Ehemaliger NBA-Profi über Homophobie: "Wörter sind nicht das Problem"
John Amaechi musste als Basketballprofi sein Schwulsein verheimlichen. Heute kämpft er gegen Diskriminierung und spricht über die Ignoranz von Institutionen und Fans.
taz: Herr Amaechi, was mussten Sie sich alles anhören, seit Sie Ihr Schwulsein öffentlich gemacht haben?
John Amaechi: Ich zähle diese schlimmen Aussagen nicht. Aber ich spüre immer noch, was gesagt wurde - und mehr als nur einmal gesagt wurde. Viele Reaktionen kamen per E-Mail, weil die meisten einem ihre Meinung nicht direkt ins Gesicht sagten.
Wo spüren Sie Homophobie und Diskriminierung noch?
Was ausgesprochen wird, ist nur das Symptom des Dilemmas. Die Diskriminierung ist nicht zu Ende, wenn die Leute aufhören, homophobe Aussagen zu treffen. Wörter sind nicht das Problem.
Auch rassistische Einstellungen manifestieren sich immer wieder: Wenn etwa Schwarze immer noch schlechter bezahlt werden. Oder wenn sie vor Gericht nicht gleich behandelt werden. Darin zeigt sich der allgegenwärtige Rassismus. Wenn man die Ignoranz der Institutionen betrachtet, kommt man dem Problem schon näher.
Konnten Sie diesbezüglich schon eine Veränderung ausmachen in den großen amerikanischen Sportligen?
Ich kann nur für die National Basketball Association (NBA) sprechen, da sind aber schon Fortschritte zu erkennen. Die NBA hat homosexuelle Sportler in die Non-discrimination language aufgenommen. Vorher waren homophobe Beschimpfungen legal. In anderen Sportarten ist der Weg zu Gleichbehandlung noch sehr weit: Fußball und American Football gehören dazu.
Sie haben die jüngsten rassistischen Ausfälle in der englischen Premier League - Luis Suárez, John Terry - aus nächster Nähe betrachtet. Da sah es ja so aus, als ob …
… wir 1958 haben. An der britischen Liga sieht man, wie wenig Fortschritt es zum Teil immer noch im Fußball gibt. In England dachte man noch vor zwei Jahren, es gäbe nicht das geringste Problem mit Rassismus. Man war zuletzt nicht mehr wachsam.
Sind die Mechanismen der Diskriminierung in den westlichen Ländern vergleichbar?
Das Verhältnis von Spielern und Fans ist sehr ähnlich. Das hat viel mit Fanatismus zu tun. Das Level des Fanatismus ist in den meisten Ländern gar nicht so hoch. Aber wo mächtige Leute fanatisch und reaktionär sind wie im Fußball, wo an den wichtigen Positionen in der Fifa oder auch in den nationalen Ligen jahrelang dieselben - männlichen - Leute sitzen, wird es gefährlich. Man braucht sich nur die Funktionäre in der britischen Football Association anzuschauen: Nicht ein Schwarzer dabei, nicht eine Frau.
Wie unterscheidet sich da der Profi- vom Amateurbereich?
Der 41-jährige Brite war bis 2003 Basketballprofi in der NBA. Kurz vor Erscheinen seiner Autobiografie "Man in the middle" outete sich John Amaechi als homosexuell. Nach seiner Sportkarriere zog er nach Manchester und studierte Psychologie. In diesen Tagen ist er Gast des DFB-Sportforums in Honnef, wo unter dem Titel "Vor dem Ball sind alle gleich - sexuelle Identitäten im Fußball" vor allem über den Amateursport diskutiert wird.
Im Profibereich nimmt die Diskriminierung direkt Einfluss auf das Spiel selbst, vielleicht auch darauf, welche Spieler man verpflichtet und welche nicht. Im Amateurbereich hält es erst mal Personengruppen vom Sport fern - das betrifft nicht nur Homosexuelle, das betrifft Frauen, die "harte" Sportarten ausüben wollen.
Das betrifft etwa bei den Heterojungs auch Spätentwickler in den Teeniejahren. Es hält Leute vom Sport ab, weil die Umgebung da so feindselig ist. Man muss dafür sorgen, dass alle jungen Leute sich willkommen fühlen in den Vereinen, Klubs und Schulen.
Folgt der Sport immer noch einer männlichen Grammatik, trägt er archaische Züge?
Sport ist erst einmal eine antiintellektuelle Betätigung: emotional, analphabetisch. Aber an den Einzelnen gerichtet muss das natürlich auch ein Appell sein, nicht zu früh aufzugeben. Denken Sie an Dirk Nowitzki: Als der anfing zu spielen, war er dünn, schmächtig - er passte einfach nicht zum Bild des athletischen Basketballers. Zum Glück hat er gekämpft.
Ist der Sport gegenüber anderen Gesellschaftsbereichen zurück?
In den meisten westlichen Ländern hat sich ein liberales Denken durchgesetzt: männlich oder weiblich, hetero oder homo, schwarz oder weiß - solange du gesellschaftlich etwas beisteuerst, etwas leistest, ist es den Leuten egal. Der Sport bleibt in der Tat zurück, da setzt sich das Traditionelle, das Hierarchische durch. Damit meine ich nicht, dass die gesellschaftlichen Probleme verschwunden wären, aber im Sport konzentrieren sie sich.
Lag in Ihrer aktiven Karriere immer ein Schatten auf Ihren Erfolgen?
Ich hatte ja zum Glück meine Familie, meine Freunde, sogar einige Mitspieler. Der enge Freundeskreis wusste alles von mir, nur die Öffentlichkeit nicht. Aber ich fühlte mich einsam im Profisport - dort habe ich meine Arbeit gemacht, aber persönliche Dinge fanden dort keinen Platz.
Warum gelingt es nicht, dass aktive homosexuelle Spieler und Spielerinnen in den Profiligen ein Netzwerk gegen Homophobie bilden - und so Stereotypen in Fankreisen entgegentreten?
Die Frage muss eher lauten, warum die Ligen es nicht geschafft haben, eine solche Atmosphäre herzustellen, die das ermöglicht. Die Verantwortlichen auf den entscheidenden Positionen sagen, das müsse von den Fans ausgehen. Solange man dort die Verantwortung wegschiebt, schützt man Sexismus, Rassismus und Homophobie, solange ändert sich nichts.
Wie wird es diesbezüglich in zwanzig Jahren aussehen?
Nicht die Zeit wird das zeigen, sondern die Personen. Wenn es verantwortungsvolle Führungspersönlichkeiten im Sport gibt, die den Wandel wollen, kann das ziemlich schnell gehen. Sogar so schnell, dass unsere Unterhaltung in zehn Jahren überhaupt nicht mehr interessant wäre. Aber - so traurig das ist - wenn dem nicht der Fall ist, diskutieren wir die gleichen Fragen in zwanzig Jahren noch mal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!