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Ein Jein der Grünen zur EnteignungsfrageDer ewige Eiertanz

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stellt die Idee eines Mietenschutzschirms vor und äußert sich zum Volksentscheid. Grüne wollen Enteignungen. Oder?

Bettina Jarasch hat einen Fahrplan in Sachen Enteignungen (hier bei der Firma Stadler, Pankow) Foto: dpa/Annette Riedl

E in klares Jein in der Enteignungsfrage hat die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch am Mittwoch geäußert. Sie werde zwar beim Volksentscheid im September mit einem „Ja“ für das Anliegen der Kampagne Deutsche Wohnen und Co Enteignen stimmen, sagte Jarasch. Gleichzeitig aber solle die von über 350.000 Ber­li­ne­r*in­nen geforderte Vergesellschaftung nur „Ultima Ratio“ sein, wenn die Wohnungswirtschaft sich nicht unter einen zugleich vorgestellten Mietenschutzschirm der Grünen flüchtet. Jarasch warb nämlich gleichzeitig für einen Pakt mit der Wohnungswirtschaft – einem vermeintlich rechtssicheren Weg.

Laut Vorschlag der Grünen soll der Pakt verbindlich sein für Ver­mie­te­r*in­nen und Eigentümer*innen. Sie sollen für fünf Jahre auf Mieterhöhungen verzichten, in Neuverträgen günstige Mieten anbieten, auf Umwandlung in Eigentum und die Ausschüttung von Dividenden verzichten.

Stattdessen sollen sie investieren in Instandhaltung, Sanierung und Neubau – und erhalten im Gegenzug Privilegien wie etwa ein Erbbaurecht auf landeseigene Flächen. 50 Prozent von Berlins Wohnungsbeständen sollen so nach gemeinwirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet werden. Wenn das Ziel nicht erreicht werde, wird enteignet, so die Botschaft.

Mal abgesehen davon, dass 360.000 Ber­li­ne­r*in­nen nicht für einen Pakt mit der Wohnungswirtschaft unterschrieben haben: Seit wann funktioniert Gemeinwohl per Selbstverpflichtung? Konzerne wie Vonovia, die Deutsche Wohnen, Akelius und Heimstaden betreiben seit dem bundesweiten Erstarken von Mietenbewegungen schon länger Social Washing, indem sie behaupten, sich sozialen Standards zu verpflichten.

Seit wann funktioniert Gemeinwohl per Selbstverpflichtung?

Sie gehen ihrem Geschäftsmodel nach

Hinterlegt ist das nicht: Gleichzeitig klagen Konzerne gegen den zusammen mit der Wohnwirtschaft erarbeiteten Mietspiegel, setzen saftige Mieterhöhungen durch, umgehen die Mietpreisbremse, zocken ab bei Nebenkostenabrechnungen, wandeln in Eigentum um und führen Luxusmodernisierungen durch. Man könnte auch sagen: Sie gehen ihrem Geschäftsmodel nach. Denn Profite mit der Miete zu machen, ist nun mal ihr Geschäft. Mit allen sozialen Konsequenzen.

Das Selbstverpflichtungen häufig eher wenig bringen, dürften die Grünen eigentlich längst aus Erfahrungen mit der Lebensmittelindustrie oder der Landwirtschaft wissen. Warum sollte das plötzlich bei Wohnraum klappen? Der Wohnwirtschaftsverband BBU war dann nach dem Grünen-Vorstoß auch leicht pikiert ob der mitschwingenden Enteignungsdrohung. Die Enteignungsfrage bleibt ein Eiertanz für die Grünen, die auf Bundesebene immerhin zusammen mit der CDU regieren wollen.

Gut ist angesichts dessen immerhin, dass Jarasch doch recht deutlich gesagt hat, dass sie für den Volksentscheid stimmt. Das dürfte zumindest dem Anliegen der Kampagne durchaus auch in einem enteignungsskeptischen Milieu Auftrieb geben.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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4 Kommentare

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  • 1.es waren nur 183.711 gültige Stimmen für die Initiative und nicht 350000 oder 370000 ich weiß ein Mittel in der populistischen Welt ist eine Unwahrheit immer wieder zu wiederholen ... aber ich gehe davon aus das die taz als seriöse Zeitung das nicht beabsichtigt und das lediglich eine Unachtsamkeit war.



    2. Ist es aus meiner Sicht schön das es Menschen in Parteien gibt die nicht nur populistische Klientel Politik machen sondern vielleicht auch mal über sinnvolle Lösungen zum Thema Wohnraum haben

    • @Bernd Meier:

      Die Formulierung, das 360.000 Berliner*Innen dafür unterschrieben haben stimmt ohne weiteres. DW & Co enteignen hat bewusst auch die Stimmen von Leuten gesammelt, die kein Wahlrecht haben, u.a. weil sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.



      Es ist nach wie vor eine linke Forderung das Menschen über Politik mitbestimmen sollen, die sie betrifft, egal welche Staatsangehörigkeit sie haben

      • @Andreas Maschler:

        @Andreas Maschler naja ich habe selber an einem Unterschriften Stand mit den Menschen der Kampagne eine längere Diskussion geführt und erlebt wie in dieser Zeit auch Touristen unterschrieben haben die sich gewünscht haben solche Initiativen auch in Ihrer Heimatstadt zu haben. Sicherlich gibt es auch einen Anteil der nicht gültigen Stimmen die auf einen Anteil vom Menschen welche nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben und ich gebe Ihnen recht das Menschen welche in Berlin gemeldet sind egal welche Staatsbürgerschaft sie haben bei der Stadtpolitik mitbestimmen sollten. Nicht desto trotz haben nicht einmal 10 % der Berliner Bevölkerung für diese Kampagne gestimmt was in einer Stadt mit einer solch geringen Eigentumsquote doch verwunderlich ist ... bzw. das es auch meiner Sicht noch Hoffnung gibt das die Menschen dieser Stadt gerne alternativen zu der in meinen Augen nicht sinnvollen Enteignung haben möchten. Zum Beispiel Initiativen die Wohnraum schaffen für alle Menschen nicht nur die welche schon eine günstige Wohnung habe...

  • Es bleibt weiterhin die Tatsache das es NICHT um eine entschädigungslose Beschlagnahme geht , wie der Begriff "Enteignung" zumindest unterschwellig suggeriert,sondern um einen Zwangsverkauf zu mehr oder weniger marktüblichen Preisen.Nach wie vor erscheint es mir sinnvoller statt für schon vorhandene Wohnungen Geld auszugeben,lieber neuen Wohnraum zu bauen.Dessen Mieten man ganz nach Belieben ansetzen kann.