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Ein besonderer Berliner BuchladenSpezielles Netzwerk

Die Kreuzberger Buchhandlung Zabriskie hat sich einen Namen gemacht mit einem liebevoll kuratierten Programm über alles zwischen „Kultur“ und „Natur“.

Frisch umge­zogen: Jean-Marie Dhur, Lorena Carràs und der Zabriskie-Buchladen Foto: Doro Zinn

Die Einweihungsparty, die eigentlich für Ende April geplant war, ist nun natürlich auf nächstes Jahr verschoben. Der Zufall wollte es, dass Lorena Carràs und Jean-Marie Dhur mit ihrem Buchladen genau während des allgemeinen Lockdowns umzogen. Eigentlich ein ganz guter Zeitpunkt, oder? Sie sehen sich an. Dann sagt Lorena: „Nicht unbedingt.“ Es sei sehr anstrengend gewesen mit dem Umzug mitten in der auch sehr emotional aufgeladenen Coronasituation. Aber, stimmen beide überein, insgesamt seien sie mit ihrem Buchladen Zabriskie bisher recht gut durch die Krise gekommen, ihre KundInnen hätten sie großartig unterstützt und auch viele Bücher online bestellt.

Wir sitzen vor dem Laden auf Stühlen zwischen zwei krautigen Grünflächen auf dem weitläufigen Gehweg der Reichenberger Straße. Weil Autos auf dem Kopfsteinpflaster vorbeilärmen, muss ich das Gespräch regelmäßig mit Nachfragen unterbrechen. Aber das ist trotzdem besser, als sich mit Gesichtsmaske im Laden gegenüberzusitzen. Es ist derselbe Geschäftsraum, der viele Jahre lang die Argument-Buchhandlung beherbergt hat (die als Versandbuchhandlung ins Internet umgezogen ist und nicht aus Gentrifizierungsgründen geschlossen wurde, wie verschiedentlich gemunkelt worden war). Die Vermieter selbst seien zu ihnen gekommen, um sie zu fragen, ob sie den Laden übernehmen wollten, erzählt Jean-Marie. Und Lorena ergänzt, dass sie jetzt gar nicht so sehr viel mehr Miete zahlten als zuvor für den winzigen Laden gleich gegenüber in der Manteuffelstraße. Und dafür gebe es auch noch wesentlich mehr Platz.

Das Paar betreibt Zabriskie (benannt nach Antonionis Film „Zabriskie Point“) seit sechseinhalb Jahren. „Buchladen für Kultur und Natur“ steht noch an der Wand des ehemaligen Domizils in der Manteuffelstraße. Lorena, die unter anderem Kulturmangement studiert hat, hatte die dortige Ladenwohnung ursprünglich als Projektraum für Kunst- und Musikevents betrieben. Für den Buchladen haben die beiden ihre persönlichen Interessen, von denen sie ohnehin viele teilen, zusammengelegt: Kunst, Natur, Musik, Subkulturen. „Wir wollten solche Bücher verkaufen, wie wir sie in anderen Buchhandlungen oft vermisst haben“, erklärt Jean-Marie. Das betrifft vor allem Dinge, die sich, wie auf der Zabriskie-Website formuliert ist, „unter dem Mainstream-Radar“ bewegen; solche, die sich einer nur oberflächlichen Wahrnehmung der Welt entziehen.

Dazu gehören auch die verborgenen Seiten der lauten Großstädte: Neu im Sortiment ist derzeit etwa eine Reihe kleiner, feiner Bücher über London, die aus einem britischen Verlag kommen. Ein relativ großer Anteil des Zabriskie-Sortiments ist englischsprachig. Ja, es sei wohl etwas mehr geworden im Laufe der Jahre, überlegen die beiden, aber das habe nichts damit zu tun, dass es in Berlin inzwischen so eine große englischsprachige Community gebe.

„Die diese Bücher kaufen, sind alle möglichen Leute, die eben auch englisch lesen.“ Im Übrigen existiere, meint Jean-Marie dann, ein gewisser Überhang von angloamerikanischen AutorInnen im Bereich Nature Writing. Hierzulande gebe es kaum Verlage, abgesehen von Matthes & Seitz, die dieses Genre gezielt pflegen.

Ein sehr weites Feld

Zwischen „Kultur“ und „Natur“ erstreckt sich ein sehr weites Feld. Wie plant man da ein Sortiment, das einen guten Rundumschlag darstellt und in einem doch immer noch recht kleinen Laden angemessen präsentiert werden soll? Sehr einfach: mit Bauchgefühl und unbedingt einstimmig. Zu Beginn sei es folgendermaßen gelaufen, erklärt Lorena: „Wir hatten wenig Geld und konnten nicht so viele Bücher kaufen. Jean hat 150 Bücher ausgesucht, ich habe 150 ausgesucht, und dann haben wir davon alle genommen, die wir beide gut fanden.“ Das sei auch immer noch das grundlegende Konzept, sagt Jean-Marie: „Wir stehen beide voll hinter jedem Buch, das wir im Laden haben. Auch wenn man es natürlich nicht schafft, alles ganz zu lesen.“

Mittlerweile kennen sie die meisten Verlage, die interessant für sie sind, werden regelmäßig von VerlagsvertreterInnen besucht (es dauerte allerdings zwei Jahre, bis sie von denen entdeckt wurden) und nehmen auch immer wieder Anregungen von KundInnen auf. Und während das Sortiment im Laden auf diese Weise sorgfältig kuratiert bleiben soll, bestellen sie auch gern jedes lieferbare Buch.

Übrigens sind die beiden der beste Beweis, dass man eine Buchhandelskarriere nach dem Trial-and-Error-Prinzip beginnen kann, dass aber vor allem ein gutes Netzwerk wichtig ist. Beide haben philologische Studiengänge absolviert, aber nie eine Lehre gemacht. Lorena hatte lange in Galerien gearbeitet. Jean-Marie verfügt über gute Kontakte in die Musikszene.

Die Buchbranche war für beide neu. Freunde aus Portugal, die einen kleinen Verlag betreiben, hätten sie sehr beraten in der Anfangszeit, sagt Jean-Marie, und Lorena ergänzt, dass sie auch noch „so einen Kurs“ für Businessneulinge gemacht hätten. Und als sie zum Beispiel wissen wollten, wie man an einen Vertrieb für englischsprachige Publikationen kommt, schrieben sie einfach eine E-Mail an die Pro-qm-Buchhandlung in Berlin-Mitte, die sie sehr schätzen, und bekamen von den KollegInnen wertvolle Tipps. Na, und jetzt, nur ein paar Jahre später, haben sie sage und schreibe schon zweimal den Deutschen Buchhandlungspreis gewonnen.

Dinge müssen ruhen

Das dichte kulturelle Netzwerk, das sich inzwischen um die Buchhandlung herum gebildet hat, ist zu einem großen Teil sicher auch den Veranstaltungen zu verdanken, die die Zabriskies regelmäßig in ihren kleinen Laden geholt haben und die sehr oft über reine Buchvorstellungen hinausgehen. Der Klarinettist und Autor David Rothenberg war schon da, um zu demonstrieren, wie er zusammen mit Nachtigallen musiziert; die Klangkünstlerinnen Christina Ertl-Shirley und Felicity Mangan führten vor, wie man den Sound der Pflanzen hörbar machen kann; die Künstlerin Susanne Bürner hielt einen Vortrag über die Geschichte der Zimmerpflanzen. Auch Outdoor-Aktionen wie Kräuterspaziergänge und vogelkundliche Exkursionen finden normalerweise regelmäßig statt.

Dieses Jahr aber ruhen all diese Dinge – bis auf den ins Internet verlegten Leseclub „Between Us and Nature“ – erst einmal coronabedingt.

„Irgendwie haben wir das auch gar nicht diskutiert“, sagt Lorena. „Ob wir Veranstaltungen online anbieten oder mit strengen Abstandsregeln – das scheint momentan nicht so unser Thema zu sein. Erst mal sehen, wie sich die Situation weiterentwickelt.“ Stattdessen, fährt Jean-Marie fort, hätten sie aber wieder ein ganz neues Projekt begonnen: erstmals eine eigene Publikation herauszugeben. Das Thema sollen „Pilze“ sein. Derzeit sei es noch im Ideenstadium. Aber genügend Leute, die dafür Beiträge liefern könnten, kennen die Zabriskies jedenfalls.

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