EU will Sammelklage einführen: Gemeinsam statt einsam klagen
Erstmals sollen KundInnen in der EU gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen können. Eine „Klage-Industrie“ soll dabei verhindert werden.
Die EU-Kommission hatte bereits 2018 angekündigt, die Verbraucherrechte zu stärken und Sammelklagen zu ermöglichen. Damit reagierte sie auch auf ungleiche Behandlung in Europa und in den USA. Während Verbraucher in den USA nach dem Abgasskandal mit Milliardensummen entschädigt wurden, gingen die meisten VW-Kunden in der EU leer aus.
Mit der nun gefundenen Einigung erhalten Verbraucherschutz-Organisationen erstmals die Möglichkeit, überall in der EU Klagen mehrerer Verbraucher aus demselben Grund und gegen dasselbe Unternehmen zu bündeln. Die neuen Regeln ermöglichten ein „repräsentatives Vorgehen“ in allen 27 Mitgliedstaaten, erklärte das Europaparlament.
Zudem wurden „angemessene Garantien vor missbräuchlichen Klagen“ vereinbart. Damit soll verhindert werden, dass sich wie in den USA eine „Klageindustrie“ entwickelt. „Wir haben versucht, einen Ausgleich zwischen legitimen Verbraucher-Interessen und der Rechtssicherheit für Unternehmen zu finden“, sagte Parlaments-Berichterstatter Geoffroy Didier.
Nicht jeder Verband ist legitimiert
Ob dies wirklich gelungen ist, muss sich noch zeigen. Denn der Teufel steckt im Detail – etwa dabei, wer zur Klage berechtigt ist. Die EU unterscheidet zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Streitfällen. Wenn mehrere EU-Länder betroffen sind, müssen die Organisationen strengere Kriterien erfüllen.
So müssen die Verbraucherschützer nachweisen, dass sie schon mindestens 12 Monate vor der Klage tätig waren. Außerdem sollen sie nicht gewinnorientiert arbeiten. Welche Verbände für EU-weite Klagen infrage kommen, müssen die Mitgliedstaaten jetzt in nationalen Gesetzen festlegen, die spätestens Ende 2022 in Kraft treten sollen.
Mehr als die deutsche Musterfeststellungsklage
Immerhin geht die neue EU-Regelung über das deutsche Recht hinaus. Deutschland hatte bereits 2018 die so genannte Musterfeststellungsklage eingeführt. Danach hat die Verbraucherzentrale ein Verfahren gegen VW angestrengt. Um an eine Entschädigung zu kommen, mussten die geschädigten Kunden aber auch noch individuell gegen den Wolfsburger Konzern klagen.
Die neuen EU-Regeln werden es hingegen erlauben, dass die Verbraucherschützer den Schadenersatz direkt mit einklagen können. Auf Drängen des EU-Parlaments werden auch Flug- und Zuggastrechte erfasst. Darüber hinaus können Sammelklagen etwa bei Fragen des Datenschutzes, bei Finanzdienstleistungen sowie bei Energie-, Umwelt- und Gesundheitsfragen eingereicht werden.
„Nach einem langen und harten Kampf gegen die Versuche der Industrie, den Vorschlag zu verwässern, werden Verbraucherorganisationen künftig vor Gericht gegen unlautere Händler vorgehen können“, sagte die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt. Die grüne Europapolitikerin Anna Cavazzini sprach von einem „großen Gewinn“ für den EU-Weiten Verbraucherschutz.
Für den VW-Skandal könnte dieser Gewinn allerdings zu spät kommen. Denn die Ansprüche sind – zumindest nach Ansicht des Wolfsburger Konzerns – bereits verjährt. Das Europaparlament nimmt denn auch keinen direkten Bezug mehr auf „Dieselgate“. Es spricht von einem „New Deal für die Verbraucher“. Bevor der in Kraft tritt, muss das Parlament allerdings noch einmal im Plenum zustimmen.
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