Ehemalige Notunterkünfte in Turnhallen: Den Ausnahmezustand beenden
Rund die Hälfte der Sporthallen ist wieder saniert. Bis Ende 2018 soll der Rest folgen. Viele Hallen werden besser aussehen als vor dem Einzug der Flüchtlinge.
Selten werden in dieser Stadt Zeitpläne eingehalten, wenn es darum geht, irgendetwas zu bauen oder zu sanieren. Aber die Sache mit den zu temporären Notunterkünften umgewidmeten Turnhallen, die lief vergleichsweise geräuschlos: Ende März wurden die letzten der 63 Hallen, die seit Sommer 2015 als Notunterkünfte für Flüchtlinge gedient hatten, wieder freigezogen. Jetzt, neun Monate später, sind laut dem Staatssekretär für Inneres, Christian Gaebler (SPD), 32 Hallen wieder für den Sport nutzbar. 11 Hallen sollen im ersten Quartal 2018 folgen.
Lediglich bei zwei Schulsporthallen in Neukölln wird es noch deutlich länger dauern: Die Turnhalle am Campus Efeuweg in Gropiusstadt und die Sporthalle des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums am Buckower Damm werden voraussichtlich erst Anfang 2019 fertig. „Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Sanierung nachhaltig erfolgt“, lässt Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dazu mitteilen. Man wolle nicht einfach „neue Fliesen aufkleben, wenn darunter in der Wand die Leitungen in absehbarer Zeit erneuert werden müssen“.
Im Frühjahr kam vonseiten des Landessportbundes zunehmend Kritik an der nur schleppenden Sanierung der Turnhallen, obwohl viele Sportstätten schon seit Monaten wieder freigezogen waren. Anfang April waren erst fünf Sporthallen wieder einsatzfähig gewesen.
Sportsenator Andreas Geisel und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (beide SPD) kündigten daraufhin an, man wolle sich weder mit den Vereinen noch mit den für die Schulsporthallen zuständigen Bezirken darüber streiten, welche Fliese genau durch die Unterbringung der Flüchtlinge kaputt gegangen sei: Ein 6 Millionen Euro schwerer Topf sollte laut Geisel diese Debatten „im Keim ersticken“.
Boni als Entschädigung fürBezirke
Bis zu 100.000 Euro können die Bezirke zudem als Bonus frei ausgeben, etwa für neue Sportgeräte. Auch den Vereinen wurde eine Entschädigung in Aussicht gestellt: Die insgesamt 950.000 Euro seien auch bereits vollständig abgerufen, teilt die Senatsinnenverwaltung auf Anfrage mit.
Nach dem Geldregen ging es hinsichtlich der Zahl der inzwischen wieder zur Verfügung stehenden Hallen tatsächlich fixer voran. Denn erst seit die Mittel freigegeben sind, können die Bezirke Aufträge für Planungsbüros und Baufirmen ausschreiben. Ein Umstand, den die zweistufige Berliner Verwaltung aus Bezirks- und Landesebene mit sich bringt und der auch andere Baustellen – wie etwa die Sanierung der maroden Schulen – in der Vergangenheit immer wieder blockiert hat.
Auch im Fall der beiden Neuköllner Schulturnhallen hatte der Bezirk Anfang April einen ersten Vorschlag des Landes für eine Kostenübernahme als unzureichend zurückgewiesen. Dadurch passierte erst einmal nichts mehr. Im Sommer kamen dann schließlich doch die Handwerker und sanieren nun nicht nur die in Mitleidenschaft gezogenen Hallenböden, sondern auch ohnehin marode Sanitäranlagen und Trinkwasserleitungen. So werden diese und weitere Sporthallen nach dem Auszug der Flüchtlinge besser aussehen als vor deren Einzug.
Die Möglichkeiten einer guten Berliner Haushaltslage haben demnach dafür gesorgt, dass sich die Turnhallendebatte nicht dafür eignete, von rechts instrumentalisiert zu werden: Geisels schnelle Millionengabe sorgte dafür, dass selbst die Berliner AfD keine Chance hatte, die Notsituation der Flüchtlinge gegen den darbenden Schul- und Vereinssport auszuspielen.
Kein Unterrichtsausfall
Etwa zehn der Schulsporthallen werden noch saniert. In zwei Hallen in Steglitz-Zehlendorf wird bei laufendem Betrieb gearbeitet, ansonsten weichen die Schulen auf umliegende Hallen aus. In Neukölln sei keine Sportstunde wegen der Sanierungsarbeiten ausgefallen, heißt es aus dem Bezirksamt. Das Zusammenrücken sind viele Schulen ohnehin gewohnt, weil etliche Turnhallen marode sind – und zwar unabhängig von der Flüchtlingsunterbringung.
Mehr als 50 weitere Sportanlagen könnten derzeit „wegen Baufälligkeit oder laufenden Sanierungsarbeiten nicht genutzt werden“, heißt es auch seitens des Landessportbunds. Vizepräsident Thomas Härtel äußerte sich am Dienstag deshalb auch skeptisch, ob 2018 alle Hallen fertig saniert sein werden: Aufgrund der enormen Auftragslage gebe es „Kapazitätsengpässe bei den Baufirmen“.
Kurz vor Weihnachten wurde immerhin noch ein wichtiger Standort frisch saniert übergeben: die Rudolf-Harbig-Halle am Olympiastadion, zentrale Trainingshalle für die SchülerInnen der Eliteschule des Sports im Olympiapark und die Spitzenleichtathleten.
Für die Sportler dürfte der Ausnahmezustand wohl bald beendet sein. Und die Flüchtlinge? 3.700 schlafen noch immer in Notunterkünften, teilte die Senatsverwaltung für Integration mit.
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