Eines von 150 PMS-Symptomen: Wenn unser Körper zum Prepper wird
Bei Mastodynie schmerzen die Brüste. Bei manchen spannt es nur, bei anderen ist bei jeder Bewegung Apokalypse. Und einige nennen es Busenweh.
E s ist 1995, ich bin elf Jahre alt und stopfe mir ein Paar Socken links und ein paar Socken rechts in den Bustier, um die Wohnung zum Shoppen zu verlassen. Mein Ziel: C & A, sogenannte Girlie-Shirts liegen gerade voll im Trend und den will ich mitmachen. Ich kaufe ein hellblaues bauchfreies Shirt mit einem rosa Herzen in der Mitte. Vor dem Spiegel nochmal die Socken gerichtet, jawohl, ich sehe aus wie ein Teenie.
Unter den Socken befinden sich zwei Hügel, so klein, als wären sie von Miniaturmaulwürfen aufgeworfen worden. Was hätte ich nicht alles für zwei richtige Maulwurfshügel gegeben. Dieser Wunsch lässt sich nur mit der Unvernunft der Jugend erklären. Denn, ich hatte ja nicht die leiseste Ahnung, welch Pein mir diese Hügelchen noch bescheren sollten.
Eines der über 150 (!) bisher bekannten PMS-Symptome nennt sich Mastodynie. Mastodynie ist das Symptom, bei dem die Brüste schmerzen, weswegen es wohl auch einfach Busenweh genannt wird. Busenweh. Wer, außer Tante Gertrud, sagt denn heutzutage noch Busen? Egal.
Wem wir dieses Symptom zu verdanken haben, erkläre ich euch jetzt. Vorab möchte ich an dieser Stelle allen Menschen, die ein Medizinstudium durchlaufen haben, meine Hochachtung aussprechen, denn das ist alles ganz schön kompliziert. Also: Ein Überschuss an Prolaktin sorgt für ein Ungleichgewicht zwischen Östrogen und Progesteron. Östrogen dominiert, Busen tut weh.
Alles klar? Ich denke nicht. Also noch mal: Üblicherweise, wenn nicht grad zyklischer Weltuntergang ist, befinden sich die Hormone Progesteron und Östrogen in einer gleichberechtigen Beziehung miteinander. Während des zyklischen Weltuntergangs aber meint das Hormon Prolaktin, sich in diese Beziehung einmischen zu müssen.
Intensive Schmerzen
Es hemmt die Progesteron-Bildung, das Östrogen dominiert. Östrogen regt zum einen das Wachstum des Brustgewebes an und sorgt außerdem dafür, dass sich Wasser einlagert. Nicht nur im Busen. Unser Körper wird zum Prepper und wir, wir können für diese Vorratshaltung mit Schmerzen bezahlen.
Mit Schmerzen von unterschiedlicher Intensität. Manche Menschen mit Busenweh haben Glück und nicht mehr als ein wenig Spannen im Busen zu vermelden. Bei anderen wiederum fühlt sich der Busen beinah entzündet an. Dann kann schon das Anziehen eines BHs so unangenehm sein, wie mit der Zunge über eine entzündete Stelle im Zahnfleisch zu streichen.
Seitenschläfer*innen mit extremem Busenweh lernen ihren Rücken als Liegefläche wieder zu schätzen, und an Sex mit Brustberührung möchte nicht mal gedacht werden. Wir haben es nicht verdient!
Übrigens solltet ihr eure Brust in dieser Zeit besser nicht abtasten. Denn es kann vorkommen, dass sich das Gewebe knotig anfühlt und den Schreck könnt ihr euch ersparen, indem ihr das Vorsorgetasten erst nach der Periode wieder aufnehmt.
Als alter Hase im zyklischen Leiden kann und möchte ich euch auch mal Mut zusprechen. Innerhalb der letzten ein, zwei Jahre nämlich, da ist es bei mir besser geworden mit dem Busenweh. Ich kann nicht aufhören, Busen zu schreiben. Busen Busen Busen. Recherchen zufolge entspringt das Wort Busen der indogermanischen Verbwurzel bheu und dies wiederum bedeutet anschwellen, aufquellen, blasen. Aha! Die Geister, die ich 1995 rief!
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