piwik no script img

EU will Konzerne härter regulierenKommission stellt Digitalpaket vor

Die EU will mit neuen Gesetzen die Macht von Facebook, Amazon und Co. eindämmen. Für illegale Inhalte haften sollen die Tech-Firmen allerdings nicht.

Demonstrant mit Mark-Zuckerberg-Maske vor Gebäude der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel Foto: Olivier Matthys/ap

Brüssel taz | Die Europäische Union will Amazon, Facebook & Co. in die Schranken weisen. Zwanzig Jahre nach der ersten Richtlinie zum „E-Commerce“ legte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel ein umfangreiches Gesetzespaket vor. Es soll die vorwiegend amerikanischen Internet-Giganten zwingen, sich dem Wettbewerb zu stellen und „illegale“ Inhalte zu löschen. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldstrafen, die bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes umfassen können.

Eine Zerschlagung der Online-Monopolisten, wie sie in den USA diskutiert wird, fordert die EU jedoch nicht. Die Konzerne sollen auch nicht für unerwünschte Inhalte – Terror-Propaganda, Fake News oder illegale Kaufangebote – haftbar gemacht werden. Das enttäuscht Verbraucherschützer. Netzaktivisten warnen, dass die EU eine Zensur durch die Hintertür einführen könne und die umstrittenen Uploadfilter weiter vorantreibe.

„Unser Vorschlag richtet sich gegen niemanden“, sagte ein Kommissionsexperte. Man ziele nicht auf Amazon oder Facebook, sondern wolle dem Wohl der Verbraucher und der europäischen Wirtschaft dienen. Für Internetfirmen aus der EU sollen die neuen Regeln genauso gelten wie für dominante US-Anbieter oder chinesische Konzerne. „Hier geht es nicht darum, Dominanz zu bewerten“, fügte der Experte hinzu. Dabei wurde um diese Frage bis zuletzt gerungen.

Der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton wollte die Vormacht der US-Giganten brechen und europäische Mitbewerber fördern – ganz nach dem Motto „Europe first“. Demgegenüber setzt die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf Fairness und Transparenz. Die Macht der digitalen Unternehmen bedrohe „unsere Freiheiten, unsere Chancen, sogar unsere Demokratie“, so Vestager. Doch mit einer Zerschlagung sei niemandem geholfen.

„Marktmacht der Monopole brechen“

Das nun vorgelegte Gesetzespaket ist ein Kompromiss aus beiden Ansätzen. Es besteht aus zwei Teilen: dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA). Im DSA geht es vor allem um gesellschaftliche Fragen, im DMA ums Geschäft. Beide Gesetze sollen die nächste Dekade prägen – ähnlich wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) von 2016, die globale Standards gesetzt hat.

Das Europaparlament äußerte sich skeptisch. „Die neuen Regeln müssen dazu beitragen, die Verbreitung illegaler Inhalte und Hass im Netz zu stoppen“, sagte der CDU-Politiker Axel Voss. Dies sei noch nicht hinreichend gesichert. Nötig seien EU-weite Standards dafür, wie Facebook oder Twitter mit illegalen Inhalten umgehen.

Es gehe darum, „die Marktmacht der Monopole zu brechen und deren Geschäftsmodell zu ändern“, fordert dagegen Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan. Für den Piraten Patrick Breyer fällt der Vorschlag viel zu „industrienah“ aus. Die EU müsse ihre Bürger „vor Überwachungskapitalismus und Internetzensur schützen“.

Das Parlament wird den Vorschlag der Kommission im kommenden Jahr ausführlich diskutieren und Änderungen vornehmen. Die Lobbyisten von Google und anderen US-Konzernen laufen sich schon warm, um die Europaabgeordneten in ihrem Sinne zu beeinflussen. 2021 drohe die größte Lobbyschlacht aller Zeiten, heißt es in Brüssel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Niemand kann Jeff Bezos stoppen. AWS allein ist ein riesiges Geschäft und die Infoquelle....



    Liebe Bürgern, weiter bei Amazon bestellen....

    • @H B:

      Im Zeichen des aktuellen "Lockdown" - warum nicht dem franz. Modell aus dem Frühjahr folgen und auch Amazon und Co nur das Verkaufen "wichtiger" Produkte wie Nahrungsmittel und Hygieneartikel erlauben?

      • @Bunte Kuh:

        Guter Punkt.. Aber welche Politiker hat den Mut das zu machen?



        Oder andersrum: Welche hat keine Beziehung an solcher Konzernen hat??

        Egal Links oder Rechts, alle haben gemeinsamen Punkten....

    • @H B:

      Zerschlagen!



      Alexa hört im im Wohnzimmer mit, dem privatesten aller Lebensbereiche, kennt Dein Konsumverhalten, durchleuchtet und analysiert gnadenlos jeden Klick auf seiner Website, versucht, Dich zu personalisieren und ist dabei gleichzeitig Provider von gigantischer Cloud Compting Power.

      Zu den beliebtesten Cloud-Diensten gehören: Sentiment-Analyse, also die Beurteilung einer Aussage nach negativer oder positiver Haltung auf einer Skala zwischen 0 und 100, sogenannte Streaming Analytics, die Unmengen von Audiodaten in Echtzeit vertexten und verschlagworten können, Text-Mining und riesige Datenbanken, die Milliarden von Datensätzen pro Sekunde durchsuchen und miteinander verknüpfen können. Google kennt Dich besser als Dein/e Freund/in, Facebook kennt Dein Beziehungsnetzwerk und erhält freiwillig Milliarden von Gesichts erkennungsmotiven von seinen Benutzern, Deine Smartwatch kennt, speichert, analysiert und bewertet Deine Gesundheitsmetriken.

      Das hätte fast schon das Zeug für einen dystopischen Roman. Achja, bin Cloud-Engineer und kein V-Theoretiker.