateAid wurde 2018 gegründet, um Betroffene von Hassrede im Netz psychologisch und rechtlich zu unterstützen Foto: Marcus Brandt/dpa

„Es gibt ein Recht auf freie Meinung. Aber keins auf Hass“, so beginnt die Organistation HateAid ihren Profiltext auf der Social-Media-Plattform Instagram.

Die beiden Geschäftsführerinnen der Organisation, Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon, wurden nun von der US-Regierung als „radikale Aktivisten“ eingestuft und mit einer Einreisesperre belegt. Die Trump-Administration wirft ihnen „Zensur“ im Internet vor.

Worum geht es bei dem Vorwuf genau und was ist HateAid für eine Organisation? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was genau macht HateAid?

HateAid wurde 2018 gegründet, um Betroffene von Hassrede im Netz psychologisch und rechtlich zu unterstützen. Konkret bietet HateAid Betroffenen eine emotional stabilisierende Erstberatung an. Bei Bedarf gibt es weitere spezifische Beratungen, in Ausnahmen auch Prozesshilfe.

Weitere Tätigkeitsfelder der Organisation sind Aufklärungsarbeit, Monitoring und politische Lobbyarbeit.

Laut eigenen Angaben hat HateAid mittlerweile über 50 Mitarbeiter:innen.

Gibt es ein Beispiel, in dem HateAid tätig geworden ist?

HateAid hat bereits zahlreiche prominente Opfer von Hassrede unterstützt: zum Beispiel die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die Grünen-Politikerin Renate Künast, die ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann.

Wie finanziert sich HateAid?

HateAid finanziert sich durch eine Mischung von privaten und öffentlichen Förderungen, außerdem durch Spenden und in Prozessen erstrittenen Schadenersatzansprüchen.

Im Jahr 2024 nahm die Organisation rund 5,8 Millionen Euro ein. 52,4 Prozent der Einnahmen stammten aus privater Förderung, 22,1 Prozent von öffentlichen Geldern (die ausschließlich für Betroffenenberatung eingesetzt werden), 21,8 Prozent durch freie Spenden und 3,1 Prozent aus sonstigen Quellen, wie Einnahmen aus einer Prozessführung.

Die drei größten Geldgeber sind die Alfred Landecker Foundation, die Stiftung der Unternehmerfamilie Reimann zur Holocaust-Aufklärung; außerdem das Bundesjustiz- und das Bundesfamilienministerium.

Wem gehört HateAid?

HateAid ist eine gemeinnützige GmbH. Die Gesellschafter sind laut ihrem Transparenzbericht die Online-Campaigning-Organisation Campact e.V., Fearless Democracy e.V., der gegen Hass und Hetze im Netz gründet wurde, und Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg. Sie halten alle je rund ein Drittel der Anteile: 33,32 Prozent, 33,34 Prozent und 33,34 Prozent.

HateAid bezeichnet sich selbst als unabhängig und überparteilich, aber als „nicht neutral“. „Wir stellen uns entschieden gegen alle, die Menschenrechte verletzen und unsere Demokratie schädigen“, schreibt die Organisation auf ihrer Webseite.

Im HateAid-Beirat ist beispielsweise die ehemalige Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Nadine Schön vertreten, außerdem die ehemalige Grünen-Bundestagsabordnete Renate Künast sowie Brigitte Zypries, ehemalige SPD-Justizministerin.

Auch Udo Di Fabio, ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter, der von CDU vorgeschlagen wurde, ist Mitglied des Beirats.

Warum ist ausgerechnet HateAid ins Visier der Trump-Regierung geraten?

Hintergrund ist der Konflikt zwischen den USA und der EU wegen des Digital Services Act (DSA), einem EU-Regelwerk, wonach Plattformen unter anderem verpflichtet werden, gegen illegale Inhalte – wie Hassrede – vorzugehen.

Die US-Regierung wirft Brüssel und HateAid vor, die Redefreiheit einzuschränken und Zensur zu betreiben.

So wurde auch der ehemalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industriepolitik, Thierry Breton, mit einem Einreiseverbot belegt. Zu seiner Amtszeit war er federführend für den DSA verantwortlich.

Wie reagiert die Politik auf das Einreiseverbot?

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) verurteilte das Vorgehen der US-Regierung als „nicht akzeptabel“. Auf der Plattform X betonte er, die Arbeit von HateAid stütze sich auf den DSA, der „von der EU für die EU demokratisch beschlossen“ worden sei und sicherstelle, dass alles, was offline illegal ist, es auch online sei.

Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte, die HateAid-Geschäftsführerinnen Ballon und von Hodenberg „haben unsere Unterstützung und Solidarität“. Die Organisation leiste einen „wichtigen Beitrag dazu, dass Persönlichkeitsrechte auch im digitalen Raum geschützt werden“. Wenn Betroffene von Hassrede schutzlos blieben, „dann ist der demokratische Diskurs nicht frei“.

Ballon und von Hodenberg forderten in einer Stellungnahme „ein klares Signal, dass das Einreiseverbot nicht hinnehmbar ist. Ansonsten wird sich keine zivilgesellschaftliche Organisation, keine Politikerin, keine Forschende und erst recht keine Einzelperson in der Zukunft trauen, Missstände bei US-Tech-Konzernen anzuprangern.“

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