Ein "Klon" bei den Wahlen in Thailand: "Yingluck for Prime Minister!"
Die Oppositionspolitikerin Yingluck Shinawatra liegt in Umfragen weit vor ihrem Konkurrentin. Die Schwester des ehemaligen thailändischen Präsidenten setzt voll auf Geschwisterliebe.
THAILAND taz | Die ältere Damen an der Wahlkampfbühne kreischen: "Yingluck for Prime Minister!" Sie entfalten ein Willkommenstransparent für die Frau, auf die sie mit Tausenden anderen gewartet hatten. Yingluck Shinawatra, Spitzenkandidatin der Partei Puea Thai (Für Thais). Yingluck ist politisch unerfahren, hat aber einen Trumpf in der Hand. Ihr Nachname zieht bei den vielen Anhängern, die der 2006 vom Militär gestürzte Thaksin Shinawatra immer noch hat: "Wenn ihr meinen Bruder liebt", fragt sie, "werdet ihr auch seiner jüngsten Schwester eine Chance geben?" Ihr Bruder lässt aus seinem Exil in Dubai verlauten, Yingluck sei sein "Klon".
Mit der Kür der 44-Jährigen ist der Oppositionspartei ein Coup gelungen: In den Umfragen liegt sie weit vor der regierenden Demokratischen Partei (DP). Während Yingluck strahlt, Menschen in die Arme nimmt und Küsschen an junge Mädchen verteilt, sammelt ihr Konkurrent und der bisherige Premier Abhisit Vejjajiva die ihm dargebotenen Geschenke mit eher verkniffenem Gesicht ein. Offenbar kann der 47-Jährige dem Bad in der Menge nur wenig abgewinnen.
Ihm und seiner DP graut vor der Vorstellung eines Puea-Thai-Sieges. Weite Teile der konservativen Elite aus Militärs, Technokraten und Aristokraten, welche die DP stützen, machen Thaksin für die politische Misere des gespaltenen Landes verantwortlich. Wenn Puea Thai Thaksin zurückbringe, bedeute das weitere politische Instabilität, warnte Abhisit vor einem Amnestievorschlag der Opposition als Basis zur nationalen Versöhnung. "Es ist an der Zeit, die Gesellschaft vom Gift Thaksins zu befreien!", ruft er.
Thaksins Unterstützer hingegen haben selbst fünf Jahre nach dem Putsch "ihren Premier" nicht vergessen. "Niemand geistert mehr durch Thailands Politik als Thaksin", sagt Thitinan Pongsudhirak vom Institut für Sicherheits- und internationale Studien in Bangkok. Thaksins Wähler waren die Reisbauern, Tagelöhner und Arbeiter aus dem Norden und Nordosten. Dabei war Thaksin so populär wie umstritten, ihm werden auch massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Seit dem Putsch kommt Thailand nicht mehr zur Ruhe. Im Frühjahr 2010 forderten die sogenannten Rothemden, größtenteils Puea-Thai-Unterstützer und Thaksin-Anhänger, vorgezogene Neuwahlen. Abhisit sei illegitim und mithilfe des Militärs an die Macht gelangt, kritisierten sie. Doch Thailands Armee schlug die Demonstrationen am 19. Mai 2010 gewaltsam nieder.
Wollt ihr Terroristen der nächsten Regierung?
Längst hat die Gewalt Einzug in den Wahlkampf gehalten: Die DP jedenfalls versuchte dieses Thema zu benutzen, um die noch Unentschlossenen unter den 47 Millionen Wahlberechtigten auf ihre Seite zu ziehen: "Wollt ihr etwa, dass Terroristen in die nächste Regierung einziehen?", fragte Vizepremier Suthep Thaugsuban. Dabei spielte er auf Puea-Thai-Kandidaten an, die zu jenen Rothemden-Führern gehörten, die unter dem Vorwurf des Terrorismus verhaftet wurden.
Kleine Gruppen ultranationalistischer sogenannter Gelbhemden, die 2006 und 2008 in Massen gegen Thaksin und Thaksin-treue Regierungen protestierten, halten indes von keiner der Parteien etwas. Das System gewählter Parlamentarier bringe nur korrupte und machtgierige Politiker hervor. Unter der DP sei die Lage nicht gut, und Puea Thai bezwecke nur die Rückkehr des Expremiers, begründet eine Demonstrantin den Wahlboykottaufruf.
Derzeit fragen sich alle, wie sich das Militär verhalten wird. Gerüchte sagen, es werde bei einem Puea-Thai-Sieg erneut putschen, was Armeechef Prayuth Chan-ocha von sich weist. Allerdings gilt er als erklärter Gegner der Opposition. Im Fernsehen mahnte er das Volk, für "gute Leute" zu stimmen, was als Parteinahme gegen Puea Thai gilt.
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