Ehemaliger Uefa-Chef in Polizeihaft: Korruptionsvorwurf gegen Platini
Wegen der Männer-WM-Vergabe an Katar und Russland gibt es schwere Anschuldigungen gegen den Exfunktionär. Zuletzt gab er sich unbeeindruckt.
Zuletzt hat man Michel Platini nur noch maulen und stänkern hören. Das letzte Mal kurz vor Beginn der Frauen-WM in Frankreich. Gianni Infantino, der an seiner statt seit 2016 auf dem Fifa-Thron sitzt, war das Ziel seiner Giftpfeile. „Nicht glaubwürdig“ war sein pauschales Urteil. Ein konkreter Vorwurf: Infantino glaube nicht an den Frauenfußball und lache darüber.
Nun, Platini selbst dürfte es in all seiner Griesgrämigkeit am wenigsten gegrämt haben, dass er bei dieser WM in seinem Heimatland für die Ehrentribünen noch gesperrt ist. Als ernsthafter Frauenfußballfan hat sich der ehemalige Uefa-Präsident auch keinen Namen gemacht.
Und um den Ruf seiner Glaubwürdigkeit muss er mehr denn je kämpfen. Am Dienstagmorgen wurde er von der französischen Polizei nahe Paris in Gewahrsam genommen.
Gegen ihn werde wegen „aktiver und passiver Korruption“ im Zusammenhang mit der Männer-WM-Vergabe 2018 und 2022 an Russland und Katar ermittelt, berichteten die französische Website Mediapart und die Tageszeitung Le Monde.
In diesem Oktober erst wäre die Sperre des einstigen Uefa-Präsidenten für alle Fußballaktivitäten abgelaufen. Mit seinen seit langer Zeit bekannten besonderen Katar-Connections hatte der Bann indes überhaupt nichts zu tun. Grund dafür waren ominöse Zahlungen von 1,8 Millionen Euro, die Platini 2011 für angebliche Beratertätigkeiten von Fifa-Chef Sepp Blatter vor dessen Wiederwahl erhielt.
Ein Mittagessen im Elysée-Palast
Dem einstigen Fußballstar, dreimal war er Europas Fußballer des Jahres (1983–1985), verhagelten die 2015 publik gewordenen Zuwendungen Blatters den goldenen Abschluss seiner Funktionärskarriere. Wenige Monate zuvor hatte er seine Kandidatur für das Amt des Fifa-Präsidenten angekündigt.
Dieser Sturz vor dem vermeintlichen Höhepunkt nagt sehr an dem 63-Jährigen. Vergangenen Oktober reichte er in Frankreich Klage gegen ehemalige Funktionäre des Fußballweltverbandes wegen Verleumdung und krimineller Verschwörung ein. „Es gibt starke Hinweise auf eine Verschwörung mit dem Ziel, Michel Platini zu stürzen“, teilte sein Anwalt William Bourdon damals mit.
Nun geht es erst einmal um mögliche kriminelle Machenschaften von Platini. Schon lange steht der Vorwurf im Raum, Platini habe 2010 sich nach einem Mittagessen im Élysée-Palast mit dem französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy und dem Emir von Katar als Stimmenbeschaffer anwerben lassen.
Wenige Monate später wurde Paris St. Germain von Qatar Sports Investment aufgekauft, und noch ein paar Monate später erhielt Platinis Sohn einen Job bei den Eigentümern des Pariser Klubs.
Platini sagt, er habe ein ruhiges Gewissen
Erst jetzt scheinen für diese offensichtlichen merkwürdigen Verbindungen juristisch belastbare Indizien gefunden worden zu sein. Denn neben Platini wurden am Dienstag sowohl die einstige Sportberaterin von Sarkozy, Sophie Dion, heutige Richterin am Internationalen Sportgerichtshof CAS, als auch der frühere Generalsekretär des Élysée-Palasts, Claude Guéant, ins Verhör genommen.
Die illustre französische Interessenkoalition aus Sport und Politik steht mit einer großen zeitlichen Verzögerung im Visier der Staatsanwaltschaft.
Platini wird gewiss wieder eine große Verschwörung wittern. Als ihm im September 2016 beim Uefa-Kongress in Athen trotz seiner Sperre noch einmal ein Auftritt gewährt wurde, um sich von seinen getreuen Weggefährten zu verabschieden, sagte er: „Sie müssen nur wissen, dass ich ein ruhiges Gewissen habe und überzeugt bin, keinen einzigen Fehler gemacht zu haben.“
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