Editorial von Gereon Asmuth: Eine deutsche Geschichte
Am Anfang war da eine Mappe mit Archivfotos. Nach dem taz-Dossier zu „50 Jahre Gegenöffentlichkeit“ vor knapp zwei Wochen lag sie noch auf einem Schreibtisch – und lud ein zu einem Blick auf einen Moment deutscher Geschichte.
Da ist der tote Benno Ohnesorg, am 2. Juni 1967 hinterrücks erschossen von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras. Da sind die Polizisten und die Prügelperser, die am Rande des Schah-Besuchs in Berlin auf Demonstranten einschlagen. Da sind trauernde Studenten in dunklen Anzügen, in einem Autokorso auf dem Ku’damm demonstrierend.
Diese Schwarz-Weiß-Fotografien geben so eindrucksvoll Zeugnis von der Bundesrepublik vor 50 Jahren, dass wir beschlossen haben, die taz am heutigen Jahrestag komplett damit zu bestücken. Kontrastiert mit Fotos aus dem Rest des Landes, das fernab der Proteste mal erstaunlich modern, mal unglaublich verstaubt anmutet.
1967 ging es um den unsäglich unkritischen Umgang der deutschen Politiker mit einem Diktator. Um die Freiheit der Presse, aber auch um ihre Lügen. Also um Themen, die heute noch oder schon wieder aktuell sind.
Es geht aber auch um Verantwortung. Noch immer. Für die Gewalt einer Berliner Polizei, in der es 1967 noch alte Nazi-Seilschaften gab. Für deren von oben gedecktes brutales Vorgehen. Für die systematische Vernichtung von Beweisen, die Vertuschung des tödlichen Schusses aus der Waffe eines Polizisten. All das ist so unglaublich, dass es nicht nur die damals Beteiligten, sondern auch jüngere Generationen fassungslos macht.
Es ist mehr als überfällig, dass sich der Berliner Senat zu seiner politischen Verantwortung bekennt. Mit einer Bitte um Entschuldigung. Der 2. Juni 2017 wäre dafür das passende Datum.
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