Ebola und Nachwahlen im Kongo: Business und Politik mit der Seuche

Hilfsgelder halten Bars und Hotels am Leben, auf der Straße kreisen Verschwörungstheorien: Das Ebola-Business hat die Stadt Butembo im Griff.

Person in Schutzkleidung bereitet Impfung vor

In Ostkongo ist der Kampf gegen Ebola allgegenwärtig Foto: ap

BUTEMBO taz | Vor jedem öffentlichen Gebäude gibt es gechlortes Wasser: Rathäuser, Kirchen, Märkte, sogar Banken und Geschäfte, Parkplätze sowie die Einfahrten in die Stadt. Der Kampf gegen Ebola ist allgegenwärtig in Butembo, der lebhaften Handelsmetropole im Ostkongo. Die Seuche hat im Ostkongo seit August 642 Tote gefordert, die Zahl der Ebolafälle überschritt am Wochenende die 1000er-Marke – eine Woche vor den Nachwahlen dort, wo Kongos Wahlen im Dezember 2018 just wegen Ebola abgesagt wurden.

Während immer mehr Familien ihre Ebola-Toten betreuen, gibt es auch viele Profiteure dessen, was man inzwischen das „Ebola-Business“ nennen kann. Man muss nur das Hotel „Auberge“ besuchen, eines der größten der Stadt, das jetzt als Koordinationszentrum der Seuchenbekämpfung dient. Über 200 Autos drängeln sich auf den Parkplätzen, und nicht alle ihre Fahrer kommen aus Butembo, sondern manche auch aus Städten Hunderte von Kilometern entfernt. In einer Region, wo bezahlte Arbeit sehr selten ist, schafft Ebola Arbeitsplätze: Die einen werden Fahrer, andere werden „Sensibilatoren“, die die Wasserstellen bewachen und die Menschen zum Händewaschen anhalten.

Das Ebola-Geld fließt. Fast alle Hotels von Butembo sind voll mit Ebola-Bekämpfern. Alle Veranstaltungsräume sind ausgebucht. „Sie müssen mindestens zwei Wochen im Voraus reservieren“, sagt eine Rezeptionistin. Manche Hilfswerke nutzen Hotels als Büros, mangels Büroräumen. Nachmittags und abends stürmen Ebola-Bekämpfer die Bars und Nachtklubs mit großen Mengen druckfrischer Dollarscheine: Die internationalen Helfer bekommen Tagessätze von 200 oder 250 US-Dollar, wenn nicht mehr, und viel davon findet nach Dienstschluss seinen Weg in die Ökonomie der Stadt.

Doch wer dieser Tage Butembos Hauptstraße entlangfährt, die Joseph-Kabila-Straße, bemerkt vor allem die unzähligen Wahlplakate. Hauswände, Ziegelmauern, Haustüren und Bäume sind voller bunter Bilder aller möglicher Parlamentskandidaten. Aus Lastwagen mit riesigen Lautsprechern, die unablässig die Hauptstraßen auf und ab fahren, dröhnen Lobgesänge. Aktivisten, gekleidet in den Farben ihrer Partei, ziehen durch die mit Autos nicht erreichbaren Außenviertel und verteilen Fotos, Streichhölzer und andere Wahlgeschenke.

Anarchisch gewachsene Großstadt

Auf Wahlveranstaltungen üben sich die 121 Kandidaten, die sich für die vier Parlamentssitze von Butembo bewerben, und die weiteren 121 für die Sitze im Provinzparlament, in Wählerseduktion: Ein Fußgängerübergang über die Hauptstraße, Gebührenfreiheit in der Grundschule, sogar Schulen und Brücken für eine anarchisch gewachsene Großstadt ohne großstädtische Infrastruktur. Manche reden von Sicherheit und Entwicklung, ohne zu erklären, was sie meinen.

Grafik: infotext

Andere pflegen Tribalismus: Bu­tem­bo ist das Zentrum der Nande-Volksgruppe, größte Ethnie der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, deren Führer sich historisch mit denen der ruandischsprachigen Hutu um die Vorherrschaft streitet. Während des Kongokriegs war Nord-Kivu zwischen rivalisierenden Rebellen gespalten, seit Kriegsende regierte der Nande-Politiker Julien Paluku die Provinz als Gouverneur, aber jetzt hat er sich ins nationale Parlament wählen lassen, und die Machtfrage ist weit offen. Vor einigen Monaten starteten Hutu-Politiker eine Petition, Nord-Kivu aufzuspalten, damit sie ihre eigene Provinz bekommen – samt Nord-Kivus Hauptstadt Goma. Bei den Nande in Butembo 330 Kilometer weiter nördlich sorgt das für Empörung.

Im Wahlkampf kursieren nun Nande-Versprechen, es den Hutu zu zeigen, wenn man denn gewählt wird. Und das vermischt sich auf kuriose Weise mit dem Ebola-Thema. Weil das Virus vor allem in den Nande-Siedlungsgebieten Ostkongos grassiert, wird behauptet, der bisherige Staatschef Joseph Kabila habe ihn fabriziert, um die Nande und Regimegegner überhaupt auszurotten. Deren historischer Rebellenführer Mbusa Nyamwisi, heute exiliert und wieder in der Opposition, wird noch heute in Butembo als „Mzee“ verehrt, als weiser alter Mann also, dem man zu folgen hat, und die Großhändler der Stadt, von denen alles andere abhängt, sind ihm bis heute treu.

Die These von Ebola als Anti-Nande- und Anti-Oppositions-Virus wurde vergangenes Jahr unter anderem vom Parlamentsabgeordneten Mbindule Mitono verbreitet. Viele seiner Wähler in Butembo lehnten es daraufhin ab, sich an Ebola-Präventionsmaßnahmen zu beteiligen. Jetzt stellt er sich zur Wiederwahl und denunziert Ebola immer noch als Komplott.

„Man spielt nicht mit der Gesundheit der Wähler“, sagt dazu Muhindo Nzangi, bisher Parlamentsabgeordneter für Goma und jetzt Kandidat in Butembo. „Man sollte keine Falschheiten über diese Krankheit verbreiten. Es ist eine Epidemie, sie tötet, und wenn wir nicht aufpassen, werden wir es bereuen.“ Ähnlich äußerte sich der scheidende Provinzgouverneur Paluku, als er am Dienstag Butembo besuchte: „Ich bin gekommen, um meine Kandidaten zu unterstützen, aber auch aus Anteilnahme mit euch wegen Ebola.“

Nahrung erhalten die Verschwörungstheorien dadurch, dass am 30. Dezember 2018 die Region Beni-Butembo wegen Ebola von Kongos Wahlen ausgeschlossen wurde – was als Manöver des Kabila-Lagers interpretiert wurde, eine Opposi­tions­hochburg mundtot zu machen. Und jetzt finden die Wahlen doch statt, obwohl die Seuche weiter wütet. Doktor Jean Paul Bundama von der städtischen Gesundheitsbehörde, der in den Medien unermüdlich über Ebola aufklärt, betont: „Die Politisierung einer Epidemie ist ein schwerer Fehler. Man muss Politik und Ebola klar voneinander trennen. Sonst laufen wir ins Verderben.“

Ein Anti-Oppositions-Virus?

Am 30. Dezember hatten zivilgesellschaftliche Gruppen in Beni und Butembo die offiziell abgesagte Wahl in Eigenregie durchgeführt, der Eifer der Bevölkerung war enorm, und 99 Prozent der Stimmen gingen an die Opposition. Aber diesmal hat der Wahlkampf viel von seiner Spannung verloren, weil der Rest des Landes längst gewählt hat. Es werden auch nur Abgeordnete gewählt, die Präsidentschaftswahl wird nicht nachgeholt.

Auf Wahlversammlungen sieht man nur kleine Grüppchen von Leuten, die sichtlich nichts Besseres zu tun haben. Die Kandidaten stellen sich daher auf Plätze, die ohnehin belebt sind, an Bushaltestellen und Märkte. Nur wenige trauen sich beispielsweise in Universitäten, um mit politisch interessierten Studenten zu diskutieren, und solche Diskussionen erschöpfen sich zumeist in Kritik am bisherigen Regime.

Die Mehrheit der Bevölkerung kann nicht lesen und schreiben und vegetiert von Tag zu Tag ohne Perspektive; für Versprechungen, die lokale Wirtschaft zu stärken und Korruption zu bekämpfen, haben die Menschen nichts übrig. Ein Grund dafür ist auch, dass sie seit über zwanzig Jahren im Krieg leben. Nicht nur Ebola beeinträchtigt das Leben, sondern auch und vor allem die ursprünglich ugandische Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces), deren angeblich nur wenige hundert Kämpfer seit nunmehr gut vier Jahren permanent Massaker an Zivilisten am Rande der Städte begehen. Selbstverteidigungsmilizen, die die Bevölkerung schützen möchten, halten im Gegenzug zahlreiche Dörfer besetzt und plündern das Vieh, vergewaltigen die Frauen und stehlen den Besitz der Menschen.

Gemessen daran verläuft der Wahlkampf erstaunlich friedlich. „Ich rate allen Kandidaten, sich nicht gegenseitig zu beleidigen“, erklärte Gouverneur Paluku bei seinem Besuch in Butembo. „Wahlkampf ist kein Kampf. Du kannst deinen Gegner beschimpfen, aber wenn der die Wahl gewinnt, wirst du es bereuen, denn er ist dann auch dein Abgeordneter.“

Zwar wurden zwei Ebola-Behandlungszentren von unbekannten Bewaffneten nachts verwüstet, und die Armeepositionen außerhalb von Butembo sind regelmäßig ADF-Angriffsziele. Aber es scheint, als habe der Wahlkampf die Rebellen ruhiggestellt. Sogar um Beni, wo sie am brutalsten vorgehen, gibt es Zeichen der Befriedung; so wurden Geiseln freigelassen. „Das kommt sehr selten vor, und es ist eine positive Überraschung“, freut sich Kizito Bin Hangi, Präsident der Zivilgesellschaft von Beni. „Können wir jetzt auf eine positive Entwicklung hoffen?“ Vielleicht weist diese Wahl diesem Teil Ostkongos den Weg zum Frieden.

Der Autor leitet in seiner Heimatstadt Butembo den Rundfunksender Radio Soleil.

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