Einheitsknete: Euro schlappt Handel
■ Beschäftigte fahren bis zu 300 Überstunden / Weiter C & A-Rabatte
Der europäische Rubel rollt und rollt und rollt. Immer mehr zahlen mit der neuen Einheitsknete. Binnen einer Woche werde die gute alte D-Mark beim Shoppen keine Rolle mehr spielen, gestern sollen bereits 75 Prozent aller Geschäfte im Euro abgewickelt worden sein, sagen Experten.
König Kunde scheint begeistert vom neuen Geld, die Angestellten nicht nur im Bremer Einzelhandel stöhnen jedoch über massive Mehrbelastungen. „Bei Aldi, Schlecker, Minimal und anderen Filialisten hat sich die Zahl der Überstunden wegen des Euro drastisch erhöht“, klagt Richard Schmid, bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für den Handel zuständig. Vor allem die Teilzeitbeschäftigten seien betroffen – in Bremen gibt es derzeit rund 10.000 Angestellte mit Stundenverträgen, schätzt Verdi-Mann Schmid: „In den vergangenen Monaten haben sie in Einzelfällen bis zu 300 Überstunden angesammelt.“
Situation dramatisch
Viele Angestellten seien durch die Euro-Umstellung völlig ausgelaugt. Freizeitausgleich werde wegen knapper Personaldecke in den wenigsten Fällen gewährt. Die Situation sei dramatisch. Schmid: „Aus Angst, den Job zu verlieren, sagen die wenigsten ,Nein', wenn der Chef fragt, ob sie morgen nicht auch noch kommen können.“
Auch die geforderte ständige Verfügbarkeit führe zu unerträglichen Belastungen. „Die Leute haben es sich nicht ausgesucht, 20 Stunden oder mehr zu arbeiten und 60 Stunden zur Verfügung zu stehen“, kritisierte Schmid. Verdi fordert Neueinstellungen. Oder wenigstens, „den Teilzeitbeschäftigten endlich angemessene Verträge anzubieten: beispielsweise 20-Stunden-Verträge auf 30 auszuweiten“, betonte der Gewerkschafter.
Beinharter Wettbewerb
„Wenn der Bedarf nicht da ist, wird das keine Firma machen“, entgegnet Wolfgang Brakhane vom Einzelhandelsverband Nordsee. Damit meint er einerseits die derzeit nicht gerade überschäumende Konsumfreude, andererseits den beinharten Wettbewerb und die geringen Margen, die die Branche derzeit eher zu Rationalisierung als zu neuen Einstellungen drängen.
Mehrbelastungen für die KassiererInnen habe es höchstens bei den Klein- und Mittelständlern gegeben, betonte Brakhane. „Die Großen können das viel besser kompensieren“, sagte Brakhane. „Wenn Überstunden angefallen sind, dann doch nur, um dem Kunden die Währungsumstellung zu erleichtern“.
Schnäppchenpreise locken
Außerdem sei es seltsam, dass die Gewerkschaften sich über Mehrarbeit beschwerten. „Die Betriebsräte müssen doch jede Überstunde genehmigen“, betonte Brakhane. Außerdem müsse laut Betriebsverfassungsgesetz das Arbeitszeitkonto binnen 26 Wochen wieder auf Null gefahren werden.
Indessen versucht der Handel weiter, mit Schnäppchenpreisen zur Währungsumstellung neue Marktanteile zu gewinnen. Der 20-prozentige Rabatt auf alle Käufe bei Kartenzahlung, den ein Gericht am Donnerstag der Klamottenkette C & A verboten hatte, wird noch bis Samstag mit anderen Mitteln fortgesetzt.
„Wir geben jetzt allen Kunden 20 Prozent Rabatt“, sagte Georg Leder, Geschäftsführer von C & A in Bremen. Bei der aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verbotenen Aktion der ersten Euro-Tage hätten allein bei der Bremer Filiale „ein Drittel bis die Hälfte aller Kunden mit Karte bezahlt“, freute sich der C & A-Mann.
Kai Schöneberg
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