Ein neuer Job für Ruprecht Polenz: Reisemuffel und Brückenbauer
Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen in Namibia verläuft schleppend. Ein Außenpolitik-Veteran übernimmt nun die Verhandlungen.
Falsch gedacht. Von seinem Wohnort Münster braucht Polenz mindestens dreizehn Stunden nach Windhoek. Und dorthin, in die Hauptstadt Namibias, wird der CDU-Politiker künftig häufig fliegen: Am Mittwoch ernannte ihn Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Verhandlungsführer für die Gespräche über die deutschen Kolonialverbrechen.
Ab 1904 hatten deutsche Truppen in der damaligen Kolonie Zehntausende Angehörige der Volksgruppen der Herero und Nama getötet. „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero erschossen“, hieß es im Befehl an die Soldaten.
Mit der Aufarbeitung dieses Verbrechens tut sich Deutschland schwer: Erst im Juli erkannte das Auswärtige Amt die Tat als Völkermord an. Forderungen von Nachkommen der Opfer hat die Bundesrepublik bis heute nicht erfüllt. Deren Verbände wollen unter anderem, dass die Bundesregierung offiziell um Entschuldigung bittet.
Es wird zu wenig geredet
Direkte Gespräche darüber fanden bisher aber nicht statt. Das Auswärtige Amt will nämlich nicht mit einzelnen Volksgruppen verhandeln, sondern lediglich mit der namibischen Regierung. Und selbst diese Gespräche kamen in den vergangenen Monaten offenbar kaum voran. Deshalb hat Steinmeier den 69-jährigen Polenz nun also aus dem Ruhestand geholt. Sein offizieller Auftrag: „Die Gespräche zu intensivieren und zu formalisieren“.
Dabei ist der Jurist, der knapp zwanzig Jahre im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags saß, bisher nicht als Namibia-Experte aufgefallen. Höchstens einmal, in den 1980er Jahren, als er noch Stadtrat in Münster war. Als Aktivisten dort mit einer Gedenktafel an den Völkermord erinnern wollten, sprach sich Polenz dagegen aus. So steht es zumindest in einer wissenschaftlichen Abhandlung über die deutsch-namibischen Beziehungen.
Seit dieser Aussage sind aber drei Jahrzehnte vergangen, in denen sich Polenz einen Ruf als Brückenbauer erarbeitete. Entgegen der Parteilinie warb er für einen EU-Beitritt der Türkei. Er setzte sich für den christlich-muslimischen Dialog ein. Und kurz nachdem er im Jahr 2000 CDU-Generalsekretär wurde, legte er das Amt wieder nieder. Er hatte keine Lust auf Attacken gegen politische Gegner.
Für einen Generalsekretär ist das keine gute Eigenschaft. Für einen Verhandlungsführer schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind