piwik no script img

Eine bunte Flora hilft der Fauna

Landwirtschaft mit Monokulturen und synthetischen Pflanzenschutzmitteln bedroht Bienen und andere Insekten. Hier ist die Politik gefragt. Im Garten wiederum sollte man das ganze Farbspektrum säen

In jedem Garten ein Heim für bedrohte Arten: Check-in im Hotel für Wildbienen Foto: U. Schwenk / blickwinkel/McPHOTO/ picture alliance

Von Cordula Rode

Auf die Etablierung manch sprachlicher Begriffe würde man lieber verzichten – „Bienensterben“ gehört ganz sicher dazu. Seit vielen Jahren wird ein alarmierender Rückgang der Bienenpopulationen beobachtet. Dies führte unter anderem dazu, dass sich die Zahl der Hob­by­im­ke­r:in­nen in den letzten Jahren vervielfacht hat. Diese durchaus begrüßenswerte Entwicklung geht aber am eigentlichen Problem vorbei.

Nicht die Honigbienen, sondern in erster Linie die Wildbienen sind betroffen. Und: Die Biene ist nur eine Art „Wappentier“ für das allgemeine Artensterben. Dies liegt wohl daran, dass kaum ein anderes Insekt so eng mit dem Leben des Menschen verbunden ist. Deshalb wurden ihre Warnsignale als erste bemerkt.

Das Rote-Liste-Zentrum nennt alarmierende Zahlen: 48 Prozent der bewerteten Bienenarten gelten als bestandsgefährdet oder schon ausgestorben. Nur etwa 37 Prozent gelten als ungefährdet. Die Gründe für den Rückgang der Wildinsekten sind leider vielfältig. Der Hochleistungsackerbau verwandelt die Felder in eine Art Steppe: Gab es früher in den Äckern und an den Rainen – gehölzfreie, schma­le Streifen zwischen Kulturflächen – noch eine farbenfrohe Vielfalt an Wildblumen, so findet man diese inzwischen kaum noch.

Und nicht nur die Nahrung wird knapp – auch die Nistplätze fehlen oft. Im Gegensatz zu Honigbienen leben die meisten Wildbienen nicht in einem Staat, sondern sind quasi Einzelgänger. Sie suchen sich ihre Nistplätze in Erdlöchern, an Böschungen oder Steilwänden, „mörteln“ ihre Nester an Felsen oder nutzen alte Fraßgänge von Käfern in morschem Holz, hohle Pflanzenstängel oder verlassene Schneckenhäuser.

Diese Strukturen aber werden immer seltener. Zudem verschwinden immer mehr Freiflächen unter Beton und lassen die Lebensräume der Wildbienen und anderer Insekten ständig schrumpfen.

Eines der größten Probleme sind Ackergifte. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Bayern nennt auf seiner Website als besonders gefährliche Insektizide die Neonicotinoide und das berüchtigte Glyphosat, die bei Insekten dramatische Schäden am Nervensystem hervorrufen.

Längst sind diese Probleme auch in der Politik angekommen. 2019 beschloss das Bundeskabinett das „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Die Rettung von Biotopen und die strengere Regelung von Pestizid­einsätzen sind wesentliche Punkte des Programms.

Trotz klarer gesetzlicher Regelungen zur bienenschonenden Anwendung von sogenannten Pflanzenschutzmitteln durch die Bienenschutzverordnung kommt es immer wieder zu Bienenvergiftungen. Das Julius-Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, unterhält eine eigene Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen (UBieV).

Dort können sich Im­ke­r:in­nen melden, die den Verdacht auf eine Vergiftung ihrer Tiere durch Pflanzenschutzmittel vermuten.

Nicht nur die Nahrung wird für Wildbienen knapp, auch die Nistplätze fehlen oft

Den Wildbienen, die keine Lobby haben, nutzt das leider wenig. „Die Honigbienen sind quasi verhätschelte Haustiere, die optimal versorgt werden“, erklärt Klaus Mandery. „Ihre wilden Verwandten haben es ungleich schwerer.“ Der Biogeograf ist seit vielen Jahren ehrenamtlich für den BUND in Bayern tätig und Vorsitzender des Instituts für Biodiversitätsinformation (IfBI).

Er weiß zudem, dass die Probleme nicht nur Bienen betreffen: „Bienen sind nicht die einzigen Bestäuber, auch Schmetterlinge, Nachtfalter, Käfer und andere Insekten spielen da eine Rolle.“ Und sie alle sind vom Artensterben betroffen.

Der Thünen-Report, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN), kam 2019 zu dem Ergebnis, dass positive Effekte des ökologischen Landbaus auf die Biodiversität eindeutig belegbar seien.

Nicht jeder Landwirt aber kann auf ökologischen Landbau umsteigen. Klaus Mandery hält dies auch nicht für zwingend erforderlich: „Auch in der konventionellen Landwirtschaft gibt es viele Möglichkeiten, die Artenvielfalt zu erhalten.“ Neben dem Verzicht auf Pestizide sieht er als dringlichste Aufgabe die Umstrukturierung der Agrarlandschaft.

Der Weltbienentag

Die Bedeutung von Bienen als Bestäuber für Biodiversität und Ernährungssicherheit ist elementar für die Menschheit. Die Vereinten Nationen haben deshalb im Jahr 2018 den 20. Mai als World Bee Day ausgerufen. Das Datum bezieht sich auf Anton Janša,der als Pionier der modernen Imkerei gilt. Er wurde 1734 an diesem Tag geboren. Neben der Honigbiene existieren weltweit etwa 30.000 Wildbienenarten. Davon leben in Deutschland mehrere hundert Arten, fast die Hälfte gilt als bedroht. Mehr über den Weltbienentag, über Bienen und was wir für sie tun können, findet man unter anderem auf: www.weltbienentag.de

Wichtig, so Mandery, seien hierbei unter anderem die Vielfalt der Pflanzen und die Schaffung verloren gegangener Lebensräume wie Raine und Hecken. Auch bringe es schon sehr viel Nutzen, Wegränder nicht ständig zu mähen. Nicht nur Landwirte sind da gefragt – auch Privatpersonen können viel für den Artenerhalt tun. Den gängigen Ratschlag, nur heimische Pflanzen anzubauen, hält der Biologe nicht für zwingend notwendig.

Mandery hat einen Tipp, der im ersten Moment erstaunt: „Wählen Sie möglichst Pflanzen mit Blüten aus dem gesamten Farbspektrum.“ Es gebe Insekten, die nur Blüten einer bestimmten Farbe wählen. Hier ist also bunte Vielfalt im wahrsten Sinne des Wortes gefragt.

„Am seltensten sind blaue Blüten“, erklärt der Biogeograf. Eine gute Lösung sind Glockenblumen, die nicht nur Nektar, sondern noch mehr zu bieten haben: „Glockenblumen sind beliebte Schlafplätze für Insekten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen