Ein Ferienhaus in Süditalien: Lehren aus der Sesshaftigkeit

Mein Freund und ich haben ein Ferienhaus gekauft. Und gelernt: Auf dem Land ist es überall ähnlich, egal ob in Italien oder Deutschland.

Olivenhaine im Sonnenlicht

Leben auf dem Land ist nicht nur Idylle Foto: Robert Harding/imago

Zu Hause sein bedeutet, plötzlich planen zu müssen, wann man weg kann. Das ist meine erste Lehre aus der Sesshaftigkeit. Mein Freund und ich haben ein Ferienhaus für die warmen Monate in Süditalien gekauft. Fürs Unterwegssein ist jetzt nicht mehr viel Kohle übrig, und wir tragen plötzlich Verantwortung, für ein Stück Land.

Wir haben gepflanzt, es soll ja nicht langweilig werden. Das ist super, ständig passiert etwas: Die Zitronen reifen, die Zwiebeln verdorren, weil ich „Die brauchen nicht viel Wasser“ überinterpretiere, und manchmal überlebt auch was. Zu spät ist mir die Frage gekommen: Wenn wir länger weg sind, wer gießt dann? Also verbringen wir erst mal viel Zeit in der neuen Nachbarschaft.

Unsere Straße, ein einspuriger Weg, windet sich zwischen Olivenhainen, weiß getünchten Landhäuschen und im Frühjahr leuchtenden Wiesen voller Wildblumen. Ein wunderschöner Ort. Früher lebten das ganze Jahr Familien hier, viele davon verwandt und verschwägert. Heute wohnen die meisten nur noch im Sommer auf dem Land, und sie sind alt geworden.

Die Kinder finden in Süditalien keine Arbeit, sie gehen nach Rom oder gleich nach Deutschland. Die Alten bleiben und verkaufen ihre Häuser an andere Rentner:innen, zunehmend aus dem Ausland. Oder lassen sie verfallen. Sehr herzlich kümmern sich alle um uns, die unverhofft jungen Leute.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Ich bin wie deine Mama, du kannst mich alles fragen“

Ich lerne, dass Nachbarschaft zudem ein kostbares Wissensnetzwerk bietet: Wer liefert Brennholz, wie schneidet man Olivenbäume, welcher Handwerker ist ehrlich und günstig. „Ich bin wie deine Mama, du kannst mich alles fragen“, sagt eine Oma.

Erstaunt stelle ich gleichzeitig fest, dass die Leute kaum miteinander zu tun haben. Ich dachte, hier hängen alle miteinander ab. Aber nach kurzer Zeit kennen wir hilfsbedürftigen Deutschen die Nach­ba­r:in­nen besser, als diese einander. Und natürlich sind Untiefen nicht weit.

Rassismus und Sexismus sind hier offen und hart. Diebstahl liege in der Natur des N*, das sei eine biologische Sache, sagt die Oma. Eine andere Nachbarin kocht weiter für den längst ausgezogenen Sohnemann und hofft statt eines Machtworts lieber darauf, dass ihr Sohn endlich heiratet, denn Kochen und Waschen müsse die Frau. Diskussionen führen zu nichts.

Vieles erinnert mich ans deutsche Land. Die unerträglich selbstgewissen alten Männer, die auf Flugreisenverzicht reagieren mit „ein Flugzeug hebt auch ohne dich ab“. Landbevölkerung definiert sich über Heimat und Zugehörigkeit, gegen die vorgebliche Heimatlosigkeit und Uniformität der Großstadt. Dabei gilt in Wahrheit, was mein Freund sagt, der selbst in Deutschland auf dem Land aufgewachsen ist: „Das wirklich Uniforme ist das Land.“

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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