Einfluss von Stiftern an der Uni Mainz: Späte Kehrtwende
150 Millionen Euro Förderung kassiert die Uni Mainz von der Boehringer Ingelheim Stiftung. Nun ist klar, welche Rechte sie im Gegenzug gewährt.
Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Nicht nur geht es um die größte private Spende an eine Hochschule in der Geschichte der Bundesrepublik – insgesamt 150 Millionen Euro. Sondern auch um einen der wenigen Fälle, in denen Details aus den entsprechenden Verträgen bekannt geworden sind.
Die zeigen – ähnlich der 2011 geleakten Kooperationsverträge zweier Berliner Universitäten mit der Deutschen Bank –, wie gravierend die lange geleugnete Einflussnahme ist. In dem Vertrag über die erste Schenkung über 100 Millionen Euro, mit der die Uni Mainz das Institut für Molekulare Biologie (IMB) aufbaute, sichert sich die Boehringer Ingelheim Stiftung ein Vetorecht bei Personalentscheidungen. Wer dort forschen oder leiten darf, bestimmt im schlimmsten Fall nicht die Hochschule, sondern der Geldgeber. Jede Personalentscheidung – vom Lehrstuhl bis zur Geschäftsführung – bedarf der Zustimmung der Stiftung.
Ein klarer Verstoß gegen das Hochschulgesetz von Rheinland-Pfalz, sagt Rechtsanwalt Carl Christian Müller, der vor dem Verwaltungsgericht Mainz die Einsichtnahme der Verträge für Journalisten erzwungen hat: „Die Zustimmungspflicht in Bezug auf die Berufungsvereinbarung stellt de facto ein unzulässiges Vetorecht der Stiftung dar.“ Im April hatte das Gericht über der Klage des SWR-Reportes Thomas Leif stattgegeben. Der sah sich benachteiligt, weil die Hochschule zuvor nur ausgewählten Journalisten, darunter der taz, Einblick in die Kooperationsverträge gewährt hatte – ohne dabei aus den Unterlagen zu zitieren. Als Leif daraufhin anfragte, lehnte die Uni ab.
Kritik von Hochschulverband
Dementsprechend euphorisch äußerten sich Journalistenverbände am Montag darüber, dass die Hochschule die Verträge offenlegte. Auch die Wissenschaft positionierte sich, wenn auch zurückhaltender: „Verträge, die die Forschungszusammenarbeit mit einem Unternehmen regeln, müssen sicherstellen, dass die Hochschulen die letzte Entscheidung haben über Methodenwahl, Publikationsverfahren und Personalbesetzungen“, sagt Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Deutlich kritischer klingt der Deutsche Hochschulverband: „Bei Berufungen darf der Stifter weder am Verhandlungstisch sitzen noch ein Mitspracherecht in den Verhandlungen in Anspruch nehmen.“ Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung müssten nun, forderte der Verband, im Sinne der Wissenschaft ausgeräumt werden. Zudem müsse die Hochschule den Kooperationsvertrag der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Das Ministerium schweigt
Ob die Hochschule der Forderung nachkommt, ist noch nicht klar: Uni-Präsident Krausch sagte der taz, die Hochschule müsse das weitere Vorgehen mit der Boehringer Ingelheim Stiftung absprechen. Die Hochschulgremien sollten einen Rahmenkodex zur Einwerbung privater Mittel beschließen.
Sollten die Verträge öffentlich werden, käme eine Studentin der Universität Mainz zu ihrem späten Recht. Im September 2014 wollte sie die Verträge einsehen. Die Hochschule jedoch wehrte das Einsichtsgesuch ab mit der Begründung, Forschung und Lehre seien von der Informationspflicht ausgenommen. Der Schutz der Geheimhaltungsklauseln im Vertrag wiege höher als das öffentliche Interesse am Vertragsinhalt. Die Studentin hätte vor Gericht ziehen müssen, um die Hochschule zur Vertragseinsicht zu zwingen. Darauf verzichtete sie. In einem ähnlichen Fall in Nordrhein-Westfalen entschieden die Gerichte, dass die Uni Köln einen Vertrag mit dem Pharmakonzern Bayer nicht öffentlich machen muss.
Unklar ist nun, wie das rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerium mit den nun bekannten Vertragsdetails aus Mainz umgeht. Im Mai – bevor sich der Verdacht der Einflussnahme erhärtete – stellte es auf eine Anfrage des Portals „Frag den Staat“ klar, dass es „keinen Anlass“ hat, die zwischen der Boehringer Ingelheim Stiftung und der Uni Mainz vereinbarte Berufungspraxis „in Zweifel zu ziehen“. Das dürfte sich am Montag geändert haben. Bis Redaktionsschluss konnte sich das Ministerium nicht zu den Konsequenzen der unlauteren Vertragsdetails äußern.
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