piwik no script img

Eigentümer und Besetzer der Rigaer 94Treffen in der Halblegalität

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die Eigentümerfirma des Hausprojekts scheitert an deutschem Recht, die Bewohner interessiert es auch nicht. Klingt nach dem perfekten Match.

Durchsuchung der Rigaer 94 Ende August Foto: dpa

E s ist nicht wahrscheinlich, dass Be­woh­ne­r:in­nen der Rigaer Straße 94 schon einmal Post ins Tanfield Lea Business Centre in der Grafschaft Durham in Nordengland geschickt haben. Denn mit der dort registrierten Eigentümergesellschaft ihres zu immer größeren Teilen besetzten Hauses, der Lafone Investments Limited, wollen die Linksradikalen nichts zu tun haben. Wie sie immer wieder betonen, sind ihnen legale Mietverhältnisse egal. Auf der anderen Seite scheint es auch ausgeschlossen, dass sie eine Antwort erhielten.

Das tun offensichtlich nicht einmal die Anwälte, die für die Lafone seit vielen Jahren in den juristischen Ring gegen die Haus-Bewohnerschaft steigen. Zwar schicken sie regelmäßig Briefe mit Honorarforderungen, doch Antworten erhalten sie wohl keine. Das zumindest ergibt sich aus den Akten, die von den Anwälten selbst beim Landgericht eingereicht wurden, das am Mittwoch als Berufungsinstanz sechs Räumungsklagen zu Wohnungen in der Rigaer 94 verhandelte.

Eine „Korrespondenz“ finde laut dem Richter nicht statt, auch sonst sei keinerlei geschäftliche Tätigkeit aus England nachweisbar, noch nicht einmal im Zuge des eingeführten und später gekippten Mietendeckels. Die für die Verhandlung einbestellte Geschäftsführerin der Lafone tauchte auch nicht auf, krankheitsbedingt, wie aus einem englischsprachigen und daher nicht den Anforderungen entsprechendem Attest hervorgehen sollte.

Für das Gericht scheint damit klar: Die Firma, eine klassische Briefkastenfirma, deren wechselnde Ge­schäfts­füh­re­r:in­nen als Strohpuppen agieren, habe keinen Sitz in England, an dem eine Geschäftstätigkeit stattfinde. Damit aber erfülle sie nicht die Voraussetzung, um in Deutschland als juristische Person prozessfähig zu sein.

Kurze Hoffnung für die Eigentümer

Zu diesem Ergebnis waren Berliner Gerichte in der Vergangenheit immer wieder gekommen, so auch das Amtsgericht Kreuzberg, das in erster Instanz alle Räumungsklagen aus diesem formalen Grund abgewiesen hatte. Nur das Kammergericht hatte im vergangenen Jahr die Lafone für ein rechtsfähiges Subjekt gehalten – für die Eigentümer schien das der lang ersehnte Durchbruch.

Doch dem sicheren Gefühl, nun endlich gegen das Haus und seine Be­woh­ne­r:in­nen durchgreifen zu können, machte das Landgericht mit einer vorläufigen Rechtseinschätzung ein Ende. Aussicht auf erfolgreiche Räumungsklagen hat die Lafone aller Voraussicht nach nicht mehr. Als nächste Instanz bliebe dann noch die Revision in Karlsruhe – mit ungewissem Ausgang in ferner Zukunft. Oder aber die schwierige Umwandlung in eine deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, mit vollständig haftenden Geschäftsführern.

Die meisten der derzeit insgesamt zwölf Berufungsverfahren werden wohl mit Vergleichen enden: Die bisherigen Miet­ver­trags­in­ha­be­r:in­nen, die dort längst nicht mehr wohnen, geben ihre Verträge auf, die Lafone verzichtet dafür auf sämtliche Ansprüche und übernimmt die Gerichtskosten. Kaum eine Wohnung in der Rigaer 94 wird danach noch einen gültigen Mietvertrag haben. Doch räumen lassen kann die Lafone die Wohnungen nicht. Auch gegen Be­set­ze­r:in­nen braucht es Räumungstitel. Doch wer nicht rechtsfähig ist, kann auch nicht erfolgreich klagen.

Die Rigaer 94 wird damit zu einem tatsächlich besetzten Haus, das aber rechtlich geschützt ist, weil sich auch die Gegenseite mit deutschem Recht nicht arrangieren kann. Be­set­ze­r:in­nen und Eigentümer bewegen sich demnach jeweils in der Halblegalität und werden das wohl auch in Zukunft nicht ändern. Beste Voraussetzungen eigentlich, um den Konflikt einzufrieren und alles zu belassen, wie es ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

0 Kommentare