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EU will Sammelklage einführenGemeinsam statt einsam klagen

Erstmals sollen KundInnen in der EU gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen können. Eine „Klage-Industrie“ soll dabei verhindert werden.

Auch bei verbotener Bleimunition in der Umwelt können sich Verbraucher bald gemeinsam wehren Foto: imago

Brüssel taz | Fast fünf Jahre nach dem „Dieselgate“ bei Volkswagen will nun auch die EU die lange versprochenen Sammelklagen einführen. Darauf einigten sich Europa­parlament, EU-Kommission und Ministerrat in Brüssel. Der so genannte Trilog war überraschend angesetzt worden; mit der späten Einigung hatte in Brüssel kaum noch jemand gerechnet.

Die EU-Kommission hatte bereits 2018 angekündigt, die Verbraucherrechte zu stärken und Sammelklagen zu ermöglichen. Damit reagierte sie auch auf ungleiche Behandlung in Europa und in den USA. Während Verbraucher in den USA nach dem Abgasskandal mit Milliardensummen entschädigt wurden, gingen die meisten VW-Kunden in der EU leer aus.

Mit der nun gefundenen Einigung erhalten Verbraucherschutz-Organisationen erstmals die Möglichkeit, überall in der EU Klagen mehrerer Verbraucher aus demselben Grund und gegen dasselbe Unternehmen zu bündeln. Die neuen Regeln ermöglichten ein „repräsentatives Vorgehen“ in allen 27 Mitgliedstaaten, erklärte das Europaparlament.

Zudem wurden „angemessene Garantien vor missbräuchlichen Klagen“ vereinbart. Damit soll verhindert werden, dass sich wie in den USA eine „Klageindustrie“ entwickelt. „Wir haben versucht, einen Ausgleich zwischen legitimen Verbraucher-Interessen und der Rechtssicherheit für Unternehmen zu finden“, sagte Parlaments-Berichterstatter Geoffroy Didier.

Nicht jeder Verband ist legitimiert

Ob dies wirklich gelungen ist, muss sich noch zeigen. Denn der Teufel steckt im Detail – etwa dabei, wer zur Klage berechtigt ist. Die EU unterscheidet zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Streitfällen. Wenn mehrere EU-Länder betroffen sind, müssen die Organisationen strengere Kriterien erfüllen.

So müssen die Verbraucherschützer nachweisen, dass sie schon mindestens 12 Monate vor der Klage tätig waren. Außerdem sollen sie nicht gewinnorientiert arbeiten. Welche Verbände für EU-weite Klagen infrage kommen, müssen die Mitgliedstaaten jetzt in nationalen Gesetzen festlegen, die spätestens Ende 2022 in Kraft treten sollen.

Mehr als die deutsche Musterfeststellungsklage

Immerhin geht die neue EU-Regelung über das deutsche Recht hinaus. Deutschland hatte bereits 2018 die so genannte Musterfeststellungsklage eingeführt. Danach hat die Verbraucherzentrale ein Verfahren gegen VW angestrengt. Um an eine Entschädigung zu kommen, mussten die geschädigten Kunden aber auch noch individuell gegen den Wolfsburger Konzern klagen.

Die neuen EU-Regeln werden es hingegen erlauben, dass die Verbraucherschützer den Schadenersatz direkt mit einklagen können. Auf Drängen des EU-Parlaments werden auch Flug- und Zuggastrechte erfasst. Darüber hinaus können Sammelklagen etwa bei Fragen des Datenschutzes, bei Finanzdienstleistungen sowie bei Energie-, Umwelt- und Gesundheitsfragen eingereicht werden.

„Nach einem lan­gen und har­ten Kampf gegen die Ver­su­che der In­dus­trie, den Vor­schlag zu ver­wäs­sern, wer­den Ver­brau­cher­or­ga­ni­sa­tio­nen künf­tig vor Ge­richt gegen un­lau­te­re Händ­ler vor­ge­hen kön­nen“, sagte die SPD-Abgeordnete Eve­ly­ne Geb­hardt. Die grüne Europapolitikerin Anna Cavazzini sprach von einem „großen Gewinn“ für den EU-Weiten Verbraucherschutz.

Für den VW-Skandal könnte dieser Gewinn allerdings zu spät kommen. Denn die Ansprüche sind – zumindest nach Ansicht des Wolfsburger Konzerns – bereits verjährt. Das Europaparlament nimmt denn auch keinen direkten Bezug mehr auf „Dieselgate“. Es spricht von einem „New Deal für die Verbraucher“. Bevor der in Kraft tritt, muss das Parlament allerdings noch einmal im Plenum zustimmen.

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