Ein nationales Internet: Juhu, nur der BND liest mit!
Die Telekom überlegt, Mails von Kunden in Deutschland nicht mehr über das Ausland zu schicken. Das Überwachungsproblem löst die Idee nicht.
Eine unverschlüsselte E-Mail ist wie eine Postkarte: Zumindest diese Erkenntnis hat sich mit den Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA durchgesetzt. Voller persönlicher Daten und mitunter vertraulich ist die Mail, und für jeden zu lesen, der sie in die Finger bekommt. Trotzdem werden ständig interne Dokumente und Passwörter genauso mit ihr verschickt wie das Zugticket oder die Bestellbestätigung von der Apotheke.
Die gute Nachricht ist nun: Dass gefühlte Überwachung Nutzer verunsichert, scheint langsam auch bei dem ein oder anderen der großen E-Mail-Provider anzukommen, zusammen mit der Erkenntnis, dass mancher Kunde doch ganz gerne etwas mehr Privatsphäre hätte.
Darauf lässt zumindest schließen, dass die Deutsche Telekom am Wochenende mit einem Vorschlag der etwas anderen Art vorpreschte: Wenn Sender und Empfänger einer E-Mail sich in Deutschland befänden, könne man doch einfach sicherstellen, dass die Nachricht Deutschland nicht verlasse. Das heißt: Die Mail von Husum nach München würde nicht mehr über einen britischen oder US-Knotenpunkt laufen – dort, wo die Spione sitzen. Gleiches soll gelten, wenn ein Nutzer in Koblenz etwa auf die Website von einem Greifswalder Server zugreifen will.
Technisch sei das schon möglich, erklärt Jürgen Seeger vom Technikmagazin iX am Beispiel E-Mail: Im Datenstrom des Netzes müsste man erst einmal die Mails herausfischen, aus diesen dann wiederum die Nachrichten von Kunden in Deutschland an andere Kunden in Deutschland. Und die dann – entgegen der eigentlichen Praxis, nach der sich Datenpakete im Netz den gerade günstigsten Weg suchen – nur über deutsche Knotenpunkte leiten. Geht also. Sei nur ziemlich aufwändig.
Mehr Schein als Sein
Man kann der Telekom daher – anders als so manchem Politiker – nicht vorwerfen, die Überwachung nicht als Problem erkannt zu haben. Doch die schlechte Nachricht ist: Die Lösungen, die der Konzern liefert, und vor allem, wie er sie liefert, sind, vorsichtig formuliert, zweifelhaft. Das hat schon mit der Initiative „E-Mail made in Germany“ angefangen, die die Telekom vor zwei Monaten gemeinsam mit gmx und web.de vorgestellt hat.
Seitdem wird deren Übermittlung der E-Mails von einem Server zum anderen verschlüsselt. „Bisher wurde die E-Mail mit einer Postkarte verglichen. Wir machen nun einen Umschlag herum“, sagte Telekom-Chef René Obermann damals. Nur dass andere Provider die Übermittlung schon seit Jahren verschlüsseln. Selbstverständlich und ohne große Kampagne.
Auch der aktuelle Vorschlag ist nicht ganz, was er scheint, weil er mehr Privatsphäre suggeriert, als er tatsächlich bringt. Denn die Idee der Telekom bedeutet in der Umsetzung Folgendes: Sie will Postkarten nur noch innerhalb Deutschlands verschicken, damit Geheimdienste aus den USA und Großbritannien nicht mehr mitlesen können. Wer trotzdem noch mitlesen kann: deutsche Geheimdienste. Wer auch gerne mal Daten von deutschen Geheimdiensten geliefert bekommt: US-Geheimdienste.
Die Lösung heißt PGP
Zumal die Telekom nicht nur in Deutschland sitzt, sondern mit ihrer Tochter T-Mobile auch in den USA. Dort unterliegt sie einer anderen Gesetzgebung, muss andere Auskunftsvorschriften erfüllen und kann auch mit anderen Mitteln unter Druck gesetzt werden.
Das muss nichts heißen, doch im Zusammenhang damit, dass die Telekom bei ihrer „E-Mail made in Germany“-Kampagne nur Provider mit Rechenzentren in Deutschland dabei haben will, sorgt es zumindest für Irritationen. Zumal Nutzer bei US-Providern wie Google oder Yahoo aus der aktuellen Telekom-Idee sowieso herausfallen würden.
Es gäbe übrigens einen wirkungsvollen Umschlag für E-Mails. Er heißt PGP, und unter anderem Whistleblower Edward Snowden hält ihn für sicher. Er ist ein bisschen kompliziert einzurichten. Vielleicht wäre eine einfache und trotzdem sichere Umsetzung auch für Nutzer, die ihre Mails über die T-Online-Website abrufen, eine spannende Entwicklung für einen großen Telekommunikationskonzern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül