Ein Jahr St.Pauli-Chef: Göttlich im Glück

Kommenden Montag ist Oke Göttlich ein Jahr als Präsident des FC St. Pauli im Amt. Am Sonntag muss er mit den Mitgliedern über Olympia diskutieren

Der Präsident: Oke Göttlich bei der Mitgliederversammlung vor einem Jahr Foto: Daniel Bockwoldt (dpa)

HAMBURG taz | Es ist oft eine einzige Entscheidung, die über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Als Oke Göttlich, damals frisch gebackener Präsident des FC St. Pauli, Ewald Lienen als neuen Trainer für das schwächelnde Zweitligateam holte, gab es nichts, was ihn sicher sein ließ, den richtigen Schritt zu tun. Nur: Etwas musste getan werden.

Der Plan, den es nie gab, ging auf: Unter Lienen spielte die Mannschaft eine Rückrunde, die ihr niemand zugetraut hätte, und entging in letzter Sekunde dem Abstieg. Heute steht sie auf Tabellenplatz 2, die ersten Fans träumen bereits von der ersten Liga.

Vor diesem Hintergrund darf Oke Göttlich vor der Mitgliederversammlung des Vereins am Sonntag Bilanz ziehen – eigentlich eine komfortable Situation, wenn da das leidige Thema Olympia nicht wäre. Es wird am Sonntag einen Antrag geben, dass der Verein sich gegen die Hamburger Olympia-Bewerbung ausspricht – eine Festlegung, mit der Göttlich nicht so glücklich wäre.

„Doch wenn das höchste Vereinsgremium das so beschließt, setzen wir das als Präsidium auch so um“, sagt er. Die basisdemokratische Vereinsstruktur ist ihm wichtig. Um sie zu erhalten in einer Zeit, in der die Vereine zu Aktiengesellschaften oder Firmenfilialen mutieren, sei er schließlich gewählt worden.

Seit einem Jahr ist der ehemalige taz-Sportredakteur und Mitbegründer eines Online-Vertriebs für Indielabels Vereinspräsident am Millerntor. „Bis Juni haben wir nichts anderes getan, als uns darauf vorzubereiten, den Abstieg zu überleben“, sagt er rückblickend. Seitdem heißt es nach vorne schauen und die Entwicklungen vorantreiben, die den Club nach Göttlichs Auffassung konkurrenzfähig machen.

Oft seien in der Vergangenheit notwendige Entscheidungen nicht getroffen worden, „weil niemand anecken wollte – da gab es eine Wohlfühlzone, aus der heraus kaum noch Entwicklung nach vorne sichtbar war“, sagt Göttlich. Verdiente Mitarbeiter wie Geschäftsführer Michael Meeske oder Teammanager Christian Bönig gingen freiwillig oder mussten gehen. Die Trennungen verliefen nicht reibungslos, doch über Hintergründe herrscht Stillschweigen, um niemand zu beschädigen.

Inzwischen hat Göttlich mit Trainer Ewald Lienen, Sportchef Thomas Meggle und Geschäftsführer Andreas Rettig Männer auf den zentralen Entscheidungspositionen, die seine (erste) Wahl sind. An Lienen schätzt er dessen „Authentizität“. Der Trainer galt einst als einziger Linksradikaler im bezahlten Fußball, machte Werbung gegen Atomkraft und kandidierte für die DKP-nahe „Friedensliste“. Doch das war in den frühen Achtzigern.

Dass zwischen ihm und den mehrheitlich linken St.-Pauli-Fans einmal Zuneigung entstehen würde, sei so nicht vorauszusehen gewesen, sagt Göttlich. Doch längst wirkt es, als sei der Trainer am Ende seiner langen Fußball-Reise durch Europa endlich nach Hause gekommen, wenn er die Trainingsjacke mit dem Aufdruck „Kein Fußball den Faschisten“ über den Platz trägt.

Nach dem atemlosen ersten Jahr gehe es nun darum, in aller Ruhe „nachzujustieren“, sagt Göttlich. Und Konflikte auszutragen, wie etwa am Sonntag, wenn er dagegen eintreten wird, dass der Verein sich eindeutig gegen Olympia positioniert. „Das entscheidet doch jeder für sich“, sagt Göttlich, und es wäre seiner Meinung nach schon ein wenig widersinnig, wenn die Mitglieder beschlössen, die Vereinsspitze solle ihnen empfehlen, gegen Olympia zu stimmen.

„Wir haben fast als einziger Verein nicht Stellung für Olympia bezogen“, sagt Göttlich. „Das ist faktisch bereits eine Haltung mit Tendenz zum Nein.“

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