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Eine Oase mitten im KapitalismusDas Mosaik leuchtet wieder

Nach 25 Jahren Verfall ist ein denkmalgeschützter Brunnen hinter dem ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude restauriert. Der Park dort ist ein Geheimtipp.

Der denkmalgeschützte Glasmosaik-Brunnen liegt im Hinterhof einer privaten Uni, ist aber öffentlich zugänglich
Uta Schleiermacher

Von

Uta Schleiermacher aus Berlin

taz | Sprudelt ja gar nicht“, sagt eine Passantin am Montagmittag. Sie ist gerade herangetreten an den neu restaurierten Mosaikbrunnen im Hinterhof der European School of Management and Technology (ESMT). Unter der glatten Wasseroberfläche fügen sich Glasmosaiksteine zu tropfenförmigen Gebilden, sie leuchten in kräftigem Blau, mit Punkten in dunklem, sattem Rot. Die Formen gliedern sich ein in einen Hintergrund aus türkisen, cremefarbenen und hellblauen Steinchen. In einem Fernsehbeitrag von Sonntagabend waren aus dem Brunnen noch zwei Fontänen aufgestiegen. Doch die sind am Montag wieder ausgeschaltet.

Die Passantin ist trotzdem zufrieden. „Ich freue mich, dass manches wieder aus der Mottenkiste geholt wird“, sagt sie und fotografiert den Brunnen aus verschiedenen Perspektiven. „Es sind Erinnerungen. Und es gehört zur Kultur und zur Geschichte der Stadt“, findet sie. Seit 1980 lebt sie in Berlin, in der Nähe der Volksbühne in Mitte. Mosaike dieser Art habe es in der DDR ja viele gegeben, sagt sie. „Es ist so schade, wenn man es vermodern lässt.“

Sie ist nicht die einzige, die extra nach Mitte aufgebrochen ist, um den wiedererweckten Brunnen zu besichtigen. „Ich wusste bisher gar nicht, dass der Brunnen hier ist uns dass er auch öffentlich zugänglich ist“, freut sich ein Mann aus Lichtenberg. Er interessiere sich generell für Gebäude und Skulpturen, sagt er. Ein Berliner kommt mit seinem Besuch aus Bonn vorbei, sie wollen sich danach noch den neu gestalteten Gendarmenmarkt ansehen, das Mosaik besichtigen sie wie einen Geheimtipp auf dem Weg.

Der Brunnen, 1964 gebaut, stammt von der Mosaikkünstlerin Ortraud Lerch (1939–2013). Von den 1960er Jahren bis zum Ende der DDR arbeitete sie für den Volkseigenen Betrieb Stuck und Naturstein in Berlin. In dessen Auftrag entwarf sie großformatige Mosaike für öffentliche Bauten. So hatte sie 1979 den Kugelbrunnen mitgestaltet, der am Eingang des Freizeit- und Erholungszentrums in der Wuhlheide steht. 1989 arrangierte sie ein Wandmosaik zur Entwicklungsgeschichte von Rüsseltieren für das Dickhäuterhaus im Tierpark.

In Honeckers Garten

Ursprünglich sprudelte der Brunnen im Garten von Erich Honeckers Staatsratsgebäude, heute sitzt dort die ESMT. Das 10 mal 16 Meter große Mosaik bildet das Zentrum des kleinen Parks hinter Hauptgebäude und Seitenflügel der privaten Wirtschaftshochschule. Auf der Wiese um den Brunnen herum stehen Plastiksessel, dahinter ist eine Terrasse mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen. Ein grüner, frischer Rückzugsort gleich neben dem von Beton und Granit dominierten Humboldt Forum.

25 Jahre hatte der denkmalgeschützte Brunnen brach gelegen und war verfallen. So weit, dass die Steinchen lose und verschoben im trockenen Becken herumlagen und Kraut aus den Ritzen spross. Zum Tag des offenen Denkmals am Wochenende war der Brunnen nach knapp zwei Jahren Restauration und Sanierung wieder eingeweiht worden und ist nun zu den Öffnungszeiten der Hochschule werktags von 6–22 Uhr und an Wochenende von 10–22 Uhr frei zugänglich. Die EMTS bietet auch Führungen durch das Haus an.

Im Unicafé können Be­su­che­r*in­nen sich außerdem bis nachmittags zu vergleichsweise günstigen Preisen mit Kaffee und anderen Erfrischungen versorgen. Und auf dem Weg zum Brunnen ist außerdem ein sich über mehrere Etagen erstreckendes Glasbild von Walter Womacka von 1964 zu besichtigen. Womacka hat auch mehrere Kunst-am-Bau-Wandbilder etwa am Alexanderplatz gestaltet. Das Glasbild in der EMTS zeigt Arbeiter*innen, Weizenähren, Friedenstauben und Aufbruch-Parolen. Allerdings nur von innen. Eine zweite Verglasung versperrt von außen den Blick auf die sozialistische Bildsprache.

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