Eine irakische Familie in Berlin: Sie wollen nicht mehr zurück
Die al-Sayeds flohen vor mordenden Milizen. Durch die Hilfe von Nachbarn kamen sie gut in Berlin an. Die Kinder fühlen sich hier zuhause.
Die al-Sayeds hatten Glück: Im Frühjahr 2016 richteten ihnen Nachbarn eines gepflegten Altbauquartiers in der Berliner Innenstadt eine Wohnung her. Sie konnten aus der Massenunterkunft im Kongresszentrum ausziehen. Die Nachbarn kümmerten sich, halfen mit den Papieren, luden sie zum Essen ein. Die Mutter war damals schwanger, Vater Feres besuchte einen Sprachkurs. Gute Startbedingungen für ein Leben in Deutschland.
Seitdem hat sich einiges getan: Amjed ging bald in die Kita, ebenso sein kleiner Bruder. Das dritte Kind kam im Herbst 2016 auf die Welt. Die al-Sayeds leben heute mit ihren drei Söhnen in zwei Zimmern. Sie sind glücklich mit ihren Kindern, aber eng und laut ist es trotzdem manchmal. „Drei Jungen, puh“, sagt Alya und lacht. In Bagdad hat ihre Mutter geholfen, hier ist sie viel mit den Kindern allein.
Auch eine Aufenthaltsgenehmigung haben die al-Sayeds inzwischen. Das ist wichtig, denn zurück wollen sie nicht. Sie hätten im Irak Angst um ihr Leben.
Die al-Sayeds sind Sunniten. Der Großvater, Feres’Vater, war General in der Armee Saddam Husseins. Feres sagt, er selbst habe nie etwas damit zu tun haben wollen. „Saddam Hussein war ein Diktator.“
Zuhause hier und dort
Feinde hatte die Familie trotzdem. Sie lebten in einem großen Haus mit Garten, im Juli 2015 seien schiitische Milizen bei ihnen eingedrungen. „Sie waren bekannt dafür, alle zu ermorden“, sagt Feres. Ein befreundeter Schiite, ein einflussreicher Mann in Bagdad, rettete die Familie. Danach verließen die al-Sayeds das Land. Sie flogen in die Türkei, eine Yacht brachte sie nach Griechenland. Auf dem Weg nach Deutschland schliefen sie in Zügen und Hotels. So erzählt es das Paar.
Keine Frage: Aus dem Irak sind die al-Sayeds größeren Wohlstand gewöhnt. Feres war in Bagdad Elektroingenieur, er will auch in Berlin möglichst bald wieder arbeiten. Aber bislang reichen seine Deutschkenntnisse nicht aus. Den ersten Sprachkurs hat er geschafft. Der zweite Kurs, der noch einige Monate läuft, sei viel schwerer, wegen der vielen Vokabeln. Eine Nachbarin, die die Familie unterstützt, sagt: „Vielleicht können wir ihm danach ein Praktikum organisieren, damit er noch besser Deutsch lernt.“
Wenn sich die Nachbarin mit den al-Sayeds nicht richtig verständigen kann, springt inzwischen Amjed als Übersetzer ein. Für die Kinder ist das Ankommen deutlich leichter als für die Eltern. Sie wachsen als Berliner auf und werden den Irak vor allem aus Geschichten kennenlernen. Für die Eltern ist Bagdad ihr Zuhause. Der Ort, an dem nach wie vor ein Teil ihrer Familien lebt. An dem sie jemand waren.
Eine weitere Herausforderung steht den al-Sayeds noch bevor. Sie haben nur einen befristeten Mietvertrag, im Frühjahr 2018 müssen sie voraussichtlich ausziehen. Bezahlbare Wohnungen bekommt man im begehrten Innenstadtviertel so gut wie keine mehr. Wenn sie an den Stadtrand ziehen müssten, wäre das ein harter Schlag für die Familie, vor allem auch für die Kinder. Die Nachbarin sagt: „Jetzt kann ich einfach so bei ihnen vorbeigehen.“ Sollten die al-Sayeds wegziehen, müsste sie sich mit ihnen verabreden. Sie ist sich sicher: „Natürlich halten wir Kontakt.“
*Alle Namen wurden geändert
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