Ebola-Tagebuch – Folge 37: Virus greift auf Mali über
Ein Kleinkind aus Guinea schleppt unwissentlich das Virus nach Mali ein, die WHO ist alarmiert. In dem Land gibt es viele internationale Truppen.
BERLIN taz | Die Parallele ist unheimlich. Ende Dezember 2013 war der Tod eines zweijährigen Kindes im Süden von Guinea der Start der westafrikanischen Ebola-Epidemie, die nach jüngsten Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO vom Samstag inzwischen 4.922 Tote gefordert hat. Und jetzt hat wieder der Tod eines zweijährigen Kindes die Epidemie erneut eine neue Stufe überschreiten lassen – die Ausdehnung in den Sahelstaat Mali.
Die bisherigen Ebola-Länder Guinea, Sierra Leone und Liberia sind vergleichsweise klein und überschaubar. Der mittlerweile überwundene Ebola-Ausbruch in Nigeria war von Anfang an unter Kontrolle. Mali stellt eine andere Herausforderung dar. Das Land ist riesengroß und nach wie vor aufgrund der Aktivitäten bewaffneter islamistischer Kämpfer und Tuareg-Rebellen instabil. Die Art, wie Ebola nach Mali gelang, macht weitere unkontrollierte Ausdehnungen sehr wahrscheinlich. Die WHO hat umgehend die Lage in Mali zum Notfall erklärt.
Was ist passiert? Am 19. Oktober stieg ein zweijähriges Mädchen aus dem guineischen Distrikt Kissidougou in den Bus nach Mali zusammen mit seiner Großmutter – angeblich, lokalen Berichten zufolge, von der Großmutter mitgenommen, nachdem die Mutter in Guinea an Ebola gestorben war. Die beiden stiegen mehrfach um und landeten schließlich in Malis Hauptstadt Bamako, von wo aus es nach Westen weiterging, in die Stadt Kayes nahe der Grenze zu Senegal. Unterwegs hatte das kleine Mädchen bereits Nasenbluten.
In Kayes gingen die beiden am 20. Oktober zum Arzt. Der schickte sie ins Krankenhaus und am nächsten Tag wurde das Mädchen in die Pädiatrie eingewiesen, mit 39 Grad Fieber und blutigem Stuhl. Ein Malariatest war negativ, ein Typhustest positiv. Am 23. Oktober erbrachte ein weiterer Test, dass sie Ebola hatte. Am nächsten Tag war sie tot.
Viele Möglichkeiten der Weitergabe
Die lange komplizierte Überlandreise bot viele Möglichkeiten, unwissentlich das Virus weiterzugeben. Es wird aber kaum möglich sein, sämtliche Kontaktpersonen ausfindig zu machen. 43 sind identifiziert, darunter zehn Pfleger und Krankenhausmitarbeiter, die jetzt unter Beobachtung sind – aber das ist natürlich nur ein Bruchteil. Es ist genau die Art von Situation, die ein unkontrolliertes Ausbreiten von Ebola begünstigt.
Die WHO evaluiert jetzt zusammen mit der US-Seuchenkontrollbehörde CDC, wie man in Mali ein Ebola-Präventionsprogramm aufzieht. Eine Tonne an Material wurde bereits von den USA aus Liberia eingeflogen.
„Wir tun alles, um Panik und Psychose zu vermeiden“, sagte Malis Staatspräsident Ibrahim Boubacar Keita. Eine Schließung der Grenze nach Guinea lehnte er ab – auf beiden Seiten dieser Grenze leben dieselben Bevölkerungsgruppen. Das nördliche Nachbarland Mauretanien war weniger zimperlich und schloss seine Grenze zu Mali.
Internationale Truppen vor Ort
Die Besonderheit von Mali: Es ist das erste Ebola-Land mit einer deutschen Militärpräsenz. Es gibt viele internationale Truppen, seit Frankreich Anfang 2013 tausende Soldaten schickte, um den unter Kontrolle radikaler Islamisten geratenen Norden des Landes zurückzuerobern. Die UN-Mission Minusma, die die gemeinsam mit Frankreich eingesetzte westafrikanische Eingreiftruppe abgelöst hat, zählt rund 9.300 Mann, darunter 67 Deutsche in unterstützender Mission. Die Franzosen sind mit ihrer Eingreifmission „Serval“ immer noch mit mehreren tausend Kampftruppen präsent. Dazu kommt die EU-Ausbildungsmission EUTM für Malis Armee mit 80 deutschen Soldaten – darunter auch Sanitäter.
Auf sie könnten jetzt neue Aufgaben zukommen. Bundeswehrsanitäter sollen demnächst in Liberia Ebola-Behandlungszentren aufbauen. Das erste deutsche Erkundungsteam in Liberia war gerade auf dem Rückflug nach Deutschland, als das an Ebola erkrankte Mädchen in Mali ankam.
Schon im August entwickelte die Bundeswehr einen Einsatzplan für Ebola in Mali: Soldaten wurden angewiesen, auf Marktbesuche zu verzichten und nicht auswärts zu essen, vermutlich damit sie nicht aus Versehen Flughunde oder andere Ebola-Virusträger verzehren. Offiziell galt die Alarmstufe Null. Das wird sich jetzt ändern.
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